Uli Hoeneß:Nachrichtensprecher

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Erst demütig, dann jovial, dann mitteilungsfreudig: Die ersten zwei Tage von Uli Hoeneß als Präsident des FC Bayern.

Von Benedikt Warmbrunn

Der neue Tag war 19 Minuten alt, es war der erste ganze Tag, an dem Uli Hoeneß wieder der alte sein durfte. Er streckte die Arme aus, legte die Handflächen auf den Tisch vor ihm, er drückte die Schulterblätter zusammen, lehnte sich zurück. Er entspannte sich, die Augen wurden kleiner, die Aussagen ruhiger. Er werde, sagte Hoeneß in der ersten Samstagsstunde, "auch mal zwei Tage nicht arbeiten", dann, wenn nichts zu tun sei.

Erst einmal war aber ziemlich viel zu tun für Uli Hoeneß, den alten, neuen Präsidenten des FC Bayern.

Es war in den Tagen vor dieser Wahl ja viel davon gesprochen worden, was durch Hoeneß zurück in den Verein komme, was gefehlt habe in diesen zweieinhalb Jahren, in denen Hoeneß kein Amt beim FC Bayern inne hatte. Von Gefühl war die Rede, vom Herzen des Vereins. Und Hoeneß, 64, nutzte gleich die ersten 48 Stunden als Präsident, um zu demonstrieren: Es kommt noch viel mehr zurück.

Am Freitag, bei der Jahreshauptversammlung, bei der 108 Mitglieder gegen Hoeneß gestimmt hatten, bei der sich 58 enthalten hatten, bei der ihn aber die übrigen 6986 anwesenden Mitglieder zum Präsidenten gewählt hatten, war Hoeneß noch derjenige, der gekonnt die Bayern-Seele gestreichelt hatte. Er hielt eine demütige, leise Bewerbungsrede, in der er "in der Steuersache" einen Fehler gestand, in der er Verständnis äußerte für jeden, der gegen ihn stimmen werde (anders als viele Mitglieder während der Abstimmung selbst), in der er um "eine zweite Chance" bat. In dieser Rede erzählte er auch, dass ihn die Mitglieder selbst zur Rückkehr motiviert hätten, durch ihre vielen Briefe, die er in der Haft gelesen habe, gerade sonntags, wenn sich das Wochenende wieder einmal in die Länge zog. "Geweint wie ein Schlosshund" habe er in diesen Momenten.

Nach seiner Wahl gab Hoeneß sich jovial, volksnah, verständnisvoll und vor allem: gelöst. Selbst über sein Gewicht und über seine Haftstrafe in Landsberg scherzte er, er brachte beides in einen Zusammenhang (einem Fan, der mehr Big-Size-Fanartikel gefordert hatte, sagte er, helfen könnten auch "21 Monate in Landsberg, aber das möchte ich Ihnen nicht zumuten"). Als neuer Präsident durfte Hoeneß auch wieder die Versammlung moderieren, die komplizierten, technischen Themen leitete er dabei elegant an den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge weiter; zum Beispiel, als ein Fan über die Anstoßzeiten in der Champions League sprechen wollten. Hoeneß selbst redete dann, wenn er charmant sein konnte, wenn er die Herzen oder zumindest die Lachmuskel erreichen konnte. Und die Mitglieder lachten, sie johlten, sie sangen seinen Namen.

Später auf der Pressekonferenz, auf der Hoeneß so mächtig auf seinem Stuhl saß, mit ausgestreckten Armen, durchgedrücktem Rücken, wollte er sich noch nicht festlegen auf die Rolle, die er übernehmen könnte. Aber er war ja auch müde.

Für den Rest des Wochenendes übernahm er dann jede Rolle, die denkbar war.

Am Samstag, nach dem 2:1 gegen Leverkusen, durch das pünktlich zu seinem Amtsantritt die Minikrise der Mannschaft endete, trat Hoeneß als Versöhner auf. In der aufgepeitschten Stimmung auf der Jahreshauptversammlung hatte Hoeneß den Bundesliga-Tabellenführer RB Leipzig einen "Feind" genannt, einen allerdings, über den er sich freue; nur durch starke Konkurrenten könne das eigene Team besser werden. Am Samstag entschuldigte er sich in einem Interview mit dem ZDF für diese Wortwahl, ein "totaler Fehlgriff" sei diese in den aktuellen aufgewühlten gesellschaftlichen Zeiten gewesen.

Am Sonntag schließlich reiste Hoeneß in die Fichtelgebirgshalle nach Wunsiedel, zu einem Weihnachtsbesuch beim dortigen Fanclub; alle im Verein waren sie deswegen unterwegs. Hoeneß nutzte diese Reise auch, um eine weitere Rolle einzunehmen. Die des Nachrichtensprechers.

"Eine Tatsache" sei es, dass die Mannschaft zuletzt nicht mehr so dominant gespielt habe, auch beim 2:1 gegen Leverkusen. Sorgen bereite ihm dies jedoch nicht, der aktuelle Kader sei "der beste aller Zeiten". Hoeneß, der als Präsident sowie als Mitglied des Aufsichtsrat keine Kompetenz in der alltäglichen Arbeit hat, schloss daher auch baldige Zugänge aus: "Transfers in der Winterpause machen keinen Sinn." Und da er schon mitten in der Vereinspolitik steckte, deutete er eine weitere Vertragsverlängerung an, die von Arjen Robben: "Der Trend geht eindeutig dazu, dass man versucht, Arjen beim FC Bayern zu halten." Außerdem habe der Verein beschlossen, die Jugendarbeit "komplett zu ändern", auch dort wolle er "zurück in die Spitze Europas". Wahrscheinlich hätte er stundenlang weiterreden können, aber dieses Wochenende, es war nicht lang genug.

Zwei Tage lang ist Hoeneß wieder Präsident des FC Bayern. War er überhaupt jemals weg?

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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