TSV 1860 München:Zeit für Brasilianer

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Kosta Runjaic, Cheftrainer in Stettin, war einst auch Trainer bei 1860 München - hier ein Bild von 2016. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Nach der missratenen ersten Hälfte beim 1:3 gegen Düsseldorf ist die Kommunikationsstrategie des Klubs klar: Schuld sind die Spieler. Trainer Runjaic darf weitermachen und will eine ganz andere Startelf formen.

Von Markus Schäflein

Am Montagvormittag zeigte Kosta Runjaic seiner Mannschaft die Aufzeichnung der ersten Hälfte (0:3) der 1:3-Niederlage gegen Düsseldorf noch einmal in voller Länge. "So etwas habe ich auch noch nie gemacht", berichtete der Trainer des TSV 1860 München. Normalerweise lässt er für die Videoanalyse die schlimmsten Szenen zusammenschneiden, aber diesmal hatte es so viele schlimme Szenen gegeben, dass sich das nicht gelohnt hätte. Der Erkenntnis des Vormittags vor dem Fernseher: "Es war eine beschissene erste Hälfte, ein blutleerer Auftritt, so etwas darf nicht passieren." So etwas darf bekanntlich vor allem nicht passieren, wenn ein Trainer seine Anstellung behalten will. Runjaic darf aber zunächst weitermachen und wird die Mannschaft am Freitag, am zehnten Spieltag, in Stuttgart betreuen.

"Ich bin mir selbst heute nicht sicher, ob alle einsichtig sind seitens der Spieler."

In den vergangenen drei Jahren überstand kein Übungsleiter bei Sechzig den zehnten Spieltag. Runjaic ahnt also, dass er etwas tun muss, um die Serie zu beenden: Beim VfB wird nach seinen Angaben eine völlig andere Mannschaft auf dem Platz stehen. Zumal die Vorgeführten bei der Videoanalyse aus Runjaics Sicht schon wieder keine gute Figur abgaben. "Die Mannschaft war nicht sehr gesprächig", stellte er fest, "ich bin mir selbst heute nicht sicher, ob alle einsichtig sind seitens der Spieler." Er bemängelte "wenig Verantwortungsbewusstsein". Hinterher sei man immer schlauer, erklärte der Trainer zu dem Vorwurf, dann habe er eben die falschen Spieler aufgestellt. "Das kann man jetzt so sagen", meinte er.

Als Beispiel lässt sich Kai Bülow in der Innenverteidigung nennen, der nur noch spielte, weil Zugang Sebastian Boenisch sich gleich verletzte. Dass Bülows Rauswurf aus der Startelf nach seinem Aussetzer in Würzburg (0:2) vorher von Runjaic kommuniziert und dann gezwungenermaßen wieder zurückgenommen wurde, wird zu seiner eigentümlichen Verunsicherung beigetragen haben. Zur zweiten Hälfte kam für Bülow dann Rodnei, von dem Runjaic sagte: "Laut meiner Info war er nach seiner Verletzung noch nicht so weit." In Stuttgart werde der Brasilianer, der einen sichereren Eindruck hinterließ, dennoch in der Startelf stehen: "Wir müssen zur Zeit improvisieren. Ich muss den einen oder anderen ins kalte Wasser werfen, auch wenn er nicht so weit ist oder das Risiko besteht, dass er sich wieder verletzt."

Auf einen Einsatz von Beginn an kann sich auch Rodneis Landsmann Victor Andrade einstellen, der in der zweiten Hälfte ebenfalls dazu beitrug, dass das Spiel der Löwen etwas besser wurde. "Jetzt hat er schon einmal eine ganze Halbzeit gespielt, und er ist so weit, dass man ihm einen Starteinsatz zutrauen kann", meinte Runjaic, der den von Benfica Lissabon geliehenen 20-Jährigen aufgrund permanenter Rotgefahr und mangelhaften taktischen Verhaltens bislang stets nur kurz eingesetzt hatte. Dazu gebe es noch "ein paar, die wir noch gar nicht ausprobiert haben".

Klingt nach einer Menge Risiko für das Spiel beim Bundesliga-Absteiger, der ebenfalls unter Druck steht: "Risiko hin, Risiko her", sagte der Trainer, "schlechter kann es nicht mehr werden." Dass neben Bülow in der Halbzeit auch Daniel Adlung weichen musste, kann man als Indiz für besondere Unzufriedenheit Runjaics werten, der Trainer sagte aber: "Ich hätte gerne noch mehr Spieler ausgewechselt." Fast alle, "bis auf einen oder zwei waren alle beteiligt".

Was die Aufstellung angeht, gilt es zu berücksichtigen, dass zahlreiche mit Hoffnung verbundene Zugänge wie Boenisch, Aigner, Olic, Ribamar und Stojkovic entweder verletzt zu 1860 kamen oder sich danach verletzten. "Wir sind mit vielen Verletzten konfrontiert und mit Sachen, die nicht passieren dürfen", meinte Runjaic. Die Kommunikationsstrategie bei Sechzig ist aber klar: keine Ausreden suchen, die die Fans entzürnen. Schuld sind die Spieler. "Ich erwarte von den Verantwortlichen, dass ab sofort nur noch Spieler für 1860 auflaufen, die sich 100 Prozent mit 1860 identifizieren. Die Spieler müssen um ihr Leben laufen", hatte der jordanische Investor Hasan Ismaik, der zu einer Art oberster Fan mutiert ist, auf Facebook mitteilen lassen, nachdem die Mannschaft "hingerichtet" worden sei. Runjaic passte sich, wie auch Geschäftsführer Thomas Eichin, dieser Sichtweise voll und ganz an.

Während Runjaic seine Ausführungen machte, brüllte in sicherer Entfernung am Löwenstüberl ein Rentner mehrmals: "Trainer raus!" Das sei schade, fand Runjaic. Die These, dass möglicherweise die Mannschaft, wie es auf Fußballdeutsch so prägnant heißt, gegen den Trainer spiele, mochte er aber nicht stehen lassen: "Es geht nicht um den Trainer", meinte er. "Sie spielen gegen sich selbst."

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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