TSV 1860 München:Verzweifelte Versuche

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Der neue Geist, den die Winterzugänge bringen sollen, wird gleich auf die Probe gestellt: Trotz zahlreicher Chancen verliert der TSV gegen Nürnberg 0:1.

Von Markus Schäflein

Die Anhänger des TSV 1860 München hatten die lange Winterpause genutzt und in umfangreichen Bastelarbeiten großflächige Botschaften vorbereitet. "Setzt dem Millionengrab ein Ende - raus aus der Arena", war zu lesen, "kommt heim auf den Giesinger Berg zurück ins Sechzger!" Auch für den jordanischen Investor Hasan Ismaik hatten sie einige Schriftzüge mitgebracht ("Luftschlösser aus 1001 Nacht", "Money in your pocket but you just can't get our love" usw.). Ebenso fleißig hatten sich über den Winter Trainer Benno Möhlmann und Sportdirektor Oliver Kreuzer auf den Wiederauftakt vorbereitet, von den fünf Zugängen standen gegen den 1. FC Nürnberg vor 51 200 Zuschauern Innenverteidiger Jan Mauersberger, Levent Aycicek auf der rechten Offensivseite und Stürmer Sascha Mölders in der Startformation. Ähnlich wie auf den Rängen gab es allerdings bei aller Mühe unter dem Strich auch auf dem Rasen nichts Neues: Sechzig verlor 0:1.

Tags darauf versuchte Kreuzer, die Sache trotz der "riesigen Enttäuschung" positiv zu sehen. Denn zumindest an der Leistung in der ersten Hälfte, als die Löwen-Mannschaft die Partie mit druckvollem Spiel klar dominierte, fand er nichts auszusetzen. "Es ist Wahnsinn, dass wir nicht in Führung gegangen sind", stellte Kreuzer angesichts von ersten großen Chancen durch Rubin Okotie (2.) und Christopher Schindler (4.) fest, die an Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer scheiterten.

Möhlmann wiederum ärgerte sich über die Entstehung des Gegentreffers (23.). "Wir hätten schon drei, vier Mal etwas unterbinden können", ehe Patrick Erras aus 18 Metern zu einem Sonntagsschuss ansetzte, monierte der Trainer; an vorletzter Stelle waren es Maximilian Wittek und Michael Liendl, die Guido Burgstaller nicht am Zuspiel auf Erras hinderten. Danach scheiterten Okotie (30.) und Liendl (31.) an Schäfer. Das Tor nicht getroffen, das Tor nicht unterbunden, "wir haben viele Dinge gut gemacht, aber das Entscheidende nicht", stellte Möhlmann fest und erinnerte sich an seinen vorherigen Verein: "Beim FSV Frankfurt hätten wir mit den Chancen zwei, drei Spiele gewonnen."

Nach dem Seitenwechsel war der Schwung der Sechziger allerdings weitgehend dahin. "Das ist ja oftmals so: Du bist im Elan drin, und dann kommt diese beschissene Halbzeitpause", klagte Kreuzer. Nürnbergs Trainer René Weiler habe seiner Mannschaft "dann ja auch gesagt, was sie verändern müssen". Die Franken hatten sich nun im Defensivverhalten besser auf Sechzigs Spielweise eingestellt, die Löwen setzten vermehrt auf weite Schläge, eroberten aber die zweiten Bälle nicht.

Zu zwei Großchancen kam es aber doch noch. Es waren die Szenen, die am Sonntagmorgen am Trainingsgelände am meisten diskutiert wurden: Statt den Ball quer auf den eingewechselten Zugang Maximilian Beister zu spielen, der wesentlich besser postiert war, suchte Okotie selbst den Abschluss und scheiterte mal wieder an Schäfer (76.). "Das war, glaube ich, auch schon die Verzweiflung", wunderte sich Möhlmann. Und dann traf Mölders den schon am Boden liegenden Schäfer (85.). "Unsere beiden Stürmer sind ja erfahren, in der Lage, Tore zu machen, und jeder hatte drei, vier Szenen", sagte der Trainer. "Dann schießen sie den Torwart teilweise an, das ist einfach ärgerlich." Er hatte in Zweitliga-Debütant Nico Karger aus der U21 und Stefan Mugosa noch zwei Stürmer für die Schlussphase eingewechselt, bilanzierte aber: "Das hat nicht die Frische gegeben, die ich erwartet hatte."

Verzweiflung macht sich allerdings auch in Paderborn und Düsseldorf breit, die Konkurrenten der Löwen auf dem Relegationsplatz und dem ersten Nichtabstiegsplatz verloren beide ebenfalls 0:1. Der Abstand der Sechziger auf die begehrten Plätze beträgt weiter drei und sechs Punkte. "Da kann man jetzt sagen, es ist nichts passiert", sagte Kreuzer, der allerdings eher zu einer anderen Interpretation neigte: "Wenn uns die Konkurrenz so eine Steilvorlage gibt, hätten wir einen Big Point machen können."

Enttäuschte Löwen (von links): Nico Karger und Rubin Okotie sowie die Zugänge Levent Aycicek, Maximilian Beister und Jan Mauersberger. (Foto: Lackovic/imago)

Dass die Mannschaft angesichts der verpassten Chance wieder in alte Muster verfallen könnte, hält Kreuzer für eine unbegründete Befürchtung. "Es sind ja jetzt ganz andere Typen dabei, es war ein anderer Geist drin, das ist eine andere Truppe als noch im Herbst." Von den Neuen verdienten sich Aycicek mit einer starken Leistung in der ersten Hälfte und Mauersberger mit gewohnt souveränem Auftreten Lob von Kreuzer; der Sportdirektor stellte hingegen fest, dass bei Mölders "noch ein paar Prozent fehlen". Beister blieb der Traumeinstand nach der Einwechslung verwehrt, und der fünfte Zugang, Goran Sukalo, kann an der Verbesserung des Geistes derzeit noch nicht mitwirken, er fehlte angeschlagen. "Strukturell ist nichts kaputt", berichtete Möhlmann, "aber Schmerzen sind da, das kommt ein bisschen vom Rücken." Ob Sukalo am Sonntag (13.30 Uhr) im wichtigen Auswärtsspiel bei Union Berlin dabei sein kann, ist offen.

Wie die winterlichen Umbaumaßnahmen der Sportlichen Leitung zeitigten übrigens auch die umfangreichen Bastelarbeiten der Anhänger keinen unmittelbaren Erfolg. Ismaik reagierte auf seiner Facebook-Seite nicht darauf, stattdessen war zu lesen: "Es war sehr schön zu sehen, wie 51 000 Löwen ihren Verein gefeiert und unterstützt haben. (. . .) Eure Teilnahme hat mich sehr gefreut."

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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