TSV 1860 München:"So viele Blinde sind nicht vorhanden"

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Plötzlich wieder gefragt: Sechzigs brasilianischer Innenverteidiger Rodnei (links) darf am Freitag im Spiel gegen Stuttgart wohl von Beginn an spielen. (Foto: MIS/imago)

Vor der Partie bei Stuttgart kündigt Trainer Runjaic massive Änderungen an. Die Gründe für die Erfolglosigkeit sieht er beim Verletzungspech und bei den Spielern.

Von Philipp Schneider

Kosta Runjaic kam in den kleinen Container gelaufen, in dem sie an der Grünwalder Straße gerne ihre Pressekonferenzen veranstalten, dann ging Runjaic durch die Reihen, schüttelte wie immer zur Begrüßung die Hände von jedem einzelnen Journalisten, schließlich nahm er Platz und blickte aufmerksam und lächelnd in die Runde. Alles wie immer eigentlich. Nichts deutete daraufhin, dass sich der Trainer des TSV 1860 München sogleich in Rage reden würde, keinerlei Anzeichen gab es, dass er sagen würde: "Mag ja sein, dass der Trainer für den einen oder anderen ein Blinder ist. Aber so viele Blinde um den Trainer herum sind sicher nicht vorhanden. Da sind ganz gute Leute dabei, das kann ich versichern."

Sie haben sich ja eine feine Strategie zurechtgelegt beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, um die andauernde Erfolglosigkeit zu begründen. Gleich nach dem 1:3 gegen Fortuna Düsseldorf am vergangenen Sonntag wurde die Strategie deutlich, sie ist vor allem eine Kommunikationsstrategie und gründet auf zwei Argumenten. Vorgetragen wurden diese zunächst von Sportchef Thomas Eichin unmittelbar nach dem Spiel, später dann sogar auf dem Facebook-PR-Kanal von Investor Hasan Ismaik. Das erste Argument lautet: Der TSV 1860 München wird von einem beispiellosen Verletzungspech heimgesucht, und weil nun eben Schlüsselspieler wie Ivica Olic und Stefan Aigner fehlen, kann die Mannschaft nicht so beschwingt und erfolgreich nach vorne spielen wie vor der Saison geplant. Zweitens: Die Spieler, mit denen gar nicht mehr geplant worden war, die nun aber aushelfen mussten, haben eben gegen Düsseldorf versagt.

"Ich kann Ihnen nicht sagen, warum erfahrene Spieler so auftreten wie in der ersten Halbzeit", rätselte Runjaic auch am Mittwoch noch: "Bei einem Heimspiel. Und gegen eine Mannschaft, die, mit Verlaub, auch keinen Superfußball gespielt hat an dem Tag." Vielleicht sei es der Druck, mutmaßte Runjaic. Oder es sei schlicht so, dass "der eine oder andere den Ernst der Lage nicht erkannt hat". Zwei Tage vor dem Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart am Freitag (18.30 Uhr), nach dem Sechzig sogar der Absturz ans Tabellenende droht, erneuerte der Trainer seine Ankündigung, massive Änderungen an der Startelf vorzunehmen. Glücklicherweise seien genug Spieler fit, "die sich verdammt nochmal den Arsch aufreißen können". Zu dieser Gruppe der außergewöhnlich Motivierten zählt Runjaic den brasilianischen Innenverteidiger Rodnei, der seinen Dienst in der zweiten Halbzeit (gegen bereits siegessichere Düsseldorfer) fehlerfrei abgespult hatte. Er wird nun Kai Bülow ersetzen, der das Tor zum 0:3 erstaunlich widerstandslos hatte geschehen lassen. "Wir haben uns überlegt: Auf wen setzen wir?", fragte Runjaic: "Das war zunächst Kai Bülow, das ist dann aber in die Hose gegangen." Auch der brasilianischen Mittelfeldspieler Andrade soll seine Chance erhalten, der immerhin für ein bisschen Bewegung gesorgt hatte in der zweiten Spielhälfte. "Wir sind alle unzufrieden, einschließlich des Trainers", sprach Runjaic. Die Entscheidungen, die er "in den letzten zwei Spielen getroffen habe, sind nicht aufgegangen". Ein Satz, der so lange wie zarte Selbstkritik klang, bis er anfügte: "Aber die Fehler hat nicht der Trainer begangen, sondern auf dem Platz die Spieler."

Dass ihm Sportchef Eichin nach der Pleite gegen Düsseldorf keine klare Jobgarantie ausgesprochen hatte, kommentierte Runjaic am Mittwoch recht vielsagend. "Wir wissen, wie das hier läuft", sagte der Trainer, "wir wissen aber auch, was hier in den letzten Jahren gelaufen ist." In der Tat hatten Torsten Fröhling 2015, Ricardo Moniz 2014, Alexander Schmidt 2013 und Reiner Maurer 2012 den November nicht mehr erlebt als Trainer von 1860. Runjaics Hoffnung auf Weiterbeschäftigung könnte sich allerdings nicht nur im Erfolgsfall erfüllen. Es würde schon genügen, wenn Hasan Ismaik schlicht keine Lust mehr verspürt, den nächsten freigestellten Trainer noch monatelang weiter zu bezahlen. Zumal wenn es einer wie Runjaic ist, der noch einen ganzen Stab an wunderbar sehenden Mitarbeitern mitgebracht hat.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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