TSV 1860 München:Fröhling und die feinen Kerle

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Gerangel mit Rodri: Dass der wechselwillige Nationalspieler Bobby Wood (l.) überhaupt zum Training erschien, interpretierten einige als Sensation. (Foto: Christina Pahnke/sampics)

Bei 1860 soll in diesem Jahr eine Mannschaft gefunden werden, die sich im Vorjahr vielleicht nur versteckt hat. Stürmer Bobby Wood soll bleiben.

Von Philipp Schneider

Torsten Fröhling steht auf dem Platz, die Arme vor der Brust verschränkt, eigentlich will er gerade zu einer Ansprache ansetzen, als er merkt, dass etwas nicht stimmt. Zwei Bälle fehlen. Und auch zwei Spieler. "Vielleicht wollen ein paar mehr mithelfen, nicht nur zwei!", ruft er also zu denjenigen herüber, die nicht fehlen. Weil sie, anders als Richard Neudecker und Emanuel Taffertshofer, nicht damit beschäftigt sind, im Gestrüpp rund um die Grünwalder Straße nach den fehlenden Bälle zu suchen. Ein als Frage getarnter Befehl. Eine pädagogische List sozusagen. So als Frage formuliert, kommt die Anweisung höflicher rüber, verliert aber kaum etwas von ihrer Wucht. Die Profis laufen also los, beginnen zu suchen. "Wir sind so viele Spieler jetzt, nächstes Mal gilt: Wer rüber schießt, holt gleich den Ball", sagt Fröhling, als Bälle und Spieler wieder da sind.

"Was Sache mit Bobby ist, das hört man auch schon im Gespräch heraus", sagt der Trainer

Fußball ist ein Sport mit Regeln. Und beim Zweitligisten TSV 1860 München gibt es jetzt eine mehr. Unter Fröhlings Anleitung läuft das Experiment, eine Mannschaft zu finden, die sich im Vorjahr vielleicht nur versteckt hat. An Erfolg oder Misserfolg seiner Suchaktion hängen wichtige Fragen: War die Mannschaft schon immer gut? Hat sie lediglich unter Ricardo Moniz nicht funktioniert, und später auch nicht unter Markus von Ahlen? Über den vermeintlichen Zusammenhalt im Team sagt Fröhling: "Ich bin nicht zufrieden. Es muss alles besser werden. Es geht doch um die Fragen: Wie viel unternehmen die Spieler miteinander? Kann ich mich auf einen anderen verlassen? Geht er mit mir durch dick und dünn? Da haben wir noch einen sehr weiten Weg vor uns." Und deshalb also: die gemeinschaftliche Ballsuche.

Im der Vorbereitung der vergangenen Saison habe die Integration der vielen neuen Spieler nicht funktioniert, das hat Fröhling zuletzt festgestellt. Im Vorjahr war allerdings auch nicht Fröhling in Verantwortung, sondern Moniz, ein streitbarer Brausekopf. Der Niederländer verkrachte sich schon vor der ersten Partie mit seinem Vorgesetzten Gerhard Poschner, dem Geschäftsführer Sport. Mag sein, die Unruhe übertrug sich auch auf die Mannschaft.

In Zukunft soll alles harmonischer ablaufen bei Sechzig, und da passt es natürlich ins Bild, dass es sich Fröhling sogar zutraut, den wohl überaus wechselwilligen Bobby Wood vom Bleiben zu überzeugen. Dass der amerikanische Nationalspieler am Dienstag überhaupt zum Training erschien, interpretierten viele Beobachter als kleine Sensation. Der Hawaiianer, geboren in Honolulu, der sich seit seinem 14. Lebensjahr in Sechzigs Jugendinternat ausbilden ließ, war in der Vergangenheit immer wieder zwischen U21 und Profimannschaft verschoben worden. Nachdem ihn Markus von Ahlen in der vergangenen Saison wohl wegen einer Respektlosigkeit für acht Spiele suspendierte (obwohl er anschließend anmerkte, Wood sei "nicht total in Ungnade gefallen"), verlieh ihn Sechzig im vergangenen Winter zu Erzgebirge Aue. Auch, weil US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann darauf gedrungen hatte, dass Wood regelmäßig spielt. Weil aber Aue am Ende der Saison abstieg, verlängerte sich die Ausleihe nicht. Es gilt wieder Woods Vertrag mit 1860, ein weiteres Jahr noch. Fröhling würde ihn gerne behalten.

Entspannt habe Wood auf ihn gewirkt, locker, sagte Fröhling, Wood habe auch viel gelacht: "Aber es war ja auch eine Spaßeinheit". Das war sie wirklich. Am Dienstag wurde geübt: Fast alle mussten laufen und flanken. Nur nicht Wood und seine Offensivkollegen. Die warteten vor dem Tor, bis ihnen die Bälle auf die Füße fielen. "Wem das keinen Spaß macht, der soll aufhören mit Fußball", urteilte Fröhling. Er wolle nun bald mit Wood reden, sehen, "was Sache mit Bobby ist, das hört man vielleicht auch schon im Gespräch heraus". Das Problem sei allerdings: "Er war jetzt ein halbes Jahr weg. Und man muss gucken, was die Berater für Ideen haben. Die Berater sind ja heute fast wie die Eltern." Wood selbst wollte nichts sagen. "Not talking", murmelte er abweisend, ehe er vor den Journalisten in die Kabine flüchtete.

"Wir können jetzt nicht einen Spieler holen, der nicht in die Mannschaft passt", sagt Fröhling

Immer wieder betonte Fröhling, Sechzig habe, Stand jetzt, bereits eine funktionierende Mannschaft. Wenngleich er diese gemeinsam mit Poschner noch in jedem Teil verstärken will. "Aber wir können jetzt nicht einen Spieler holen, der nicht in die Mannschaft passt." Er meinte: charakterlich. Über den Probespieler Milos Degenek, 21, einen Innenverteidiger aus der zweiten Mannschaft des VfB Stuttgart, bei dem am Dienstag lediglich noch der Medizincheck ausstand, sagte Fröhling, er sei ein "feiner Mensch". Insgesamt 13 neue Spieler hat Sechzig im Vorjahr verpflichtet - und viele feine Kerle wie Benny Lauth und Gabor Kiraly abgegeben. Wenn eine Mannschaft gänzlich neu formiert wird, lässt sich kaum darauf achten, ob einzelne Spieler zu ihr passen. Fröhling legt auf dieses Prinzip nun großen Wert. Auf die Frage, ob denn nicht drei, vier Spieler zunächst fortgeschickt werden müssten, damit der hier verweilende Rest ein harmonisches Ganzes formen kann, antwortete er erst nach einer Pause: "Das regelt sich alles selbst." Wie sich das regeln wird, verriet er nicht. Möglicherweise werden einige Spieler auch noch abgegeben.

Der Trainer sieht das sicher auch pragmatisch. Genau wie die noch immer nicht verstummte Unruhe im Verein, der ja von einem Übergangspräsidium geleitet wird. Ja, gut, sagt Fröhling, "aber es sind doch alle Positionen besetzt."

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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