TSV 1860 München:Enttäuschung auf dem Rummelplatz

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Beim 0:1 in Buchbach offenbaren die früheren U21-Fußballer von 1860-Trainer Daniel Bierofka erstmals, dass der Druck plötzlich viel größer ist.

Von Markus Schäflein

Daniel Bierofka hatte genug von allem, er wollte einfach nur weg. Und so verließ der Trainer des TSV 1860 München die Pressekonferenz, die im strömenden Regen auf dem Buchbacher Sportplatz in Riechweite zum Bratwurststand stattfand, vorzeitig. Nach einem kurzen Statement und noch bevor sein Kollege Anton Bobenstetter seine Ausführungen zum unerwarteten 1:0 der Buchbacher Amateure gegen die Münchner Profimannschaft machte, verschwand Bierofka.

Die konzentrierten Buchbacher schaffen es, die Schlüsselfiguren der Löwen schachmatt zu setzen

Zuvor hatte er sich kurz und knapp über die Gastgeber aufgeregt, die in der Kabine Schmählieder gegen die Löwen angestimmt haben sollen: "Für mich ist das alles in Ordnung, dass hier gute Stimmung ist - alles gut. Ich habe Respekt vor Buchbach, ich habe Respekt vor jedem Zuschauer hier, aber was dann in der anderen Kabine los ist mit ,Giesinger Bauern' und so, das kann ich nicht akzeptieren."

Es hätte am dritten Spieltag der Fußball-Regionalliga Bayern ein herrlicher Löwen-Ausflug aufs Land werden sollen, doch erst wurde er vom Dauerregen vermiest, dann von einer ideenlosen Vorstellung der Mannschaft auf durchweichtem, holprigem Geläuf. Die Buchbacher konnten sich voll und ganz auf die Defensive konzentrieren, weil sie schon in der zehnten Minute in Führung gegangen waren. Besser gesagt hatten die Münchner sie in Führung gebracht: Nach einer Flanke von rechts patzte 1860-Torwart Marco Hiller, so dass der Ball durchrutschte und vom verdutzten Innenverteidiger Felix Weber ins Tor sprang (10.). "Der Ball klatscht auf mein linkes Bein, es war schwer, wegzukommen", erklärte Weber hinterher. "Und dann war es schwer, auf dem Platz Fußball zu spielen. Es waren riesige Löcher drin. Wir wussten es, aber wir sind dann einfach nicht reingekommen. Wir haben es nicht geschafft, eine Torchance herauszuspielen."

Eine Traube aus Mikrofonen und Journalisten hatte sich um Weber gebildet; der Medienrummel um die Löwen ist zumindest vorerst kaum kleiner geworden, obwohl sie jetzt in der vierten Liga spielen. Sport1 überträgt die ersten Spiele alle per Livestream im Internet, die Zeitungen vergeben Noten (beim Spiel in Buchbach fast nur Fünfer). Dazu kommen die stets ausverkauften Stadien - mit all diesem Druck müssen die vornehmlich jungen Spieler erst einmal umzugehen lernen. In der vergangenen Saison wurden viele von ihnen gemeinsam mit Bierofka Zweiter in der Regionalliga - aber eben abseits des Münchner Interesses. Bierofka hatte von Anfang an betont, dass genau dies einen Unterschied machen könnte - deshalb reagierte er auch sauer auf die von Geschäftsführer Markus Fauser und Präsident Robert Reisinger zuletzt bei der Mitgliederversammlung geschürten Erwartungen. Reisinger hatte gesagt: "Ohne Daniel Bierofka unter Druck setzen zu wollen: Wir müssen in der Regionalliga um den Aufstieg spielen."

Andererseits stimmt das ja auch, denn immerhin hat Bierofka eine Achse aus zweit- oder mindestens drittligatauglichen Spielern, um die er seine Jungen gruppieren kann. Die Buchbacher schafften es aber mit ihrer konzentrierten und konsequenten Spielweise, die Schlüsselfiguren schachmatt zu setzen: Beispielsweise nahmen sie Regisseur Timo Gebhart weitgehend aus dem Spiel; Stürmer Sascha Mölders hatte nur eine gefährliche Szene (78.); und Weber, der auf dem Weg zum Zweitliga-Stammspieler gewesen wäre, hätte Sechzig den Klassenverbleib geschafft, unterlief das Eigentor. Zudem kamen die schnellen Flügelspieler Nico Karger, Nicholas Helmbrecht und Benjamin Kindsvater auf dem kleinen, vor allem schmalen Platz weniger zur Geltung als aus den ersten beiden Spielen in Memmingen (4:1) und gegen Burghausen (3:1) gewohnt.

Das Gefühl der Fans, gegen Hobbyfußballer verloren zu haben, ist selbstredend überzogen. Zwar trainieren die Buchbacher nur abends und gehen nebenbei einem Beruf oder einem Studium nach, aber ihr Lebenslauf zeigt, dass man von Freizeitkickern eben auch nicht sprechen kann. Stephan Thee beispielsweise hat 134 Mal in der dritten Liga gespielt (für Unterhaching und den VfL Osnabrück), Maximilian Drum 60 Mal (für Burghausen), Aleksandro Petrovic 30 Mal (für Dynamo Dresden).

Dennoch ließ es sich Petrovic nicht nehmen, das Image der totalen Außenseiter auch nach dem Sieg noch zu pflegen: "Wir werden hier schon das ein oder andere Weißbier zu uns nehmen, aber das war's dann auch. Morgen muss jeder wieder zwischen fünf und sieben Uhr raus. Ich muss in die Arbeit, die Jungs auch." Die Münchner konnten etwas länger schlafen, aber dafür hatten sie keine Lust auf Weißbier.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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