TSV 1860 München:Beckenbauer kam zu spät

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Vor fünfzig Jahren feierte der TSV 1860 München seine erste und vorerst letzte Meisterschaft - die Saison begann mit einem Sieg im Stadtderby.

Von Dominik Fürst

Franz Beckenbauer ist neunzehn Jahre alt, als er sein erstes Münchner Derby verliert. Es ist der erste Spieltag der Bundesliga-Saison 1965/66, die Blauen empfangen die Roten im Stadion an der Grünwalder Straße. Den 44 000 Zuschauern gilt der TSV 1860 als Favorit, weil der FC Bayern gerade erst aufgestiegen ist. Gleich in der ersten Minute trifft Timo Konietzka, der eigentlich Friedhelm heißt und vor der Saison von Borussia Dortmund gekommen ist, zum 1:0 für die Löwen - der junge Beckenbauer kann beim Gegentreffer bloß zusehen. Dabei bleibt es, die Blauen gewinnen. Ein verheißungsvoller Auftakt für ein denkwürdiges Jahr: Am Ende der Saison wird der TSV 1860 München zum ersten Mal seit Gründung der Fußball-Bundesliga deutscher Meister. Und eben auch: zum vorerst letzten Mal.

Ein halbes Jahrhundert später hat der Turn- und Sportverein von 1860 zum zweiten Mal nacheinander nur knapp den Abstieg aus der zweiten Liga verhindert, der Klub ist abhängig von einem jordanischen Investor und, viel schlimmer, vom Stadt- rivalen FC Bayern, dem man monatlich Miete bezahlt, um in einer Arena in Fröttmaning spielen zu dürfen, von der die Löwenfans nicht restlos überzeugt sind, um es vorsichtig auszudrücken. Wenn sich nun also der größte Triumph in der Vereinsgeschichte zum fünfzigsten Mal jährt, lässt sich ohne Weiteres konstatieren: Die Umstände waren schon mal angenehmer. Beckenbauer verlor nach der besagten Partie jedenfalls nicht mehr viele Derbys.

Von der Tribüne gratulierte Bundeskanzler Ludwig Erhard

Doch es spricht ja nichts dagegen, die guten Tage noch einmal Revue passieren zu lassen. Der TSV 1860 tut das seit März dieses Jahres, wenn auch nur verhalten: Mit einer Ausstellung im Bauch des Grünwalder Stadions, die die gesamte Rück- runde über zu bestaunen war, sowie mit einem Auftritt der sogenannten Meister- löwen Petar Radenkovic und Peter Grosser am Rande des Heimspiels gegen Eintracht Braunschweig kurz vor Ende der Saison. Dazu gehörten auch Meistertrikots sowie eine nostalgische Choreografie der prinzipiell nostalgisch veranlagten Anhänger der Löwen. Man erinnert sich zu gerne zurück: An König Radi, der nicht bloß singen konnte, sondern das Torwartspiel lange vor Manuel Neuer mit Ausflügen in die gegnerische Hälfte des Spielfelds revolutionierte. An Trainer Max Merkel, der ein strenges Regiment führte, und über den Spielführer Grosser später einmal sagen sollte: "Meister sind wir trotz Merkel geworden." Und an Rudi Brunnenmeier, den Rekordtorschützen der Sechziger, der in der Meistersaison 15 Mal traf.

Den Titel sicherte sich der TSV schließlich am 28. Mai 1966, es war der letzte Spieltag, ein 1:1 im Grünwalder Stadion gegen den Hamburger SV genügte. Brunnenmeier traf für München, Uwe Seeler glich aus. 44 000 Menschen jubelten, und von der Tribüne aus gratulierte Bundeskanzler Ludwig Erhard. Es folgten ein Auto- korso und eine rauschende Meisterfeier auf dem Marienplatz. Da wimmelte es von blau-weißen Fußballfans, lange bevor der andere Münchner Verein den Rathaus- balkon für seine jährliche Fete reservierte.

Fünfzig Jahre deutsche Meisterschaft. Die stolze Erinnerung kann einen Verein beflügeln: Man kann sich immer wieder die schönen Bilder ins Gedächtnis rufen. Sie kann aber auch lähmen: Wenn alle fragen, wann es wohl wieder so weit sein könnte mit dem Aufstieg, den Münchner Derbys, vielleicht einer zweiten Meisterschaft. Eine kleine Ausstellung, ein Buch zum Jubiläum, das reicht dem TSV 1860 an Feierlichkeit. Lieber richtet der Klub den Blick nach vorne: Im August beginnt die neue Saison, es ist die 13. nacheinander in der zweiten Liga.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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