TSV 1860 München:Ausflug zum Wunschstein

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"Er hat abgeklatscht, ich hab' nichts weiter von ihm gehört." - Trainer Fröhling vermeidet eine Affäre um Okoties Auswechslung in Kiel. (Foto: Christina Pahnke/sampics)

Die Löwen ziehen sich vor dem Relegations-Rückspiel gegen Kiel noch einmal zurück - nach Bad Häring, an den Ort, an dem diese völlig missratene Saison anfing.

Von Markus Schäflein

Im beschaulichen Bad Häring in Tirol begann im vergangenen Sommer der ganze Wahnsinn. Mit 26 Spielern reiste der damalige Trainer Ricardo Moniz mit dem Fußball-Zweitligisten dorthin ins Trainingslager, um mit Hanteln zu arbeiten, hoffnungsfrohen Blickes Richtung Aufstieg. Zugänge von Barcelona B sollten spanische Spielfreude bringen, ein gewisser Leonardo wurde auf der Hotelterrasse als weiterer zauberhafter Zugang vorgestellt. Nun reisten die Münchner, knapp ein Jahr später, für eine Nacht an den Ort, an dem alles anfing. Der derzeitige Trainer Torsten Fröhling nahm nur 19 Spieler mit, um mit Worten zu arbeiten, bangen Blickes Richtung Abstieg. Der entzauberte Leonardo ist längst wieder weg, die spanischen Zugänge Ilie Sanchez, Edu Bedia und Rodri sind aus atmosphärischen Gründen aus dem Kader gestrichen.

Der Kreis soll sich in Bad Häring schließen, diese völlig missratene Saison am Dienstag (20.30 Uhr) in der Fröttmaninger Arena im Relegations-Rückspiel gegen Holstein Kiel doch noch ein gutes Ende finden. Das Hotel verfügt glücklicherweise über "starke Energiequellen, das Highlight stellt hierbei der Kraftplatz mit dem mystischen Steinkreis dar", bietet einen "Raum der Mondsteinstille" und einen "Wunschstein im Felsenbad" - all das kann nicht schaden. Sinn und Zweck der Reise, die auch Rechtsverteidiger Martin Angha mitmachte, ist es ja, der mutmaßlichen Aufregung und den für gewöhnlich äußerst negativen Energiequellen an der Grünwalder Straße zu entfliehen. Am Sonntagmorgen weilten allerdings fast keine Menschen am Sechziger-Gelände, vereinzelte Gäste lasen Zeitung und tranken Kaffee im Löwenstüberl, den abreisenden Spielern widmete abgesehen von einem kleinen Jungen, der mit ihnen abklatschen wollte, niemand Aufmerksamkeit. "Jetzt ist es einigermaßen ruhig", stellte auch Fröhling fest, "hätten wir in Kiel verloren, wären hier wohl mehr Leute gewesen."

Das 0:0 im Hinspiel wird als annehmbares Ergebnis gesehen, tückisch ist es dennoch - brauchen die Münchner doch unbedingt einen Sieg. "Voraussetzung wird die gleiche Einstellung sein, die gleiche Bissigkeit", sagte Fröhling vor der Abfahrt nach Bad Häring. "Darüber hinaus müssen wir Erfolgserlebnisse haben, indem Aktionen gelingen, um schnell eine gewisse Sicherheit zu kriegen. Es geht darum, wer schnell am mutigsten ist, am sichersten ist, mit dem Druck am besten umgehen kann."

"Von zehn Pässen sind nur zwei angekommen", sagt Fröhling, "da sieht man das Nervenkostüm."

Diese Erfolgserlebnisse gelangen in Kiel nicht, weil die Löwen nach den Fehlern des Gegners ihre Möglichkeiten nicht konsequent zu Ende spielten. "In den ersten 20 Minuten haben wir ganz gut angefangen, offensiv gespielt, weil wir selbst ein Tor machen wollten", meinte Fröhling. "Aber dann sind uns zu viele einfache Fehlpässe unterlaufen, daran sieht man schon das Nervenkostüm. Von zehn Pässen sind nur zwei angekommen." Eine Quote, die selbstredend auch gegen den keineswegs überzeugenden Drittligisten nicht ausreichte. "Wenn wir die vielen Fehlpässe abstellen, bin ich guter Dinge", meinte Fröhling. Vom so genannten Heimfluch mag der Trainer nichts mehr hören, er erklärt ihn für beendet: "Die letzten drei Heimspiel waren zwei Siege, und darauf bauen wir auf", sagte er und argumentierte überzeugend: "Wir haben zwar nicht viel zu Hause gewonnen, aber wir haben ja allgemein nicht viel gewonnen."

Zudem setzt er auf "eine Atmosphäre wie gegen Nürnberg". Zum letzten Heimspiel der Zweitliga-Runde gegen Nürnberg waren 68 500 Zuschauer erschienen, wenn man die Anhänger aus Franken abzog, kamen über 50 000 Menschen wegen der Löwen nach Fröttmaning. Und in einem ähnlichen Bereich dürfte sich das Interesse auch diesmal bewegen: Fast 45 000 Karten waren am Sonntag bereits verkauft.

Mitwirken wird in jedem Fall der Stürmer und Hinrunden-Torjäger Rubin Okotie; dessen wütende Gesten nach seiner Auswechslung in Kiel wollte Fröhling nicht allzu hoch hängen. "Er hat abgeklatscht, ich hab' nichts weiter von ihm gehört", beschwichtigte der Trainer, und für die Entscheidung habe er ja auch den guten Grund eines drohenden Platzverweises gehabt: "Ich musste ihn und die Mannschaft schützen, bei der nächsten Aktion wäre er runter geflogen."

Schon aus sportlichen Gründen will Fröhling auf Okotie keinesfalls verzichten: "Ich setze auf Rubin, der Verein setzt auf Rubin, die Mannschaft setzt auf Rubin", sagte er. Schon mit einer mäßigen Leistung wie am Freitagabend kann der Angreifer ja tatsächlich wertvoll sein für die Löwen: "Er hat immer zwei Spieler gebunden, weil Kiel hohen Respekt vor ihm hat", stellte der Trainer fest. So schaffe Okotie Räume für andere, allein durch seine Anwesenheit; blöd nur, dass diese Räume in Kiel nicht genutzt wurden.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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