TSV 1860 München:Arena als Klotz am Bein

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Der finanzschwache Zweitligist 1860 München erlebt mal wieder eine aufgeheizte Delegiertenversammlung und sucht verzweifelt einen Investor.

Gerald Kleffmann

Am Ende rutschte dem energischen Franz Maget eine Bemerkung heraus, sie war als Aufmunterung gedacht. Der Klubarchivar hatte auf der 40. Ordentlichen Delegiertenversammlung von 1860 München die Frage aufgeworfen, wie man 2010 feiern wolle, wenn der Traditionsverein 150 Jahre alt werde. "2010?", rief Maget vom Podium herunter, "das ist doch das Aufstiegsjahr."

Schweres Amt: 1860-Präsident Rainer Beeck. (Foto: Foto: dpa)

Im Saal auf dem altehrwürdigen Nockherberg, wo Politiker derbleckt werden und gutes Bier fließt, lachten nur wenige. Zu diesem Zeitpunkt, gegen 19 Uhr am Samstag, hatten die 187 Vereinsgesandten fünf Stunden des Referierens und Debattierens in den Knochen, und das, was sie teils erregt, teils besorgt vernommen hatten, passte eben so gar nicht zur Prognose, die der Vizepräsident und SPD-Politiker in Aussicht stellte.

Vielmehr ist die Situation, die die Verantwortlichen des Fußball-Zweitligisten in ihren Vorträgen schilderten, als düster einzuschätzen. Den Löwen geht es finanziell nach wie vor schlecht, sie suchen verzweifelt nach Möglichkeiten, um Geld zu sparen und - vor allem - nach Wegen, um Geld einzunehmen. Ein reicher Investor, der noch zu finden ist, soll schnellstmöglich einsteigen. Ehe es zu spät ist. "Die Lizenz ist aber nicht in Gefahr", stellte immerhin Finanzgeschäftsführer Markus Kern fest, "aber wir brauchen einen neuen Plan, damit wir der Deutschen Fußball Liga seriöse Zahlen vorlegen können."

Wie eine Fußfessel

Kein Geheimnis vor dem jährlich vorgeschriebenen Treffen der Vereinsgremien war bereits, dass die Sechziger ein Millionen-Defizit vor sich herschieben. Einige offengelegte Zahlen auf der Versammlung belegten nun eindringlich, in welch vertrackter Lage sich der Klub befindet. Auch unter der neuen Führung des am Samstag im Amt bestätigten Präsidenten Beeck, Prokurist am Münchner Flughafen, bestehen weiterhin ungeminderte Abhängigkeiten, die 1860 wie eine Fußfessel behindern.

Die 2005 eingeweihte Arena, mit dem FC Bayern erbaut, erweist sich mehr und mehr als Totengrab des Vereins. Und wie die aufgebrachte Stimmung am Samstag belegte, droht nun eine Spaltung zwischen der Führung und der Mitgliederbasis, die den Arena-Vertrag ändern möchte, um die existenzbedrohenden Kosten zu mindern; manche würden am liebsten ganz ausziehen aus der Schüssel.

Verständlich ist dieser Wunsch. Denn die Sechziger, die im vierten Jahr ihrer Zweitklassigkeit Schwierigkeiten haben, überhaupt die Fixkosten des Stadions - inzwischen als Mieter- abzudecken, sind nur eingeschränkt wettbewerbsfähig. Der Etat des Kaders beläuft sich auf sechs Millionen Euro, Ligamittelmaß - fast so viel (5,3 Millionen Euro) zahlt 1860 für die Arena, Jahr für Jahr. Eine Million Euro sind für die 3000 Business Seats abzuführen, eine Million für die Werbefreiheit, zehn Prozent der Ticketing-Einnahmen fließen als Miete ab, für Catering werden zwei Millionen Euro fällig.

120.000 Euro Cateringkosten pro Spiel

"Verteilen wir das Essen umsonst", forderte ein Delegierter. Doch das geht so einfach nicht. "Wir haben geltende Verträge", konterte Beeck, der darauf verwies, man habe schon zwei Mal beim FC Bayern nachverhandelt (wegen des Verkaufs der Anteile und des Verzichts auf das Rückkaufsrecht der Anteile). Daher bestehe "relativ wenig Aussicht bei einer Verhandlung".

Krude also bleibt weiterhin: Spielt 1860 vor 1000 Fans gegen Wehen, sind rund 120.000 Euro Cateringkosten fällig (pro Business Seat 40 Euro) - die selbe Summe muss der FCB begleichen, wenn er gegen Real Madrid antritt vor vollem Haus. "Ein Irrsinn. Greift diesen Drecksvertrag an", befand ein anderer Delegierter. Ein Irrsinn, der ungefiltert weiter besteht. Denn auch eine direkte Nachkorrektur bei der Cateringfirma Arena One, einer Tochterfirma von Eon, würde nichts bringen, erklärte Beeck, da habe man schon nachgefragt. Nichts zu machen. Vielen Delegierten reichte dieses Statement allerdings nicht. Sie wollen, dass 1860 noch mehr Druck erzeuge. Als wenn das so leicht wäre.

Die Crux ist, dass die Finanzierung der Arena centgenau durchgerechnet wurde. Würde ein Posten gesenkt werden, würde die Finanzierung nicht mehr aufgehen. Und weil nun mal der FC Bayern der mächtige Vermieter ist, will sich 1860 lieber "verlässlich" zeigen, wie Beeck betonte. Schon einmal hat man - als Gesellschafter - enttäuscht. Ihm blieb daher nichts anderes übrig, als ein Bekenntnis zur Arena bis 2025 abzugeben. Kern ergänzte: "Es gibt keine wirtschaftliche Alternative."

Und so fahnden die Verantwortlichen nach einem Investor, mit dem man aus dem Finanzteufelskreis ausbrechen kann. Vorbild könnten die vermeintlich großkopferten Bayern sein, die für zehn Prozent ihrer Anteile an Adidas 75 Millionen Euro erhielten. "Wir würden zehn Prozent für 2,5 Millionen Euro verkaufen", sagte Beeck. Nicht viel, doch der Präsident versichert: "Damit könnte man im Kader was bewirken." Das vielleicht. Das drei-Millionen-Defizit freilich bliebe.

Ein Sechzgerl

"Der Effekt wäre nach einem Jahr verpufft", moniert ein Insider. Aber die Löwen haben keine Wahl. Jeder Cent, der aufs Konto fließt, ist willkommen, selbst wenn er von Kindern stammt. 450 neue Mitglieder hat der KidsClub, vermeldete der Verein stolz auf der Delegiertenversammlung. Und als zweiter Marketingerfolg wurde gepriesen: die Einführung der 1860-Maskottchen Sechzger und Sechzgerl. Die Löwen sind eben ein sehr spezieller Verein. Auch in der Not, die sie sich durch die Arena-Abmachungen des ehemaligen Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser selbst eingebrockt haben.

Ob es rasch gelingt, den Investor zu finden, wird auch von altbekannten Faktoren abhängen, etwa, ob Ruhe in den Gremien herrscht. Im Oktober 2006 wollte Morgan Stanley einsteigen, mit sechs Millionen Euro, dazu vier Millionen Euro als Kredit vergeben. Nach öffentlichen Machtkämpfen im Klub sprang die Investmentfirma ab. Das soll jetzt nicht passieren, die ersten Gespräche mit Interessenten verliefen geheim im Hintergrund. Verraten konnte Beeck wenigstens, was 1860 als Gegenleistung zu bieten habe: "Einen Posten im Aufsichtsrat und eine Wertschöpfungsperspektive. Wenn wir unseren Marktwert von 25 auf 40 Millionen steigern, das wäre doch was." So schlimm ging es den Löwen noch nie, als dass sie aufhören würden zu träumen.

© SZ vom 24.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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