Tour de France:Team Sky hustet zur rechten Zeit

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Weiße Shirts, gelbe Helme und ein Mann im Gelben Trikot: Die Sky-Radmannschaft rund um Christopher Froome dominiert wieder das Bild bei der Tour de France. (Foto: Philippe Lopez/AFP)
  • Es ist ein gewohntes Bild: Christopher Froome fährt im Gelben Trikot und sein Team Sky bestimmt das Feld der Tour de France.
  • Doch die Mannschaft um den Gesamtführenden sorgt weiter für Kontoversen: mit Noppen an den Anzügen und dubiosen Medikamentenlieferungen.
  • Der Teamchef Dave Brailsford geht nach der Kritik der Konkurrenz in die Offensive.

Von Johannes Knuth, La Planche des Belles Filles/Troyes

Christopher Froome schlug das Angebot der Dame zu seiner Linken freundlich aus. Linker Arm, rechter Arm, schon hatte sich der Kapitän der britischen Equipe Sky das Gelbe Trikot übergestreift, das er sich gerade auf der fünften Etappe der Tour de France gesichert hatte. Vor vier Jahren, als sie ihn zum ersten Mal ins Gewand des Führenden einkleideten, war er noch "ziemlich überfordert" gewesen, erinnerte sich Froome später, mit dem Rummel, dem Druck. Man musste ihm hineinhelfen in das neue Hemd. Aber mittlerweile, ergänzte der 32-Jährige, "weiß ich, was mich erwartet". Er klang entspannt nach dieser ersten, richtig giftigen Prüfung, die das Peloton am Mittwoch auf den 1200 Meter hohen Planche des Belles Filles geführt hatte. Als wolle er gleich noch zu einer kleinen Ausfahrt durch die Vogesen aufbrechen. Oder doch zu einem Abend im benachbarten Vesoul, bei geschmolzenem Sauermilchkäse, der Spezialität der Region?

Zwei flache Etappen standen bei der Tour danach noch im Kalender - die erste endete am Donnerstag mit dem Sprint-Sieg des Deutschen Marcel Kittel -, dann rücken die Fahrer für die Gesamtwertung erstmals richtig in den Fokus. Schon jetzt, nach dem ersten Anschwitzen, treten die Konturen eines vertrauten Bildes hervor. Froome, der dreimalige Titelträger, fuhr am Mittwoch auf dem bis zu 20 Prozent steilen, sechs Kilometer langen Anstieg zum Ziel seinen ärgsten Mitbewerben davon. Er führt jetzt mit zwölf Sekunden Vorsprung vor Teamkollege Geraint Thomas, der seit dem Prolog in Düsseldorf mit den Insignien des Führenden ausgestattet war. Der italienische Tagessieger Fabio Aru entwischte Froome zwar, ansonsten hatte sein Team mal wieder alles im Griff. Mit sechs Fahrern hatten sie ihren Kapitän in den steilen Berg gezogen. Froomes Konkurrenten waren da schon weitgehend auf sich gestellt.

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Die diesjährige Tour sei zwar "die größte Herausforderung meiner Karriere", sagte der Brite im Ziel. Das könnte sogar zutreffen, weil die Schleife diesmal weniger schwere Berge enthält, das Feld also länger zusammenbleiben könnte. Doch Sky ist auch in diesem Jahr stark, wohl zu stark für Mitbewerber wie Richie Porte (BCM) und Nairo Quintana (Movistar), befürchten viele Teamchefs. Diese Tour habe für Sky besser begonnen als alle anderen zuvor, freut sich Teamchef Dave Brailsford.

Als habe es die vergangenen neun Monate nie gegeben, all die lästigen Debatten.

"Kriegt erst mal euren Laden in Ordnung"

Sky und die Kontroverse, das sind ja zwei gute Bekannte. Brailsford hat die sportliche Blüte seiner Auswahl stets mit "marginal gains" erklärt, kleinen Gewinnen, und in der Vergangenheit wurde oft der Verdacht geäußert, dass es dabei nicht nur darum ging, auf besseren Matratzen zu schlafen und abends weniger Sauermilchkäse zu verköstigen. Beim Grand Départ in Düsseldorf fielen die Briten mit Anzügen auf, an deren Armen dünne Noppen befestigt waren. Sie sollen kleine Luftwirbel erzeugen, die die Luft näher an den Fahrer heranziehen und damit schneller an ihm vorbeileiten. Unerlaubt, klagten manche Teamchefs, die Anzüge dürften nicht um aerodynamische Elemente erweitert werden. Sky und die Regelhüter entgegneten: Die Noppen seien Teil des Anzugs, es wurde nichts hinzugefügt, ergo: alles gut. Überhaupt, motzte Brailsford, benutze man die Anzüge seit drei Monaten, alle anderen Teams hätten längst nachziehen können. "Kriegt erst mal euren Laden in Ordnung", sagte er, "dann können wir reden."

Das ist eine, nun ja, mutige Ansage. Wenn eine Auswahl zuletzt von Zweifeln umweht wurde, dann Sky - weil sie ihren Laden offenbar nicht in Ordnung gehalten hatten. Zunächst ging es um Bradley Wiggins, den Tour-Sieger 2012; es war damals Skys erster großer Erfolg. Im vergangenen Herbst enthüllte die Hackergruppe "Fancy Bears", dass Sir Wiggins, mittlerweile geadelt und im Ruhestand, einst drei Mal das hochwirksame Kortisonpräparat Triamcinolon erhielt. Legal, per Ausnahmegenehmigung. Weil er an Heuschnupfen litt. Das war vorher allerdings unbekannt gewesen. Zudem hatte Wiggins immer dann allergisch reagiert, wenn eine größere Prüfung bevorstand, unter anderem vor der Tour 2012, aber das war bestimmt reiner Zufall.

Noch schwerer wog eine Paketlieferung, die noch immer die britische Anti-Doping-Agentur Ukad beschäftigt. Ein Trainer hatte 2011 mit viel Aufwand ein Päckchen von Manchester zum Team nach Südfrankreich geschafft. Brailsford verhedderte sich daraufhin immer wieder in Widersprüchen, im Paket steckte ein Hustenlöser, behauptete er schließlich, den habe man in der Form nicht in jeder Apotheke bekommen. Nachweise? Da wurde das Team, das sich sonst so liebevoll um Details kümmert, plötzlich vage. Nachweise befänden sich auf einem Laptop von Teamarzt Richard Freeman. Das Gerät sei ihm leider in Griechenland gestohlen worden, sorry. Ukad wunderte sich zudem, dass Sky das Kortison für Wiggins in so hohen Dosen orderte, dass der Kapitän damals entweder zu viel bekam - oder andere Fahrer mitversorgt wurden. Nein, der Doktor habe das meiste für seine Praxis benötigt, so Sky.

Nachweise? Die fehlten weitgehend. Froome erklärte zuletzt, er habe eine derartige Ausnahmebehandlung abgelehnt, als er 2015 dabei war, die Tour zu gewinnen. Weil es sich "moralisch nicht richtig" anfühlte. Allerdings hatte er zuvor zweimal das Kortisonmittel Prednisolon erhalten, ebenfalls per Ausnahme: 2013 vor der Dauphiné, 2014 bei der Tour de Romandie, im letzteren Fall waren es 40 Milligramm. Eine Dosis, die nur für "schwerste oder chronische Asthmaanfälle" gedacht ist und bei der man besser keine Radrennen mehr fährt, sagt ein Experte. Damian Collins, der Vorsitzende des britischen Sportausschusses, fand: "Die Glaubwürdigkeit von Sky und dem britischen Radsport liegt in Trümmern." In Trümmern?

Alles Unfug, beteuerte Brailsford bei der Tour. "Ich bin lange in diesem Sport und habe alles immer so gemacht, wie ich dachte, dass man es tun muss. Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Der britische Guardian antwortete am Mittwoch: "Vielleicht wendet Sir Dave sein Mantra der kleinen Gewinne jetzt auch für seine Wichtigtuerei an. Vielleicht findet er stets einen neuen Weg, noch ein wenig unausstehlicher zu sein."

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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