E-Doping bei der Tour de France:Wenn Radler Motoren im Rahmen verstecken

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Leistung auf Knopfdruck? Den Verdacht, dass Radsportler nicht nur sich, sondern auch ihre Fahrgeräte manipulieren, gibt es seit einiger Zeit. (Foto: Laurent Cipriani/AP)
  • Versteckte technische Hilfsmittel werden inzwischen als relevantes Problem im Radsport betrachtet.
  • Bei der Tour de France müssen deswegen auch die Räder zur Kontrolle.
  • Zu den Ergebnissen der Tour de France geht es hier.

Von Johannes Aumüller, Barcelonnette/Gap

Normalerweise merkt ein Radsportler sehr gut, ob er nach einer Etappe zu einer Dopingkontrolle muss oder nicht. Aber diesmal, so sagt es der Deutsche Marcel Sieberg aus dem Lotto-Team, habe er davon gar nichts mitbekommen. Er ist ganz normal über die Ziellinie und zum Mannschaftsbus gefahren, er hat dort sein Fahrrad abgestellt und ist reingegangen. Kontrolliert wurde nach Angaben des Rad-Weltverbandes (UCI) bei dieser zweiten Etappe der Tour de France nicht Sieberg - sondern dessen Fahrrad.

Eines der derzeit heißen Manipulationsthemen in der Welt des Radsports trägt keinen komplizierten medizinischen Namen wie Erythropoietin oder Methylhexanamin, sondern firmiert unter dem kurzen Begriff E-Doping. Es geht also nicht um chemische, sondern um technische Hilfsmittel, irgendwo im Fahrrad versteckt, um dem Sportler noch ein paar zusätzliche Watt zu ermöglichen. Dies sei ein "ernstes Problem", lautet seit einiger Zeit das Credo von UCI-Präsident Brian Cookson. Doch wer sich das Prozedere bei der Frankreich-Rundfahrt anschaut, kann auch zu dem Schluss kommen, dass der Radsport das Thema nicht so nachdrücklich anpackt, wie er es anpacken könnte und vielleicht tatsächlich müsste.

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Die Rad-Kontrollen bei der Tour bewegen sich noch auf einem sehr überschaubaren Niveau. Bis zum Alpen-Ruhetag in Gap am Dienstag gab es lediglich nach drei der 15 Etappen unerwartete Materialkontrollen, teilt die UCI auf Nachfrage mit: nach der zweiten, der achten und der neunten Etappe. Dabei schauten die Kontrolleure sich insgesamt 19 Räder genauer an, den Sattel, die Pedale, das Hinterrad und "andere Komponenten".

Welches Rad geprüft wird, entscheidet die Jury der Tour nach Absprache mit der UCI. Bemerkenswert ist immerhin, dass sich unter den geprüften Velos viele von Spitzenmannschaften befanden: Nach dem Teamzeitfahren auf der neunten Etappe waren die Räder aller neun Fahrer aus der Sky-Equipe von Christopher Froome dran, dazu zwei Mal welche von Astana und drei Mal welche von Tinkoff-Saxo. Doch zugleich verwundert, dass es nicht mehr Überprüfungen gibt, wenn der Weltverband das Thema als so ernst einstuft. Ob es bis zum Ende der Tour auf den Champs-Élysées am Sonntag noch weitere Kontrollen geben würde, wollte die UCI auf Nachfrage nicht mitteilen.

Den Verdacht, dass Radsportler nicht mehr nur sich selbst, sondern auch ihre Fahrgeräte manipulieren, gibt es in der Szene schon seit einiger Zeit. Für Experten steht auch außer Frage, dass es zwar schwierig, aber möglich ist, illegale technische Hilfsmittel einzubauen - so ähnlich wie es im normalen Straßenverkehr bei den sogenannten E-Bikes üblich ist. Brisant ist dieses Thema nicht nur wegen des Betruges an sich, sondern weil die Rolle der Mannschaft hier eine andere ist als beim klassischen Doping: Wenn es einen Positivtest auf den Blutdopingklassiker Epo gibt, lässt sich leicht behaupten, das habe der einzelne Athlet getan. Das ist zwar meistens auch nicht glaubwürdig. Wie ein Fahrer aber unbemerkt vom Rest des Teams am Morgen einen Hilfsmotor im Rahmen seines Drahtesels unterbringen soll, bedürfte schon einer besonders kreativen Erklärung.

Populär ist das Thema E-Doping vor allem durch ein im Internet inzwischen mehrere Millionen Mal abgerufenen Video des Schweizers Fabian Cancellara geworden. Darauf ist zu sehen, wie der Klassikerspezialist bei einem Rennen 2010 nach schnellen Handgriffen an seinem Lenker plötzlich beschleunigt - als habe er einen Knopf gedrückt. Cancellara wies den Verdacht als kompletten Unfug zurück, die Radsportszene debattierte erregt. Die UCI kündigte den Einsatz von Scannern an, verfolgte das aber nicht weiter. Erst seit diesem Jahr tut sich etwas mehr. Bis zum Saisonbeginn wären E-Doper mit vergleichsweise lächerlichen Strafen davongekommen, nun sind Sperren von mindestens einem halben Jahr und Geldbußen von bis 200 000 Schweizer Franken möglich.

Anders als bei klassischen Dopingverstößen wäre sogar die Mannschaft dran; sie würde mindestens ein halbes Jahr gesperrt und müsste bis zu einer Million Schweizer Franken zahlen. Konkrete Kontrollen gab es in diesem Jahr beim Frühjahrsklassiker Mailand - Sanremo, bei Paris - Nizza sowie beim Giro d'Italia, dort kamen sogar die Carabinieri zum Einsatz. Und nach der Tour de France soll es auch noch bei anderen Rennen zu Überprüfungen kommen, teilt die UCI mit.

Im Peloton beschäftigen sich die Protagonisten jedenfalls vermehrt mit diesem Thema. Schon in dem Bericht der vom Weltverband eingesetzten Circ-Kommission heißt es, dass Zeugen von Versuchen mit technischen Manipulationen berichtet hätten. Iwan Spekenbrink, Teamchef der deutschen Giant-Alpecin-Mannschaft, hält es nicht für abwegig, dass unerlaubte Hilfe zum Einsatz kommt. "Das ist in der DNA von manchen Leuten, dass sie betrügen wollen, um im Wettkampf vorne zu sein", sagt er. Ähnlich sieht es der deutsche Zeitfahr-Experte Tony Martin, der bei der Tour für zwei Tage das Gelbe Trikot trug, ehe er nach einem Sturz aufs Schlüsselbein die Rundfahrt beenden musste: "Die technischen Voraussetzungen für das Material-Doping gibt es. Wo betrogen werden kann, wird auch betrogen."

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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