Tennis-Wettskandal:Nirgendwo sind Spielabsprachen so leicht wie im Tennis

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Schatten auf dem weißen Sport. (Foto: Gerry Penny/dpa)

Nicht nur im Fußball und der Leichtathletik wurde betrogen, auch im Tennis sollen Spiele manipuliert worden sein. Wirklich erstaunlich wäre das nicht.

Kommentar von René Hofmann

Fußball, Leichtathletik, jetzt also auch Tennis. Die Reihe der Groß-Sportarten, in denen Betrügereien auffliegen oder eindringliche Verdächtigungen erhoben werden, setzt sich fort. Die Teile des Publikums, die bislang unbedarft waren, staunen und fragen: Wo soll das noch hinführen? Ist in dem Metier denn wirklich keinem mehr zu trauen?

Die einfache und bittere Antwort darauf lautet: nein. Es hat wirklich keiner mehr einen Vertrauensvorschuss verdient. Alles, was getrieben werden kann, wird auch getrieben. Das ist die Klammer, die sich um all die - äußerst unterschiedlichen Fälle - schlingen lässt, die die Sportwelt zuletzt in Atem hielten.

Das systemische Netz aus Korruption, das die Ermittlungsbehörden dabei sind, im Weltfußball freizulegen, konnte entstehen, weil es den Organisatoren des beliebten Spiels zu lange gewährt wurde, sich quasi eine eigene Welt zu formen: Einen Kosmos, in dem der Aufstieg vor allem denen glückte, die mittaten im System des Gebens und Nehmens, das unter dem Patron Sepp Blatter ganz offensichtlich existierte und das dem einer Mafia-Familie nicht unähnlich war.

Der reine Sport? Von wegen! Nicht selten gibt es lebenslänglich

Im Leichtathletik-Kosmos trieb es nach Lage der Dinge zumindest der letzte Präsident sogar noch wilder. Der Senegalese Lamine Diack war nach Recherchen der Welt-Anti-Doping-Agentur nicht nur bereit, Austragungsorte und TV-Rechte zu verschieben, unter seiner Ägide war es laut Zeugen möglich, positive Doping- proben gegen entsprechende Überweisungen verschwinden zu lassen. Russland soll dafür quasi einen Dauerauftrag eingerichtet haben. Betrügern wurde so offenbar freie Bahn gewährt, womit der organisierte Betrug auch dort protegiert wurde, wo das Herz jedes Sports schlägt: auf dem Spielfeld. Ein Wettkampf, dessen Ergebnisse durch Betrug verfälscht sind, ist kein Wettkampf mehr. Kommt es in einem Sport so weit, hat die Disziplin ein echtes Problem. Wem das Publikum nicht mehr traut, dem schaut es nicht mehr zu.

Aus diesem Grund bergen die Vorwürfe, die nun gegen mehr als ein Dutzend Tennis-Profis erhoben werden, eine enorme Sprengkraft. In den vergangenen zehn Jahren sollen 16 Profis, die unter den besten 50 der Weltrangliste notiert waren, in Spielabsprachen verwickelt gewesen sein. Beweise gibt es dafür noch nicht. Aber es gibt Indizien, die sich aus Algorithmen ableiten, mit denen die Einsätze bei Buchmachern geprüft wurden. Vereinfacht gesagt sind auffällig oft Außenseitern überraschende Ergebnisse geglückt, mit denen sich beim Wetten prima verdienen ließ.

Dass Tennis für diese Art der Schummelei anfällig ist, ist nicht neu. Seit 2008 gab es 18 Bestrafungen wegen Wettmanipulationen, davon sechs lebenslange Sperren. Dass die Tennis-Gewaltigen nicht immer wirklich genau hinschauen, ist ebenfalls bekannt. Andre Agassi, die einstige Nummer eins der Weltrangliste, räumte 2009 in seiner Autobiografie ein, in seiner Laufbahn zum Aufputschmittel Crystal Meth gegriffen zu haben und 1997 einen positiven Dopingtest ohne jede Sanktion überstanden zu haben. Neu an den aktuellen Anwürfen ist der Umfang, in dem wohl falsch gespielt wurde. Und dass auch Branchengrößen beteiligt gewesen sein sollen. Protagonisten wurden solche Gaunereien bisher nicht zugetraut - weil sie dank üppiger Preisgelder und Sponsoren-Zuwendungen Millionen scheffeln.

Der Blick in die Historie lehrt: Wie betrogen wird, hat auch immer etwas mit der Tradition zu tun, aus der ein Sport gewachsen ist. Die Radsportler schluckten von Anbeginn alles, was ihnen half, die enormen Anstrengungen der Rundfahrten zu mildern. Die Tennis-Touren der Männer und der Frauen sind in den vergangenen vier Jahrzehnten schnell gewachsen. Hervorgegangen sind sie aus losen Zusammenschlüssen begabter Schlägerschwinger, die - wie ein Wanderzirkus - überall dort auftraten, wo es etwas zu verdienen gab.

Das Image vom weißen Sport hat vermutlich nie gestimmt

Das Milieu lockte von jeher Zocker an. Kein Wunder, dass es nun mit Zockereien ins Gerede kommt. Nirgendwo sonst sind Spielabsprachen schließlich ähnlich leicht möglich, wie dort, wo bloß zwei an einem Spiel beteiligt sind. Das Image vom weißen Sport, in dem feine Damen oder noble Gentlemen zu einem Duell antreten - es hat vermutlich nie gestimmt. Aber solange der Schein hielt, ließ es sich gut so verkaufen.

Der Fußball, die Leichtathletik, das Tennis - die Reihe ist wirklich bemerkenswert. Das beliebteste Spiel ist beschädigt, auch die olympische Kernsportart schlechthin. Und nun wuchern die Zweifel auch noch in dem Sport, der zuletzt rund um den Globus gewachsen ist wie sonst kaum einer.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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