Tennis:"Ich habe kurz überlegt, dem Sänger das Mikrofon abzunehmen"

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Die deutschen Tennisfrauen erwischten am ersten Tag ihrer Erstrundenpartie im Fed Cup auf Hawaii gegen die USA einen Fehlstart. Julia Görges verletzte sich, ehe ihr Match wegen Regens abgebrochen wurde. (Foto: Susan Mullane/USA Today Sports)
  • Ein amerikanischer Lehrer singt während der Begrüßung der Mannschaften beim Fed-Cup die erste Strophe des Deutschlandliedes. Görges weint, Petkovic schimpft.
  • Görges verletzt sich später am Meniskus und am Innenband. Das deutsche Team verpasst gegen die USA das Halbfinale.
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Von Jürgen Schmieder, Kaanapali/Los Angeles

Eines vorneweg, damit der Skandal nicht noch größer wird: Es lag nicht an Will Kimble, dass die Fed-Cup-Partie zwischen den USA und Deutschland am Samstag auf der Hawaii-Insel Maui abgebrochen wurde - dafür waren nur der Regen und der Wind auf der Pazifikinsel verantwortlich. Das deutsche Tennisteam lag nach dem ersten Tag nach der 6:7 (10), 2:6-Niederlage von Andrea Petkovic gegen Alison Riske zurück, beim zweiten Einzel führte Coco Vandeweghe gegen Julia Görges mit 6:3, 3:1. Und weil Görges dieses schließlich verletzt aufgeben musste, lagen die Deutschen am Sonntag bereits 0:2 zurück.

Kimble, ein amerikanischer Lehrer mit Opernerfahrung, sollte während der Begrüßung der Mannschaften die deutsche Nationalhymne singen. Er verwendete jedoch nicht den offiziellen Text - die dritte Strophe vom Lied der Deutschen von Heinrich Hoffmann von Fallersleben -, er begann und endete mit "Deutschland, Deutschland über alles" und schmetterte auch dazwischen ausschließlich die erste Strophe. Die ist zwar nicht mehr verboten wie kurzzeitig nach dem Zweiten Weltkrieg, gilt aber gemeinhin als Ausdruck nationalistischer Gesinnung. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die erste Strophe zusammen mit der heute verbotenen NS-Kampfhymne "Horst-Wessel-Lied" gesungen.

Der US-Verband entschuldigt sich

"Das war eine absolute Unverschämtheit und Frechheit, das absolut Allerletzte", sagte Petkovic nach ihrer Partie: "Es ist peinlich und der Inbegriff von Ignoranz. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so respektlos behandelt gefühlt. Jule Görges hat sofort zu heulen angefangen, als sie die ersten Worte gehört hat. Ich hatte auch Tränen in den Augen und wollte sofort vom Platz gehen." Auch sagte sie: "Das ist mit Abstand das Schlimmste, was mir jemals passiert ist in meinem Fed-Cup- Leben."

Die deutschen Spielerinnen blieben jedoch auf dem Platz und gaben sich stimmgewaltig und gemeinsam mit 20 deutschen Anhängern Mühe, mit dem richtigen Text gegen Kimble anzusingen - jedoch vergeblich. "Ich habe kurz überlegt, dem Sänger das Mikrofon abzunehmen", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner: "Aber es war dann auch schnell vorbei."

Der amerikanischen Tennisverband USTA entschuldigte sich sogleich für den peinlichen Fauxpas. "Es war nicht respektlos gemeint, wir wollen bei der deutschen Mannschaft und deren Fans aufrichtig um Verzeihung bitten." Es heißt, dass sich Kimble den Text über eine Internet-Suchmaschine besorgt und versehentlich die erste Strophe verwendet habe. "Wir werden diesen schlimmen Vorfall lückenlos aufklären", kündigte Verbandspräsidentin Katrina Adams an: "Am Sonntag wird die richtige Hymne zu hören sein, so ein Fehler darf sich nicht wiederholen."

Es ist freilich nicht das erste Mal, dass eben dieser Fehler passiert. Vor der Fußball-EM-Partie zwischen Deutschland und Österreich im Jahr 2008 etwa wurde im Schweizer Fernsehen bei der Untertitelung für Gehörlose der Text der ersten Strophe eingeblendet - wie auch vor dem WM-Achtelfinale 2010 zwischen Deutschland und England im englischen TV-Sender BBC.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass der fehlerhafte Vortrag einer Nationalhymne bei einer Sportveranstaltung für einen Eklat sorgt. Die deutsche Sängerin Sarah Connor sang bei der Eröffnung der Münchner Fußballarena im Jahr 2005 nicht: "Blüh' im Glanze dieses Glückes", sondern "Brüh im Lichte dieses Glückes". Der amerikanische Popstar Christina Aguilera offenbarte beim Super Bowl 2011 eklatante Textschwächen bei der US-Hymne - und der englische Opernsänger Tony Henry vertauschte vor dem Fußball-Länderspiel zwischen England und Kroatien im Jahr 2007 ein paar Buchstaben der kroatischen Hymne und sang nicht: "Du weißt mein Liebling, wie wir deine Berge lieben." Er sang: "Meine Liebe, mein Penis ist ein Berg."

Sturz auf feuchtem Platz

Und natürlich gibt es noch das Lied aus dem Film Borat, eine bewusst geschmacklose Parodie auf die kasachische Nationalhymne, in der es heißt, dass alle anderen Länder der Welt von kleinen Mädchen regiert würden und dass die Prostituierten in Kasachstan mindestens so gepflegt seien wie die in Turkmenistan. Als die Kasachin Maria Dmitrienko bei den arabischen Meisterschaften der Sportschützen 2012 in Kuwait Gold gewann, hörte sie bei der Siegerehrung nicht die Hymne ihres Landes, sondern die aus Borat. Die Organisatoren hatten sie aus dem Netz geladen.

"Ich konnte das nicht glauben, das war einfach ein unfassbar trauriger und schockierender Moment", sagte Rittner, die nun nicht nur mit dem Eklat um die Hymne und der Niederlage von Petkovic umgehen muss, sondern auch mit der Blessur von Julia Görges am linken Knie nach einem Sturz auf dem feuchten Platz. Görges zog sich dabei eine Verletzung am Meniskus und am Innenband zu. Die Partie gegen Vandeweghe konnte sie am Sonntag nicht fortsetzen, es war der nächste Rückschlag.

Später am Tag verpassten die deutschen Tennis-Damen nach einer Niederlage gegen Rekordsieger USA dann den Einzug ins Fed-Cup-Halbfinale und müssen um den Verbleib in der Weltgruppe bangen. Andrea Petkovic verlor in Lahaina gegen Coco Vandeweghe 6:3, 4:6, 0:6. Damit geriet Rittners Team auf Hawaii uneinholbar 0:3 in Rückstand.

Schon den Samstag auf Maui hatte Rittner recht schnell zusammengefasst: Es sei ein "Scheiß-Tag" gewesen.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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