Tennis:Mütter erobern die Tenniswelt

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Tatjana Maria: Mit Bobbycar auf dem Tennisplatz (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Das Thema Nachwuchs in der Tennissaison 2017 an Relevanz gewonnen, vor allem aufgrund zweier spezieller Protagonistinnen: Serena Williams und ihre Widersacherin Viktoria Asarenka.
  • Wie sich das Leben mit Kind als Tennisprofi verändert, weiß die Deutsche Tatjana Maria längst.
  • Seit der Geburt ihrer Tochter vor dreieinhalb Jahren hat sich ihr Spiel verbessert, sagt sie.

Von Gerald Kleffmann, Nürnberg

Beim Turnier in Nürnberg konnte Tatjana Maria ihr erstes Match mit 6:0, 6:1 gewinnen, ihre 18 Jahre alte Gegnerin, die Tschechin Marie Bouskova, war überfordert. Maria brachte ihr abgeklärtes Spiel zur Geltung, sichere Grundschläge, teils gewitzte Winkel, unangenehmer Rückhand-Slice. Aber wenn sie an diese Partie der mit 250 000 Dollar dotierten Veranstaltung der Frauentour WTA denkt, fällt ihr vor allem eines ein: "Charlotte schlief durch." Ihre Tochter bekam nicht mit, dass Mama in Bayern weiter im Geschäft war. Aber die Dreieinhalbjährige durfte sich deswegen noch etwas länger in der öffentlichen Spielecke auf der Anlage des 1. FC Nürnberg vergnügen.

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Bei diesem Event ist für die Kleinen gut gesorgt. Und das ist auch notwendig. Charlotte ist nicht das einzige Kind einer Spielerin. Drei weibliche Profis auf der Tour haben Nachwuchs, alle drei sind in dieser Woche in Nürnberg. Der 5. Versicherungscup sollte eher 5. Mami-Cup heißen. Die fränkische Veranstaltung hat im Welttennis diesmal ein Alleinstellungsmerkmal.

Alles hat sich gut gefügt - bis auf die neun Monate währende Übelkeit

Nun ist es natürlich bei weitem noch nicht so, dass gleich Horden von Sprösslingen die WTA-Tour bevölkern. Und doch hat das Thema Nachwuchs in der Saison 2017 an Relevanz gewonnen, vor allem aufgrund zweier spezieller Protagonistinnen. Serena Williams, die so viele Jahre unerreichbare Weltranglisten-Erste, hatte im April verkündet, dass sie schwanger ist - und als Schwangere im Januar bei den Australian Open ihren 23. Grand-Slam-Titel errungen hatte. Die 35 Jahre alte Amerikanerin will nach der Entbindung auf den Platz zurückkehren.

Ihrer großen Widersacherin Viktoria Asarenka steht dieser Schritt nun bevor. Nachdem sie Leo im Dezember bekam, gab die Weißrussin am Montag ihr Comeback für Wimbledon Anfang Juli bekannt (dort kehrt auch Petra Kvitova zurück, die 2016 Opfer einer Messerattacke geworden war; das teilte die Tschechin mit); vorher will Asarenka bereits ein Rasen-Turnier bestreiten, es könnten die Mallorca Open werden. Sie und Williams seien "wunderbare Botschafterinnen für das Familienthema", sagt Maria, die in Nürnberg in der Runde der letzten 16 ausschied. Die Williams-Schwestern Serena und Venus kennt sie sogar gut, es sind ihre Nachbarinnen in West Palm Beach, wo sie lebt. Sie ergänzt: "Es könnte schon sein, dass jetzt auch andere folgen." Sie meint: auch Mutter werden. Erstens: "Heutzutage dauern Karrieren länger." Zweitens: "Auch mit Kind klappt das Profileben richtig gut." Gleichwohl, das gibt sie zu, fühlt sich die Karriere als Mutter anders an als jene zuvor. "Viel schöner", sagt sie: "Ich genieße jetzt viel mehr."

Das ist in Marias Fall besonders nachvollziehbar, denn sie hatte schon einiges zu verkraften. 2008 wurde im letzten Moment eine Lungenembolie entdeckt, danach verstarb ihr Vater. Maria war und ist eine gute deutsche Spielerin aus der zweiten Reihe, die schon mal im Fed Cup siegte. Als sie aber nach ihren Schicksalsschlägen ihren Mann, den französischen Trainer Charles Edouard Maria kennen lernte, begann ihr zweites Leben. "Charlotte war ein absolutes Wunschkind", sagt Maria, und wie sie mit leuchtenden Augen so erzählt, wie reibungslos sich bei ihr alles dann fügte, wirkt sie, als sei sie die wahre Familienbotschafterin der WTA-Tour, von der Williams und Asarenka was lernen könnten.

Die unangenehmste Begleiterscheinung sei höchstens die neun Monate währende Übelkeit gewesen, sagt Maria. Sie hatte bis zum dritten Monat gespielt, als sie aber in Wimbledon antrat und realisierte, wie schnell man auf Gras ausrutschen kann, fuhr sie ihren Beruf herunter. Alle Tenniswelt staunt jetzt, dass Asarenka nach sieben Monaten dank einer "Special Examption", die Mütter erhalten, zurückkehrt. Maria war schneller. Sie kam nach sagenhaften dreieinhalb Monaten zurück, verlor aber ihr Match damals in Bogota. Möglich war dieses Comeback, weil sie nach drei Monaten Stillen Charlotte in den folgenden drei Monaten zur Hälfte auf externe Nahrung umstellte. Maria erreichte dann gar als Mutter ihr höchstes Karriere-Ranking, als Nummer 62. Die Umstellung von der beid- auf die einhändige Rückhand hat ihr sehr genützt. Wichtiger für ihren Erfolg indes war: "Wir halten als Familie zusammen und helfen uns." Sie lacht: "Mein Mann ist ein Schatz. Er macht alles."

Die Mutterschaft verbessert Marias Spiel

Wie glücklich Maria ist, strahlt sie spürbar aus, die Schwiegereltern, die Mutter, sie packen auch mit an, wenn sie auf Tour ist. Das müssen sie auch, denn Kinderbetreuung für Profi-Nachwuchs wird nur fix bei den größten Turnieren angeboten. Abgesichert ist Maria bereits, das Paar besitzt ein Haus in Florida und eine Wohnung in Cannes. "Ich hätte gerne vier Kinder", sagt Maria gar, aber sie weiß auch: "Ich bin nicht Roger Federer." Der Schweizer hat ja nicht nur schon zwei Zwillingspaare, er hat auch das Kleingeld, um den doch erheblichen finanziellen Posten zu stemmen, den so ein global reisender Großclan mit sich bringt. Sportlich bewegt sich Maria, geboren in Bad Saulgau, um Weltranglistenplatz 100, die Top 50 würde sie gerne einmal knacken. Und sie glaubt, dass sie das noch schafft. Dass sie Mutter ist, beeinflusse positiv ihr Spiel, sagt sie. Sie spüre mehr innere Ruhe auf dem Platz. Weil Tennis nur ein Sport ist. Das Leben ist die Familie. Und sollte Kind zwei mal kommen? Würde sie danach wieder zurückkehren? "Das muss man sehen", sagt sie schmunzelnd.

Natürlich ist es so, dass die Mütter unter den Profis eine Bande haben, die Maria mit Serena Williams aber ohnehin längst besitzt. Noch enger ist sie mit Venus, 36, befreundet, die für Maria eine "Baby Shower" schmiss: ein Fest von Freundinnen nur für die Schwangere. Ein Spaß sei das gewesen, sagt Maria, die nun, als Nachbarin, auch eine Überraschungsparty für Serena aushecken könnte. "Vielleicht ruf ich Venus mal an", sagt sie und lächelt.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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