SSV Jahn Regensburg:Wie Leonidas von Sparta

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Rot-weißer Jubel in der Arena: Nur feiert hier mal nicht der FC Bayern, sondern der SSV Jahn Regensburg nach seinem Relegations-Sieg bei 1860. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Der SSV Jahn Regensburg steigt in die zweite Liga auf, weil er ein Credo des Trainers befolgt: so hart arbeiten wie möglich.

Von Christoph Leischwitz

Es ist nur gut ein gutes Jahr her, da war der SSV Jahn Regensburg noch eine richtig schlechte Auswärtsmannschaft. Der letzte Sieg auf fremdem Platz lag schon mehr als sieben Monate zurück, als das Regionalliga-Team zu Wacker Burghausen reiste. Geschäftsführer Christian Keller hatte damals einen Kasten Bier im Auto dabei und sagte damals zu Trainer Heiko Herrlich, wenn sein Team dort gewinne, dann stelle er ihnen den Kasten in die Kabine. Der Jahn gewann 1:0, Keller stellte das Bier in die Kabine, doch Herrlich sagte zu den Spielern: "Rührt ihn nicht an." Sie gehorchten, und später stieg der Jahn auf.

In der dritten Liga feierte der Jahn dann plötzlich neun Auswärtssiege, obwohl niemand jemals einen Kasten Bier mitgebracht hatte. "Das ist eine Weiterentwicklung", findet Herrlich dazu, der die Mannschaft nach seinen Vorstellungen geformt hat: Lasst euch erst belohnen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Und bis dahin: so hart arbeiten wie möglich.

Das Jahn-Team dürfte auch in der zweiten Liga zum großen Teil weiter zusammenbleiben

Selbst nach dem zweiten Aufstieg innerhalb eines Jahres ging es zunächst recht nüchtern weiter: Auch weil sich am Dienstagabend in der Münchner Arena nach dem Auswärtssieg wieder einmal niemand um das Bier gekümmert hatte. Der Torschütze zum 1:0, Kolja Pusch, sagte einen beachtlichen Satz für einen 24-jährigen Fußballer aus Wuppertal: "Wir werden heute noch feiern, aber da muss ja nicht unbedingt immer Alkohol dabei sein." Später freilich floss dann schon noch der eine oder andere Liter, aber so richtig erst, als der Jahn wieder zurück in Regensburg war und sich im Herzogsaal traf, wo er von euphorisierten Fans empfangen wurde.

Irgendwas muss dran sein an dem, was normalerweise wie Plattitüden daherkommt: eingeschworenes Team, jeder kämpft für jeden, Selbstlosigkeit. Es kommen viele Faktoren zusammen, die wie ein sorgsam gestricktes, sehr strapazierfähiges Tornetz verwoben sind. Dazu gehört, dass Herrlich und einige Spieler sehr gläubig sind und daraus, wie sie auch öffentlich betonen, viel Kraft ziehen. Andere tun mehr für den Zusammenhalt, den sie zuvor mit einem anderen Verein erhofft, aber vielleicht nicht immer erfahren haben. Torwart Philipp Pentke etwa musste 2007 den TSV 1860 München verlassen, später den Chemnitzer FC, obwohl er nicht gehen wollte. In Andreas Geipl, Jann George und dem derzeit verletzten Markus Ziereis stehen drei weitere ehemalige Sechziger im Kader. "Kennen Sie den Film 300?", fragte Pentke nach dem 2:0-Erfolg in der Interviewzone der Münchner Arena. "Darüber haben wir vor dem Spiel gesprochen. In der blutrünstigen Comic-Verfilmung hält eine kleine spartanische Armee die scheinbar übermächtigen Perser lange auf. "Wir waren einfach eine kleine Armee, die nicht wollte, dass der große Löwe aufgeweckt wird", sagte der Ex-Löwe Pentke.

Natürlich sei man froh, dass niemand verletzt wurde, sagte Herrlich später. Auch wenn er sich am liebsten komplett auf die sportliche Leistung seiner Mannschaft konzentriert hätte, so ließ er doch auch durchscheinen, was er davon hielt, unter welchen Bedingungen die Partie zu Ende gespielt wurde. Pentke fühlte sich vermutlich als unerschrockener Sparta-Anführer Leonidas, der hinterrücks mit Sitzschalen und Stangen attackiert wurde und diese wieder vom Platz räumte. Er selbst hatte gewollt, dass das Spiel fortgesetzt wird, sonst hätte der Schiedsrichter Daniel Siebert vermutlich abbrechen müssen.

Die bescheidende, eingeschworene Gruppe hatte schon kurz mal über den Aufstieg nachgedacht, vor ein paar Wochen habe man beschlossen, erzählt Herrlich, dass man am Tag des Aufstiegs erst einmal feiern werde. "Am nächsten Tag werden wir uns ausruhen, und wieder einen Tag später treffen wir uns um acht Uhr im Büro. Um Strategien zu entwickeln, wie wir die zweite Liga halten."

Es geht einerseits darum, das Schicksal von 2004 und 2013 zu verhindern, als die Mannschaft nach nur einem Jahr in der zweiten Liga jeweils gleich wieder abstieg. Der Schlüssel dafür wird nach dem Verständnis der sportlich Verantwortlichen auch weiter in Bescheidenheit und Demut liegen. "Ich weiß, dass mit Erfolg die Erwartungen steigen, auch in Regensburg. Wir müssen uns bestmöglichst vorbereiten", sagt der Trainer.

Mit einem Großteil der Leistungsträger hatte der Verein schon rechtzeitig die Verträge verlängert. Doch Kolja Pusch zum Beispiel, der Schütze zum 1:0 in München, hat noch keinen Vertrag. "Ich werde jetzt gleich nochmal mit Christian Keller sprechen", sagte er in der Arena, "dann machen wir das Ding schon fest." Er dürfte sich spätestens mit seinen Leistungen der vergangenen Wochen eine Zukunft gesichert haben. Selbst Erik Thommy, dessen Leihfrist mit dem FC Augsburg abläuft, könnte bleiben. "Die Rechte liegen natürlich ganz klar bei Augsburg", sagt Herrlich, er sehe aber trotzdem eine reelle Chance, dass Thommy bleibe. "Wenn er bleibt, dann ist er vielleicht in einem Jahr soweit, dass er Stammspieler in der Bundesliga sein kann." Den meisten anderen im Team würde es freilich reichen, Stammspieler in der zweiten Liga zu werden - mit Jahn Regensburg.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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