SSV Jahn Regensburg:Sportlich gewappnet

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Mit Teamgeist begegnet der SSV Jahn gegen Frankfurt der Affäre um Sponsor Tretzel - und unterstreicht seine Lifa-Tauglichkeit.

Von Christoph Leischwitz

Zur Pause stand es zwar nur 1:1, doch der Unterschied zwischen den beiden Mannschaften war schon zu diesem Zeitpunkt gut sichtbar. Der Strafraum vor der Südtribüne mit den Heimfans sah aus wie wenn ihn gerade ein Bauer umgepflügt hätte, der andere hingegen so gut wie unbetreten - und der SSV Jahn Regensburg hatte in den ersten 45 Minuten auf die Heimtribüne gespielt. So mutete es hernach auch als Treppenwitz an, dass der überlegene bayerische Drittligist am Ende nur durch einen verwandelten Elfmeter und ein Eigentor 2:1 gegen den FSV Frankfurt gewonnen hatte, und auch, dass es gegen Ende sogar noch einmal spannend geworden war in einer über weite Strecke einseitigen Partie. "Wir hätten den Sack früher zumachen müssen", fand Trainer Heiko Herrlich.

Der Trainer, seine Spieler und die Anhänger trennen Sport und Politik beim Regensburger Verein

Es geht eng zu in dieser dritten Liga. Als Regensburg in der 14. Minute etwas überraschend in Rückstand geriet - mit einer der wenigen klaren Aktionen der Frankfurter, die Cagatay Kader mit einem Kopfball beendete - rutschte der Jahn in der Blitztabelle zwischenzeitlich auf Rang 13 ab. Doch weil er das Spiel noch drehte, kletterte er nach der Partie auf Rang neun und ist plötzlich nur drei Punkte vom Aufstiegs-Relegationsplatz entfernt. Streng genommen könnte man den Neuntplatzierten gedanklich auch schon auf Rang acht setzen, weil dem VfR Aalen vom Verband noch bis zu neun Punkte abgezogen werden - vergangene Woche hatte der Verein einen Insolvenzantrag gestellt.

Geldsorgen haben sie in Regensburg derzeit zwar auch, aber nicht akut. Nachdem die Spendenaffäre um den Jahn-Sponsor Volker Tretzel öffentlich wurde, hatte Geschäftsführer Christian Keller trotz einer Finanzlücke schnell klargemacht, dass die Auszahlung der Spielergehälter sichergestellt sei - die fehlenden 500 000 Euro aus einem fest eingeplanten Darlehen, die zu Saisonbeginn fließen sollten, stellen zumindest kein existenzielles Problem dar. Und weil auch niemand aus dem sportlichen Bereich genau weiß, was seinerzeit in Aufsichtsratssitzungen beschlossen wurde und was nicht, halten sich die Spieler mit Statements zum Thema zurück. Ebenso Trainer Herrlich, wenn er sagt: "Ich konzentriere mich auf das Sportliche, was anderes kann ich sowieso nicht tun."

Auch die Fans scheinen Politik und Sport zu trennen: Zumindest von der Tribüne gab es weder auf Transparenten noch durch Gesänge irgendwelche Äußerungen zu den Vorwürfen der vergangenen Tage, wonach Jahn-Präsident Hans Rothammer gefälschte Sitzungsprotokolle des Vereins an die Kriminalpolizei übergeben haben soll. Wie tief der Jahn mit der Affäre zu tun hat und was noch auf den Verein zukommt, ist noch lange nicht geklärt.

Die Mannschaft zeigt derzeit einen erstaunlichen Teamgeist. Sie hat in den vier Partien nach der Winterpause noch nicht verloren und nur drei Gegentore kassiert. Und sie lässt sich auf dem Platz nicht aus der Fassung bringen - in den beiden Spielen zuvor holte sie trotz eines Rückstands jeweils noch ein Unentschieden, diesmal drehte Herrlichs Mannschaft sogar das Spiel und war in der zweiten Halbzeit klar überlegen: Allein Frankfurts Torwart Sören Pirson verhinderte eine deutlichere Niederlage. "Wir haben ihnen den Zahn gezogen, indem wir einfach als Mannschaft aufgetreten sind", sagte Mittelfeldspieler Andreas Geipl, der kurz vor der Pause den Ausgleich erzielt hatte. Das Selbstvertrauen ziehe man aus den Leistungen der drei Spiele davor, sagt er.

Beim Gegner FSV Frankfurt stehen der Trainer, die Spieler und das Präsidium in der Kritik

Da lag dann auch der Unterschied zu den Gästen. "Die Führung hat uns keine Sicherheit gegeben, im Gegenteil, wir wurden immer passiver", sagte FSV-Trainer Roland Vrabec. Bei den Hessen reagiert man auf die aktuellen Probleme offensichtlich sehr viel dünnhäutiger. Vergangene Woche war der ehemalige Präsident Carlo Kiefer als Aufsichtsrat recht medienwirksam zurückgetreten: "Eine vertrauensvolle, gedeihliche Zusammenarbeit ist mit diesem Präsidium und diesem Geschäftsführer nicht möglich", lautete seine Begründung. Die schlechten sportlichen Leistungen tun ihr Übriges, Trainer Vradec steht in der Kritik - so wie die vielen vermeintlichen Leistungsträger wie zum Beispiel der ehemalige Bundesliga-Profi Patrick Ochs. "Wir wussten, dass ein Gegner kommt, der angeschlagen ist, der gute Einzelspieler hat, aber es noch nicht geschafft hat, als Mannschaft zu agieren", sagte Herrlich nach dem Spiel über den FSV. Trotz des Ungemachs gibt es in der dritten Liga noch Mannschaften, die größere Sorgen haben als der Jahn.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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