Spanien:In die Festspiele gestolpert

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Eine 2:0-Führung und zwei wertvolle Punkte verschenkt: Der frühere Weltfußballer Lionel Messi leidet nach Barcelonas 2:2 in Sevilla. (Foto: Angel Fernandez/AP)

Trotz der Champions-League-Reise nach Paris tritt der FC Barcelona in Sevilla in Bestbesetzung an, erreicht aber nur ein 2:2. Dadurch kommt Real an der Ligaspitze wieder näher.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Es gab Zeiten, da konnten sich Spaniens Großvereine an den Wochenenden in der nationalen Fußball-Liga locker warmlaufen für die wahren und lukrativen Aufgaben, die ihnen unter der Woche bevorstanden - in Europa, in der Königsklasse. So groß war die Diskrepanz zwischen den Protagonisten und den Statisten im heimischen Wettbewerb. Nun aber ist alles etwas anders. Aus dem Duo Barça und Real ist ein Trio mit Atlético Madrid geworden, einem Team mit Niveau, das als amtierender Meister ebenfalls wieder prominent mitspielt in der Champions League. Und in der Primera División gibt es heuer zwei, drei weitere Vereine mit beträchtlichem Störpotenzial, solche, die den Granden volles Engagement abfordern.

Einer von diesen Vereinen ist der Tabellenfünfte FC Sevilla. Nach jedem finanziell bedingten Aderlass führt er seinem Kader billigeres Personal zu - und hat doch weiter Erfolg, gibt sich kaum mal eine Blöße, gerade daheim nicht, im Stadion Sánchez Pizjuán. Der FC Barcelona reiste am Samstag daher auch mit der Gala-Elf nach Andalusien. Trainer Luis Enrique gewährte keinem Stammspieler eine Pause, obwohl an diesem Mittwoch das Hinspiel im Viertelfinal der Champions League stattfindet, auswärts bei Paris Saint-Germain. Einem Gegner, der am Samstag bereits einen nationalen Titel gewann: den französischen Liga-Pokal, durch ein 4:0 gegen Bastia, mit je zwei Stürmertoren von Zlatan Ibrahimovic und Edinson Cavani. Die gute Nachricht für Barcelona: Ibrahimovic, der Schrecken aller Verteidiger, ist im Hinspiel gegen seinen früheren Verein rot-gesperrt.

In Sevilla gab sich Barça schnell konzentriert, spielfreudig. Nach einer halben Stunde Wirbel führten die Katalanen dank Toren von Lionel Messi und Neymar 2:0 und hätten noch höher führen können, wenn der Dritte der Offensivabteilung, der Uruguayer Luis Suárez, nicht mehrmals am Elementarsten gescheitert wäre: am Einschieben des Spielgeräts.

Doch dann erlahmten Sturm und Drang plötzlich, und der FC Sevilla verkürzte, glich aus, war am Ende sogar näher dran am Sieg. Warmlaufen geht anders, bei diesem 2:2 wurde über die Maßen geschwitzt. Für Gesprächsstoff sorgt die Auswechslung Neymars in der 73. Minute. Der Brasilianer war wahrscheinlich der Beste der Seinen gewesen, und so sah er das selbst auch. Nicht zum ersten Mal echauffierte sich der junge Mann über eine Auswechslung. Seinen Unmut offenbarte er mit einer sehr italienischen Handgeste, mit der er dem Trainer bedeutete: Was soll denn das? Er warf auch ein bisschen mit den Fußballschuhen um sich, was man auf der gut situierten Bank des FC Barcelona selten sieht. Als Trainer Enrique nach dem Spiel auf die Episode angesprochen wurde, sagte er: "Das sind Nichtigkeiten, kleine Dummheiten, die euch Reporter interessieren. Mich kümmern sie nicht."

Kümmern dürften ihn allerdings die verlorenen Punkte. Sieben Spieltage vor Saisonende beträgt Barcelonas Vorsprung auf Real Madrid, das den baskischen Aufsteiger Eibar ohne Mühe und mit vielen Ersatzspielern 3:0 besiegte, nur noch zwei Punkte. Und zwei Punkte sind in diesem Jahr der vielen Sensationen und dem erfreulich häufigen Favoritengestolper ein bescheidenes Kapital. Die Madrider Sportpresse wähnt die spanische Meisterschaft wieder völlig offen: "Remontada", titelte etwa Marca, als wäre die Aufholjagd bereits vollendet. Real-Torjäger Cristiano Ronaldo traf mal wieder mit einem direkten Freistoß, was ihm davor 57 Mal verwehrt geblieben war. Eine süße Erlösung, wenngleich der Ball auf dem Weg zum Tor von der Mauer abgelenkt wurde und einen ungewollten Richtungswechsel erfuhr. Der Statistik sieht man solche Details ja nicht an.

Atlético Madrid hingegen, an diesem Dienstag Gegner Reals im Champions-League-Stadtderby, brauchte alle seine Kräfte und Topspieler, um Málaga, dem Tabellensiebten, wenigstens ein 2:2 abzuringen. Und wieder einmal war der Franzose Antoine Griezmann zuständig für die Treffer. Er hat in dieser Saison bereits 18 Tore erzielt, so viele wie nie zuvor in seiner Karriere. Getroffen hat auch Rückkehrer Fernando Torres, ein Idol des Vereins, der für den verletzten Mario Mandzukic auflief - nur halt ins eigene Tor. Und so mag von den drei spanischen Eliteklubs wohl einzig Real Madrid dem Wochenende Positives abgewinnen. Vielleicht nimmt Real daraus gar einen mentalen Schub für die Champions League mit. Vielleicht.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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