Spanien:Drei Farben: Lila

Lesezeit: 3 min

Das neue WM-Trikot der Nationalelf ruft die Regierung des Königreichs auf den Plan: Einige Schmuckelemente erinnern frappant an die republikanische Flagge.

Von Javier Cáceres

Wenn es in Spanien zu Demonstrationen kommt, an denen Linke teilnehmen, wird immer wieder ein Reim skandiert: "España, mañana, será republicana". Zu Deutsch: Morgen schon wird das heute als Königreich verfasste Spanien wieder eine Republik sein. Für gewöhnlich wird dann auch die Flagge der letzten Republik geschwenkt, sie kombinierte die Farben Lila, Gelb und Rot. Monarchisten des Königreichs und Rechten ist dieses Banner ein Dorn im Auge. Was das alles mit Sport zu tun hat?

Nun, um das neue Trikot der spanischen Fußballnationalmannschaft, das vom Herzogenauracher Sportartikelhersteller Adidas entworfen wurde, tobt eine mächtige Debatte, die viel mit der Fahne der Republik zu tun hat, gegen die der faschistische General Francisco Franco putschte. Denn die diamantenen Schmuckelemente, die ähnlich wie bei Spaniens WM-Trikot von 1994 vertikal von der Schulterpartie bis zur Hüfte herunterlaufen, erinnern verdächtig an besagte republikanische Flagge. "Fußball und Fahne - ein stets unfehlbarer Molotow Cocktail", schrieb die rechtsliberale Zeitung El Mundo am Dienstag. Erst recht in politisch bewegten Zeiten. Denn in Spanien versteht man gerade, wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen eines relevanten Teils der katalanischen Bevölkerung, "keinen Spaß", wie der Chefredakteur der Zeitung As schrieb.

Den machten sich aber linke Politiker durchaus. Pablo Iglesias von der Podemos-Partei (deren Parteifarbe übrigens nicht von ungefähr dunkelviolett ist) applaudierte dem neuen Jersey: "Spaniens Nationalelf trug schon lange nicht mehr ein so schönes Trikot", schrieb Iglesias, der für die Abschaffung der Monarchie eintritt. Auch Alberto Garzón von der "Vereinigten Linke" fand, das neue Jersey habe seinen "Zauber". Der Fraktionssprecher der rechtsliberalen Ciudadanos-Partei hingegen, Juan Carlos Girauta, postete ein Foto des neuen Leibchens und fragte mit empörtem Unterton: "Ernsthaft?" Dafür hielt sich die konservative Regierung des Landes offiziell zurück. Hinter den Kulissen aber zog sie die Strippen, als wollte sie den satirisch gemeinten Tweet eines katalanischen Politikers bestätigen, der gehöhnt hatte, Madrid werde gegen die Designer von Adidas bestimmt den Artikel 155 anwenden, mit dem die spanische Regierung soeben die katalanische Regionalregierung für abgesetzt erklärt hatte.

"Ich habe Druck von ganz oben bekommen", sagte Spaniens Interims-Verbandschef José Luis Larrea der As, "die Regierung ist weder über die Affäre noch über das Trikot amüsiert." Dort kann man sich ausmalen, was los wäre, wenn Spanien 2018 Weltmeister werden sollte und König Felipe mit Spielern feiern müsste, die ein "republikanisches", also antimonarchistisches Trikot tragen. Da ist es einerlei, dass es sich bei Lichte betrachtet um nichts anderes handelt als eine optische Täuschung. Denn: "Das ist nicht lila. Das ist blauestes Blau", sagt Larrea. Um Missverständnissen vorzubeugen: Damit meinte er nicht das Blau der Hemden der faschistischen Falange-Bewegung, er zieh auch niemanden der Farbenblindheit. Vielmehr lieferte er einen sachdienlichen Hinweis.

Die aktiven Spieler durften nicht über das Trikot reden

Denn tatsächlich ist das Lila nur eine Frage der Wahrnehmung. Sie beruht auf der so genannten physiologischen Farbmischung. So erklärte das jedenfalls die Neurowissenschaftlerin Susana Martínez Conde, die vom Sportprogramm des Senders der katholischen Bischofskonferenz, der Cadena Cope, an einer Universität in New York aufgetrieben wurde. Sie sagte, dass der Farbeindruck des Auges sich durch sukzessives Hinzufügen von anderen Farbreizen verändere. So auch hier: Beim Trikot der spanischen Nationalelf wurde tatsächlich ein Blauton verwendet, der aber nur aus nächster Nähe erkennbar ist. Aus der Ferne betrachtet - und erst recht am Fernseher - wird durch die rote Unterlegung der blauen Diamanten auf dem Trikot die Illusion eines Lila-Tons erschaffen. "Es ist ein Hirnkonstrukt", sagt Martínez Conde. Das mag sein, der Verband aber sah sich in die Defensive gedrängt.

Ausdruck dessen war, dass die Nationalspieler am Dienstag nicht mit den Medien sprechen durften, als sie nahe Madrid zusammengezogen wurden, um die Freundschaftsspiele gegen Costa Rica und in Russland vorzubereiten. Offenbar wollte der Verband den Spielern unangenehme Fragen zum neuen Trikot ersparen. Die mussten dafür ehemalige Nationalspieler beantworten. "Mir gefällt das Trikot", sagte der ehemalige Schlussmann Santiago Cañizares. "Mir nicht", antwortete der frühere Stürmer Kiko Narvaez, Olympiasieger von 1992. Wobei sie unter denen waren, die sich nur auf ästhetische, nicht auf politische Deutungen des Leibchens beschränkten.

Und nun? Gute Frage. Verbandschef Larrea deutete an, dass er die Wahl gern rückgängig machen würde, "aber die Lösung ist nicht einfach". Der Verkauf der neuen Jerseys ist angelaufen, Tausende Trikots wechselten schon für den Spottpreis von 129,95 Euro den Besitzer. Er schließe nicht aus, dass man die alten Trikots weitertrage, "bis die Debatte" abebbt. Man müsse darüber aber erst mit Adidas sprechen. Hierzu und zum Druck der Regierung war bei Adidas am Dienstag zunächst nichts zu erfahren. In einer Mitteilung hieß es aber, dass das Design "keine politischen Konnotationen beinhaltet".

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: