Skispringen: Vierschanzentournee:Regeln für die Bastler

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Der Weltverband sollte der Schrauberei an den Bindungen im Skispringen entgegenwirken - andernfalls könnten die fliegenden Leichtgewichte in der Weltspitze erneut in eine gefährliche Leistungsspirale geraten.

Thomas Hahn

Es gibt auch Leute, die sagen, dass das Skispringen gerade eine besonders fruchtbare Phase durchmache: Weil die Szene viel tüftelt und ihre Kreativität auslebt an jenem Ausrüstungsgegenstand, der Mensch und Ski zusammenhält. Vor Jahren schon hieß es, die Bindung eigne sich prächtig dazu, den Erfindergeist der Branche zu beflügeln, weil sie noch so unberührt sei vom humorlosen Reglement des Weltskiverbandes Fis, das sonst jede Anzugnaht und jeden Quadratzentimeter Ski vorschreibt.

Weitere Technik-Experimente mit der Bindung könnten beim Skispringen zu bedenklichen Konsequenzen führen. (Foto: dapd)

Und ist es nicht wirklich faszinierend, dass schon eine Millimeter-Korrektur am Bindungsstab ausreicht, um die Flugeigenschaften eines Skispringers stark zu verändern? Trotzdem stellt sich mehr denn je die Frage, wie viel Technologie dieser Sport verträgt, ohne sich irgendwann zwischen Beliebigkeit und Gefahr zu verlieren. Als es die Materialregeln von heute noch nicht gab, schnitten die Leistungsplaner die Ausrüstung so zurecht, dass die Springer sich damit im Grunde nur noch in den Aufwind legen mussten.

Athletik war nicht so wichtig, stattdessen brachte ein geringes Körpergewicht beträchtliche Vorteile. Die Fis reagierte und erlies eine Regel nach der anderen: Am Ende war fast alles am Springer genau vorgeschrieben, und zwar im Sinne des Sports: Wer auf der Schanze gewinnen wollte, konnte nicht mehr nur auf weiten Schwingen zu Tale segeln - der musste ein richtig guter Springer sein.

Die freie Bindungsbastelei lenkt die Entwicklung wieder in die andere Richtung. Wenn die Fis ihr nicht irgendwann entgegenwirkt, könnte eines Tages sogar ihre lobenswerte, im Sommer erst verschärfte Mindestgewichtregel hinfällig werden. Die funktioniert nämlich über ein Bestrafungssystem: Wer nach dem Body-Mass-Index zu leicht ist, bekommt weniger Skilänge.

Aber wenn man durch neue, aerodynamische Bindungen mit Vorteil auf Skilänge verzichten kann, greift die Sanktion nicht mehr, und die Leichtgewichte geraten wieder in eine Leistungsspirale, die böse enden kann.

Zugegeben, das sind Gedankenspiele für die Zukunft, aber die Branche steuert auf einen markanten Generationenwechsel zu. In den nächsten Jahren werden viele Ü30-Springern zurücktreten, das ganze Feld wird sich neu sortieren. Und die jungen Erben dürfen nicht den Eindruck bekommen, dass sich ihre Karriere eines Tages vor allem auf der Waage entscheiden könnte.

© SZ vom 28.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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