Skirennläuferin Viktoria Rebensburg:"Ich kann voll pushen"

Lesezeit: 3 min

Speed ist ihre neue Domäne: Viktoria Rebensburg bei der Abfahrt in Cortina d'Ampezzo. (Foto: dpa)

Einst Olympiasiegerin im Riesenslalom, jetzt unter den besten in der Abfahrt: Viktoria Rebensburg bestätigt in Cortina ihren Wandel zur Speedfahrerin. Und lässt das Publikum auch öfter an ihrem Seelenleben teilhaben.

Von Johannes Knuth, Cortina d’Ampezzo

Viktoria Rebensburg nahm noch einmal allen Mut zusammen. Sie war jetzt auf der Zielgeraden, brachte Vorsprung mit, es sah gut aus für Rebensburg und dann hatte sie es tatsächlich vollbracht: Sie öffnete die Sektflasche bei der Siegerehrung als Erste, mit handgestoppten 0,53 Sekunden Vorsprung auf die Italienerin Elena Fanchini. Die hatte gerade überraschend die Abfahrt in Cortina d'Ampezzo gewonnen, vor der Kanadierin Larisa Yurkiw und Rebensburg.

Wenn in diesen Tagen im alpinen Skisport die besten Abfahrerinnen gekürt werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man die Skirennfahrerin Viktoria Rebensburg, 25, vom Skiclub Kreuth antrifft. In Val d'Isère war sie im Dezember Zweite geworden, es war das erste Mal überhaupt, dass sie eine Abfahrt in der ersten Liga des Skisports unter den besten Drei beendet hatte. Am Freitag, im ersten schnellen Wettbewerb nach der Weihnachtspause, reichte sie einen weiteren Podiumsplatz nach.

Rebensburg ist seit acht Jahren im Weltcup-Betrieb unterwegs, sie wurde des Öfteren bei Siegerehrungen gesichtet, allerdings meist nach Wettbewerben im Riesenslalom, ihrem Fachgebiet. Dort tüftelt sie noch immer an der Abstimmung, im Sommer hatte sich Rebensburg einem neuen Ausrüster angeschlossen. Und jetzt? Reüssiert Rebensburg eben in der Abfahrt und im Super-G. "Ich habe ein gutes Setup, ich kann voll pushen", sagte sie kurz nach ihrer Fahrt in Cortina, "ich gehe gerade mit einem richtig guten Gefühl in jedes Speed-Wochenende."

Fühlt sich in schnellen Rennen derzeit wohler als im Riesenslalom: Viktoria Rebensburg. (Foto: Sven Simon/imago)

In der Früh hatte sich der Nebel um die Dolomitengipfel geschmiegt, er war in den oberen Streckenteil gekrochen, auch in den Tofana-Schuss, die berühmte Rampe unterhalb der Berge. Die Jury nahm den Streckenteil aus dem Programm, die Abfahrt währte nur rund eine Minute. Rebensburg begann dementsprechend engagiert. Erst im unteren Streckenteil verpasste sie zweimal die Ideallinie. Sie ärgerte sich, doch ihre Stimmung heiterte bald auf.

Denn mit jeder Minute legte sich mehr Schnee auf die Piste, er bremste die Fahrerinnen vor allem in den flachen Passagen, auch Veronique Hronek, die zweite Starterin des Deutschen Skiverbands - sie wurde 43. Rebensburg hatte das Rennen als Fünfte aufgenommen, "die Nummer war sicher kein Nachteil", sagte sie. Lindsey Vonn, die Favoritin, startete später, sie verirrte sich im Nebel auf Rang zehn. "Wir sind in der freien Natur", sagte Markus Anwander, Trainer der DSV-Frauen, "manchmal haben die vorderen Nummern einen Vorteil, manchmal die hinteren. Es war auf alle Fälle ein reguläres Rennen."

Rebensburg ließ sich von all dem nicht irritieren. Die 25-Jährige hat, das wurde in Cortina deutlich, ihre Mitgliedschaft im Klub der schnellen Fahrerinnen bestätigt. Und derzeit hat es nicht den Anschein, als wolle sie diese Mitgliedschaft in allzu naher Zukunft kündigen.

Vor einer Woche hielten die Abfahrerinnen in Bad Kleinkirchheim einen Trainingslauf ab, das Training war fast zu Ende, die meisten gaben im Zielraum bereits Interviews, nur einmal hielten sie inne und schauten Richtung Ziellinie: als Rebensburg heranrauschte. Sie hatten im DSV nach dem Rücktritt von Maria Höfl-Riesch damit gerechnet, dass Rebensburg ein Stück weit die Bilanz korrigieren würde. Aber dass sich die 25-Jährige in den schnellen Wettbewerben derart rasch den vorderen Rängen nähert, damit hatten sie dann doch nicht kalkuliert.

DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier bescheinigte Rebensburg in Cortina dann auch "eine sehr positive Entwicklung". Die 25-Jährige ist noch weit davon entfernt, die Leerstelle zu füllen, die Höfl-Riesch hinterlassen hat, doch ihr Einfluss im (Gesamt-)Weltcup wächst derzeit mit jeder Woche, auf und neben der Piste, wo das Licht der Öffentlichkeit etwas heller auf sie scheint. Rebensburg sieht sich noch immer in erster Linie als Sportlerin, dann als Person des öffentlichen Interesses. Aber sie lässt die Beobachter mittlerweile ein wenig öfters teilhaben an ihrem (Seelen-)Leben als vor einigen Jahren.

"Viele Sportler verändern im Laufe der Zeit ihre Außendarstellung. Der Sport allein reicht halt nicht immer", sagte Sportdirektor Maier, hinter ihm stapfte der lebende Beleg durch den Zielraum: Lindsey Vonn. Die US-Amerikanerin war in Cortina wieder das beherrschende Thema gewesen, sie ist ja immer ein Thema, aber in diesen Wochen erhält das ganze eine historische Dimension: Ihr fehlt noch ein Sieg, um Annemarie Moser-Prölls 62 Weltcup-Siege zu egalisieren. Vonn hat nie verhehlt, dass sie diesen Rekord unbedingt auslöschen möchte.

Und dann? "Die Sicht war schlecht", sagte sie nach dem Rennen, morgen sei ein neuer Tag, am Samstag steht die nächste Abfahrt auf dem Programm. Vonn behauptete immerhin ihre Führung in der Abfahrtswertung im Weltcup, der Vorsprung auf die erste Verfolgerin ist allerdings nicht üppig.

Erste Verfolgerin dort ist übrigens Viktoria Rebensburg.

© SZ vom 17.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: