Ski-WM: Bode Miller:Aggro-Training am Strand

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Bode Miller hat sich auf die WM ganz speziell vorbereitet: mit mentalem Training, einer Reise nach Kalifornien und Startnummern-Manipulation. Seine US-Teamkollegen erinnern indes an die Mainzelmännchen.

Thomas Hummel, Garmisch-Partenkirchen

Bode Miller sah so gar nicht aus wie der Bode Miller, über den er gerade sprach. Er saß arg gekrümmt auf seinem Stuhl, bisweilen musste man fürchten, er legt sein Kinn auf die Tischplatte des Pressepodiums im Garmischer Eisstadion. Als Sascha Rearick, Trainer der Ski-Männer aus den USA, seine Fahrer für den großen Trainingsfleiß lobte und mitteilte, wie stolz er doch sei auf seine Jungs, da legte Miller den Kopf in seine Hand und fiel in einen Sekunden-Schlaf.

Ski-WM: Bode Miller
:Der Wohnmobiltyp

Skirennfahrer Bode Miller fährt mit dem Wohnmobil zu Weltcups, geht bei Olympia gerne feiern und fährt schonmal mit einem Ski die Piste herunter. Gewonnen hat er trotzdem alles.

in Bildern.

Später sprach Bode Miller, immer noch arg gekrümmt, darüber, dass er sich auf besondere Rennen inzwischen mental vorbereite. Es gebe Strecken, da versuche er schon Tage vorher bewusst zu entspannen, harmonische Gedanken zu denken, um dann locker ins Rennen zu gehen. Woanders wiederum trainiere er sich eine Aggressivität an, "manchmal denkt man dann an irgendwas Böses, was einen pusht". Und welche Art Vorbereitung habe er für die Weltmeisterschaft in Garmisch-Partenkirchen gewählt? "Die aggressive. Ich versuche seit zwei Wochen, Aggressivität aufzubauen. Jetzt habe ich Glück, dass die Verhältnisse passen."

Bode Miller ist jetzt 33 Jahre alt. Für viele ist er ein Genie auf Skiern, keiner reizt die Extreme des alpinen Skisports so aus, keiner beobachtet die Wirkungen einer exzentrischen Lebensweise derart wie der Profi aus New Hampshire. Wie schon vor einem Jahr, als er trotz zuvor mäßiger Leistungen im Weltcup bei den Olympischen Spielen in Vancouver drei Medaillen errang, will er auch bei dieser WM wieder die Weltelite überraschen. Dafür hat er sich einiges ausgedacht.

Seine spezielle WM-Vorbereitung beinhaltete zum Beispiel eine Reise nach San Diego. Mit der Tochter eine Woche am Strand spielen, in der Sonne liegen. Dass er dafür mehr als 20 Stunden vom mitteleuropäischen Winter nach Kalifornien und mehr als 20 Stunden zurückreisen musste, noch am Wochenende den Jetlag spürte? "Es war gut, nach Hause zu kommen. Jetzt will ich hochschalten für die WM, genauso wie es vor Olympia war", sagte Miller.

Ein weiteres Puzzle ist Millers manipulierte Startnummer. Die Weltcup-Besten gehen mit den Nummern 17 bis 22 ins Rennen, Miller hält diese Nummern für einen großen Nachteil. "Das macht man nur wegen des Fernsehens, damit die Zuschauer länger dabeibleiben, doch die besten Fahrer haben dadurch einen erheblichen Nachteil", glaubt er. Schon vor Olympia fuhr er manch schlechtes Ergebnis ein oder ließ Rennen aus, um eine frühere Startgruppe zu bekommen.

Das hat er auch für Garmisch wieder geschafft, Miller startet am Mittwoch im Super-G (11 Uhr) mit der Nummer elf. Dass er zu den Schnellsten gehört, bewies er trotz Jetlags am Samstag in Hinterstoder, als er hinter den Österreichern Hannes Reichelt und Benjamin Raich Dritter wurde.

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Danach nutzte er das Endspiel um die Meisterschaft im American Football, um noch ein wenig Aggressionen aufzubauen. Der Super Bowl in der Nacht zum Montag verlangte alles von ihm ab, seine Stimme am Dienstagnachmittag wirkte immer noch belegt. "Too much yelling and drinking" - zu viel geschrieen und getrunken habe er. Ganz der alte Bode Miller eben, der sich in seiner Karriere durch viel yelling and drinking den Ruf des Party-Millers hart erarbeitete.

Seiner Wirkung auf Zuschauer und auch auf Teamkollegen schadet das aber nicht. Im Gegenteil. Beim Publikum genießt Miller große Sympathien, beim Parallel-Slalom in München etwa erhielt er zusammen mit Felix Neureuther den großten Jubel. Und auch seine Nachfolger im US-Team blicken fast ehrfürchtig zum großen Miller hinüber. Und versuchen offenbar, ihn in seiner Exzentrik noch zu übertreffen.

Zwischen Miller und Trainer Rearick saßen am Pressetisch die jüngeren Skifahrer Ted Ligety, Travis Ganong, Tommy Ford und Steven Nyman. Das heißt: Als Skifahrer waren sie nicht unbedingt zu erkennen. Hätte sich nicht ein ernsthaftes Gespräch über den Alpinsport entwickelt, die Meldung hätte die Runde gemacht, dass in Garmisch die Mainzelmännchen angereist sind. Vor allem Nyman, Ford und Ganong erheiterten die Runde mit übergroßen, kunterbunten Kopfbedeckungen.

Doch auch wenn Ford, 21-jährig und Elfter in Hinterstoder, von Postern Bode Millers in seinem Kinderzimmer erzählt, die Rolle des Anführers will der 33-Jährige nicht übernehmen. Veteran? "Ich weiß nicht, was ich bin, aber ich bin kein Veteran." Auf seine Erfahrung will er aber nicht verzichten und auf sein Können gleich zweimal nicht. Dass die Kandahar-Strecke nach dem warmen Wetter nun eisig ist wie ein gefrorener See, dazu hart und ruppig wie ein riesengroßes Reibeisen, kommt dem Amerikaner sehr entgegen. "Sonst wäre die Strecke eher moderat, nicht so schwer. Aber jetzt ist die Geschwindigkeit hoch, sogar in den flachen Abschnitten." Die Fahrer werden viel riskieren müssen, es seien acht, neun blinde Tore dabei, die man erst im letzten Moment sehe.

Und dass der Kurs die Mutigen und Aggressiven belohnt, zeigte am Dienstag schon Elisabeth Görgl, Siegerin im Super-G der Frauen. "Da hatte ich bei meiner mentalen Vorbereitung Glück. Das ist aufgegangen", sagte der angeblich sehr aggressive Miller. Vielleicht sollte man dem Amerikaner am Mittwoch vor dem Start besser nicht in die Quere kommen.

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