Serena Williams in Indian Wells:Zurück zum "vornehmen Lynchmob"

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Spielt nun auch in Indian Wells wieder Tennis: Serena Williams (Archivbild aus dem Dezember) (Foto: AP)
  • Nach 14 Jahren Boykott tritt Serena Williams wieder beim Tennisturnier in Indian Wells an. Sie hatte sich damals rassistisch beleidigt gefühlt.
  • Zum Eklat kam es damals beim Geschwisterduell Serena gegen Venus Williams. Die Rolle des Vaters ist dabei umstritten.
  • Ein Umdenken des Weltverbands WTA könnte zu Williams' Start in Indian Wells beigetragen haben.
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Von Lisa Sonnabend

Normalerweise lässt sich eine Tennisspielerin ein Turnier der Masters-Serie nicht entgehen. Es gibt viele Weltranglistenpunkte und noch viel mehr Preisgeld zu gewinnen. Doch Serena Williams und ihre Schwester Venus weigerten sich 14 Jahre lang, beim Turnier in Indian Wells anzutreten. Nicht, weil sie Anfang März immer verletzt gewesen wären oder andere Verpflichtungen gehabt hätten. Es ging um fehlende Wertschätzung - und, laut der Williams-Familie, um Rassismus in den USA.

Wenn am Mittwoch das Turnier beginnt, wird die Weltranglistenerste Serena Williams erstmals seit dem 17. März 2001 wieder den Center Court betreten - und damit den wohl größten Turnierboykott im Tennis beenden. "Ich habe das Vertrauen, dass die Fans in Indian Wells mit dem Spiel gewachsen sind", schrieb die Amerikanerin, als sie in einer Kolumne im Time Magazine ihre Rückkehr ankündigte: "Es war schwer für mich, diese Stunden zu vergessen, in denen ich weinend in der Umkleide gesessen habe."

Was war passiert an jenem März-Tag, an dem Serena Williams im Endspiel Kim Clijsters in drei Sätzen besiegte?

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Um das zu verstehen, muss man einige Tage weiter zurückgehen. Im Halbfinale von Indian Wells sollten damals die beiden Williams-Schwestern gegeneinander antreten. Doch Venus zog wegen einer Sehnenentzündung zurück. Vier Minuten vor Spielbeginn. Die Zuschauer waren erbost, sie vermuteten sogar, dass der Vater bestimmt haben könnte, welche Tochter die Partie gewinnen soll. Als am Finaltag Serena Williams den Platz betrat, buhten die Zuschauer die 19-Jährige aus. Als ihre Schwester und ihr Vater die Treppe zu ihrem Sitzplatz hinunterschritten, buhten sie noch lauter. Auch während der Partie hörten die Unmutsbekundungen nicht auf.

Richard Williams erhob danach schwere Vorwürfe: "Die Weißen aus Indian Wells haben uns das, was sie uns schon lange sagen wollten, zugerufen: 'Nigger, halte dich fern von hier.'" Das Merkwürdige: Journalisten, die im Stadion saßen, haben von rassistischen Rufen nichts mitbekommen. Bei den Turnierveranstaltern waren keine Beschwerden eingegangen.

Serena und Venus Williams äußerten sich zunächst nicht zu den Vorfällen, erst Tage später bestätigten sie die Version ihres Vaters. In ihrer 2009 erschienenen Autobiografie widmete die Weltranglistenerste dem Endspiel in Indian Wells ein ganzes Kapitel. Die Szenen auf dem Platz habe sie als "eine Art vornehmen Lynchmob" empfunden, schreibt sie.

In den Jahren vor dem Zwischenfall hatte Serena Williams in der kalifornischen Wüstenstadt noch viele positive Erfahrungen gemacht. 1997 gewann sie hier ihre erste Partie auf der WTA-Tour, im Doppel an der Seite ihrer Schwester. Zwei Jahre später bezwang sie im Endspiel Steffi Graf und sicherte sich ihren ersten großen Titel.

Das Turnier boykottierte Serena Williams allerdings all die Jahre konsequent. Eine Entscheidung, die nicht ohne Risiko war. Denn wenn eine Top-Spielerin ein Masters-Turnier auslässt, kann der Tennisverband WTA dies ahnden. Serena Williams schrieb in ihrem Buch dazu: "Mir ist es egal, auch wenn ich eine Million Dollar Strafe zahlen müsste, ich werde dort nicht mehr spielen."

Hier gewann sie ihr erstes großes Turnier: Serena Williams im Jahr 1999 in Indian Wells (Foto: AFP)

Doch warum hat sie nun ihre Meinung geändert? In Indian Wells habe sie damals ein Stück von sich selbst verloren, sagte Williams. Sie haderte lange, fragte sich, weshalb Rassismus in ihrem Sport nicht strenger geahndet würde. Doch über die Jahre habe sie sich nicht nur als Tennisspielerin entwickelt, sondern auch als Mensch. Sie müsse nichts mehr beweisen und habe gelernt, die Dinge nicht mehr so nah an sich heranzulassen. Sie liebe ihren Sport, erklärte Williams pathetisch: "Mit dieser Liebe in meinen Gedanken und einem neuen Verständnis, was es heißt, zu vergeben, kehre ich stolz nach Indian Wells zurück."

Was auch eine Rolle spielte: Vor wenigen Monaten fiel der russische Tennispräsident Schamil Tarpischtschew im Fernsehen mit sexistischen Sprüchen auf; er sprach von den "Williams-Brüdern". Der Tennisverband WTA belegte den Funktionär binnen einer Woche mit einer 25.000-Dollar-Geldstrafe, sperrte ihn zudem für ein Jahr - die vergleichsweise schnelle Entscheidung hat Williams beeindruckt. Rassismus hat im Tennis offensichtlich keinen Platz mehr, diese Erkenntnis sei der Auslöser für ihre Rückkehr gewesen, sagte Williams. Sie findet: "Die Dinge haben sich verändert." Serena Williams telefonierte lange mit Turnierdirektor Larry Ellison, dann wurde sie in die Teilnehmerliste aufgenommen. Die Wunde scheint verheilt.

Venus Williams, ihre ein Jahr ältere Schwester, hat dagegen auch in diesem Jahr für das Turnier abgesagt.

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