Schwimmerin Ledecky bei Olympia:"Sie schwimmt wie ein Kerl"

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Olympiasiegerin 2012, neunmalige Weltmeisterin und Inhaberin von drei Weltrekorden: Katie Ledecky. (Foto: Michael Dalder/Reuters)

Die US-Schwimmerin Katie Ledecky könnte bei Olympia in Rio richtig abräumen. Die 19-Jährige hat sich einiges bei den Männern abgeguckt.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Die Hände? Klein. Die Füße? Gerade mal Durchschnitt. Die Spannweite der Arme? Alles andere als beeindruckend. Katie Ledecky hat attestiert bekommen, dass ihr Sporttalent keineswegs auf einer genetischen Veranlagung beruht. 2012 wurde sie im Rahmen der amerikanischen Olympia-Vorbereitung ausführlich vermessen, in der Analyse stand das recht eindeutige Fazit: Ledeckys Ergebnisse seien "auffällig unauffällig".

Bruce Gemmell trainiert Ledecky, er erzählt gerne die Geschichte von der 15 Jahre alten Katie, die nicht mal drei Klimmzüge hinbekam, als er ihr Training übernahm. Trotzdem schwamm Ledecky bei Olympia in London zu Gold über 800 Meter. Und nun, vier Jahre später, sind die Hände immer noch klein, die Füße durchschnittlich - doch die inzwischen 19-Jährige ist nun neunmalige Weltmeisterin und hält drei Weltrekorde. Sie ist auf dem besten Weg, bei den Spielen in Rio richtig abzuräumen.

Noch ist es Michael Phelps, der als erfolgreichster Olympionike die US-Schwimmer anführt, doch jetzt zeigen die Plakate und Veranstaltungshefte auch Katie Ledecky. Chuck Wielgus, der Direktor des Schwimmteams USA, meint: "Die Sportgeschichte wird sich einteilen lassen in die Zeit vor ihr und nach ihr." Und überhaupt: "Wir sollten uns glücklich schätzen, in der Ledecky-Ära leben zu dürfen." Eine Ledecky-Ära - gibt es die schon?

Ledecky beginnt ihre Rennen rasant

Wie Katie Ledecky ihre Rennen konzipiert, ist tatsächlich selten in der Schwimmwelt. Dass sie schon mit der schnellsten Reaktionszeit vom Startblock fliegt, mag für ihre langen Strecken unerheblich sein - es steht aber auch für ihre innere Haltung. "Ich habe immer Angst, dass ich am Ende merke, ich habe zu viel Zeit liegen gelassen", erklärte sie der Washington Post. Und sagte dann: "Da geht es auch um das Selbstbewusstsein, zu wissen: Ich habe hart trainiert, deshalb kann ich gleich loslegen und die ganzen 800 oder 1500 Meter schnell schwimmen."

Es sind solche Gedanken, die sie herausheben aus dem Rest der Athleten. Es ist das, was Trainer Gemell meint, wenn er sagt: Was Ledecky von anderen unterscheide, sei nicht ihr Körper, sondern ihr Kopf. Bessere Zeiten schwimmen zu wollen. Egal, ob im Training oder im Wettkampf. "Wenn ihr sie in Rio seht, egal, ob sie das Rennen gewinnt oder nicht - sie wird die letzten 15 Meter gewinnen", sagt Gemmel. Weil sie das im Training auch so macht, immer wieder, in 40 Einheiten mit der gleichen Energie.

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"Ich bin ein Langstreckenschwimmer mit Sprinter-Mentalität", sagt Ledecky über sich. Dabei gelten Langstrecken - nicht nur beim Schwimmen - vielen Experten als unvereinbar mit Sprints. Man trainiert sie anders, baut andere Muskeln auf.

Doch Gemell lässt Ledecky lieber weniger Kilometer schwimmen und achtet dafür auf eine höhere Qualität. So wird Ledecky, die Spezialistin über 800 Meter, in Rio auch in der 4x100-Meter-Staffel antreten. Sie ist eine komplexe Athletin, die ihrer Sportart gerade ein Update verpasst.

Wobei, ein bisschen abgeschaut hat sie sich auch was: Ihr Armzug erinnert nicht zufällig an den von Michael Phelps. Ledeckys Jugendtrainer übte ihn mit ihr, ein kurzer Zug links, ein langer Zug rechts. Es ist eine schwierige Technik, die nur diejenigen gut hinbekommen, die einen gut trainierten Rumpf haben. Bei Frauen ist das eine Seltenheit, aber Katie Ledecky ist ja ohnehin eine Seltenheit.

Aufgeregt ist sie fast nie

"Sie schwimmt wie ein Kerl", sagt der Olympiasieger Ryan Lochte. Diese Einschätzung verwundert nicht: Ledecky trainiert fast ausschließlich mit Männern, weil sie keine Frauen mehr findet, die sie herausfordern können.

Skandale sind bei Katie Ledecky undenkbar, sie ist kein Glamourgirl, sie betet gern, mag Scrabble und Bruce Springsteen. "Sie ist ein noch besserer Mensch als ein Schwimmer", sagt Gemmel. Was die private Katie ausmacht, merkt man vor allem an einer Anekdote: Als Zweijährige saß sie einmal in der gleichen Zuschauerbox wie Michael Jordan. Als ihr Onkel sie darauf hinwies und fragte, wer der Sportler sei, antwortete sie nüchtern: Michael Jordan. Und schaute sich weiter das Spiel an. Aufgeregt zu sein, war noch nie ihr Ding. Eine Fähigkeit, die sie in den nächsten paar Tagen gut gebrauchen kann.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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