Rugby:Fidschi feiert eine Woche lang

Lesezeit: 3 min

Ein Fidschi-Fan feiert die Goldmedaille in Rio. (Foto: Robert F. Bukaty/AP)

Die Rugby-Männer aus dem Südpazifik holen das allererste Gold für den Staat mit den 332 Inseln. Auf den 110 bewohnten herrscht nun der Ausnahmezustand.

Von Johannes Kirchmeier

Um Punkt zehn Uhr Ortszeit schlossen am Freitag auf den Fidschi-Inseln die Banken, die Angler stiegen aus ihren Booten, und die Läden verkauften keine Lebensmittel mehr. Das mussten sie aber auch nicht mehr tun. Weil um Punkt zehn Uhr Ortszeit in Fidschi schaute eine ganze Nation fern. Sie verfolgte das Rugby-Finale bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro. Fidschi traf auf seine einstige Kolonialmacht Großbritannien - und gewann 43:7 (29:0). Es war die erste Olympia-Medaille für die Inselnation. Nachdem es gleich die erhoffte goldene wurde, haben die Läden danach selbstredend nicht mehr aufgemacht.

Die knapp 900 000 Einwohner des Landes katapultierte der historische Sieg 14 000 Kilometer entfernt in den Feiermodus. "Das ist die Mannschaft einer ganzen Nation", sagte Trainer Ben Ryan, ein Engländer aus Wimbledon, der Fidschi seit drei Jahren trainiert: "Alle werden von unserer Leistung begeistert sein." In der Hauptstadt Suva zündeten die Fans Feuerwerke und feierten wahlweise auf Auto- oder Hausdächern, die Party könnte bis in die nächste Woche andauern. Zudem erklärte die Regierung den 22. August 2016 zu einem nationalen Feiertag.

Denn in Fidschi, nördlich von Neuseeland und östlich von Australien gelegen, ist der Sport mit dem eiförmigen Spielgerät der Nationalsport. Die Kids kicken und tragen in ihrer Freizeit auf den 110 bewohnten der 332 Inseln statt Bälle Eier mit Gummioberfläche und kleinen Noppen darauf oder einfach nur Plastikflaschen durch die Gegend. "Wenn ich eine Stunde zur Arbeit fahre, sehe ich 50 Dörfer, in denen permanent Rugby gespielt wird", sagt Ryan. Daher freute sich Fidschi schon vor den Spielen über die Wiederaufnahme des Sports. Rugby ist ja erstmals seit 92 Jahren olympisch vertreten, aber nicht in der gebräuchlicheren 15-Mann-Variante, sondern in der Siebener-Variation - ein Glücksfall auf dem Weg zum ersten Gold für Fidschi: Denn mit sieben Spielern sind sie amtierender Weltmeister - und warum, das zeigten sie nun drei Wettbewerbstage lang.

Viel flinker als die Gegner spurteten sie über den Rasenplatz von Deodoro, gewannen alle sechs Spiele - am eindrucksvollsten freilich das Finale vor 10 300 Zuschauern, in dem sie die zuvor ebenfalls fünfmal siegreichen Briten nicht einmal am Triumph schnuppern ließen. Nach 54 Sekunden glückte Osea Kolinisau der erste Versuch, das 5:0 bauten der Kapitän und seine Teamkollegen bis zur Halbzeit auf ein 29:0 aus, Großbritannien schaffte es in diesen ersten zehn Minuten nicht ein einziges Mal über die Mittellinie. "Die Jungs waren phänomenal", lobte ihr Trainer.

Prinzessin Anne überreicht die Medaille

Sowohl gedanklich, als auch körperlich waren die Fidschianer viel flinker. Und Zugriff, die im Fußball viel zu oft bemühte Floskel, die es im Rugby ja wortwörtlich tatsächlich braucht, bekamen die Briten überhaupt nicht: Einmal flitzte ein Fidschianer links neben der Siebener-Reihe der Briten vorbei, dann wieder rechts. Es wirkte fast so, als wären nur die Briten die stämmigen Kraftpakete, die es fürs Rugby braucht. Dabei tragen die Hünen aus Fidschi ebenfalls jeweils Körper von 80 bis 112 Kilogramm über den Platz, sie schafften es am Freitag nur leichtfüßiger.

Was auch am Gold-Plan von Ben Ryan liegen könnte, der vor seinem Engagement im Pazifik sechs Jahre lang die englische Nationalmannschaft betreute: Wie ein Drill Instructor der US Army stellte Coach Ryan sein Team auf Olympia ein. Die Spieler mussten Diät halten. Der 1,98 Meter große und vormals 119 Kilo schwere Leone Nakawara soll etwa sieben Kilo abgespeckt haben. Zudem führte Ryan Alkoholkontrollen ein und setzte ein zwischenzeitliches Handy-Verbot durch.

All das führte Ryan ein für das Ziel, eine Einheit zu formen, die den Olympiasieg schaffen sollte. Was wunderbar klappte: Statt groß für sich alleine in Cristiano-Ronaldo-Posen zu jubeln, stand da am Freitag nach dem Sieg ein Spielerkreis, der die Rugby-Hymne "Vanua domoni" sang. Ryan verzichtete dabei auch auf prominente Hilfe: Den ehemaligen American Footballer Jarryd Hayne, der in der US-amerikanischen Profiliga NFL für seinen großen Traum, für Fidschi im Rugby antreten zu können, pausierte, ließ Ryan zu Hause - zu stark war der Rest des Teams.

Und so wie die Briten während des Finales über diese starken und äußerst flinken Fidschianer staunten, staunten sie nach der Partie und silberbehangen dann über eine besondere olympische Geste bei der Siegerehrung: Denn da ging ein Gewinner nach dem anderen demütig und unter großem Beifall in der Arena in Deodoro auf die Knie und senkte den Kopf, während die britische Prinzessin Anne den ersten Rugby-Olympiasiegern seit 92 Jahren die goldenen Plaketten umhängte.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Olympia
:Turnerin Biles verdreht ihrem Sport den Kopf

Sie ist 19 - und wohl schon bald die erfolgreichste US-Turnerin der Geschichte. In der Nacht gewann Simone Biles ihr zweites Gold. Sie revolutioniert eine ganze Sportart.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: