Rücktritt von Thomas Morgenstern:Absprung geschafft

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Thomas Morgenstern, einer der begabtesten Vertreter in der Geschichte des Skispringens, hat seine Karriere beendet. (Foto: dpa)

Wie viele Stürze kann ein Skispringer verkraften? Olympiasieger Thomas Morgenstern beendet seine Karriere. Nach teils schweren Verletzungen ist dies auch ein Sieg der Vernunft. Der Olympiasieger kann die unkalkulierbaren Risiken seines Sports nicht länger weglächeln.

Von Thomas Hahn

Bei den Olympischen Spielen in Sotschi umgab den Skispringer Thomas Morgenstern die Aura eines Geretteten. Er hatte es noch mal geschafft, sich auf die Beine zu bringen, nach einem Sturz von der Skiflugschanze am Kulm, den andere wahrscheinlich als Signal zum Aufstecken gedeutet hätten.

Vier Wochen lagen nur zwischen seinen ersten Sprüngen in Esto Sadok und jenem Missgeschick auf der Skiflugschanze am Kulm, bei dem es ihm nach dem Absprung die Ski verrissen hatte und er aus großer Höhe auf den harten Aufsprunghang geprallt war.

Morgenstern sprang in Sotschi, als hätte er nicht vor Kurzem erst mit Schädeltrauma und Lungenquetschung auf der Intensivstation des Unfallkrankenhauses von Salzburg zugebracht, später gewann er mit dem Team Silber. Typisch Morgi, dachten die Leute. Unkaputtbar, ein Terminator des Schanzensports. Aber natürlich stimmte das gar nicht, Morgenstern selbst wusste es am besten.

Irgendwie kommt dieses Ende daher wie ein Triumph

Thomas Morgenstern, 27, aus Villach, Olympiasieger, Weltmeister, Vierschanzentournee-Gewinner, einer der begabtesten Vertreter in der Geschichte seines Sports, hat am Freitag seine Sportler-Karriere beendet. Und es ist seltsam, irgendwie kommt dieses Ende daher wie ein Triumph. Morgenstern galt früh als der ungestüme Jungspund, der seinen aggressiven Absprungstil auch dann nicht zügelte, wenn der Wind um den Bakken Walzer tanzte.

Mit 16 holte er seinen ersten von insgesamt 23 Weltcupsiegen, mit 17 wehte ihn der finnische Sturm in Kuusamo so heftig aus der Bahn, dass man im ersten Moment dachte, der Morgenstern steht nicht mehr auf. Als er dann drei Wochen später doch wieder konkurrenzfähig war und mit seinem Kärntner Charme die Angst vor dem Skispringen weglächelte, entstand der Mythos, Morgenstern sei unempfindlich gegen alle Launen des Betriebs.

Die Wahrheit sah wohl schon damals anders aus. Das hat er in der vergangenen Saison bei der Vierschanzentournee gesagt, als er wenige Wochen zuvor in Titisee-Neustadt auch schon schmerzhaft gestürzt war. Und jetzt also der Rücktritt, weil er nicht mehr so tun mag, als könne man immer stark sein dort oben auf den Türmen des Fernsehsports Skispringen.

"Wenn du auf dem Balken sitzt und denkst, dass die Bindung aufgehen könnte, sind das schlechte Voraussetzungen", hat Thomas Morgenstern auf einer Pressekonferenz in Salzburg gesagt. "Ich habe alles darangesetzt, wieder mein Selbstvertrauen zu finden und dorthin zurückzukommen, wo ich einmal war. Das ist mir nicht gelungen."

Es gehört auch ein Mut dazu, sich diese Erkenntnis zuzugestehen, gerade für den Siegertypen Thomas Morgenstern, der lange ganz gut gelebt hat von seinem Image als Kämpfer und Risikospringer. Vielleicht sogar mehr Mut, als die nächste Verrücktheit zu wagen. Die Vernunft hat gewonnen, Thomas Morgenstern zeigt mit seinem Karriere-Ende, dass es für ihn noch ein Leben neben dem Sport gibt. Er ist gerettet.

© SZ vom 27.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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