Roger Federer beim Davis Cup:Hauptsache rot

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Er hat den Davis Cup spät zu schätzen gelernt, nun steht er im Finale: Roger Federer. (Foto: dpa)

Der Davis Cup ist die letzte große Trophäe, die Roger Federer in seiner Karriere noch fehlt. Nun steht er mit dem Schweizer Team im Finale - und findet den Wettbewerb nun wesentlich angenehmer als früher.

Von Matthias Schmid, Genf/München

Roger Federer war elf Jahre alt, als er die Bilder vom Davis-Cup-Finale 1992 in Schweizer Tennismagazinen sah; er war noch zu jung, um das Endspiel gegen die USA mitten in der Nacht im Fernsehen live ansehen zu dürfen. Auf den Bildern sah er den Olympiasieger Marc Rosset und Jakob Hlasek in Fort Worth/Texas mit Cowboy-Hüten herumalbern, und er sah die amerikanische Mannschaft, er sah Pete Sampras, Andre Agassi, Jim Courier und John McEnroe.

"Es war ja fast unfair, mit einem derart guten Team anzutreten", sagt Federer heute. Die Schweizer mussten sich in ihrem ersten Davis-Cup-Finale 1:3 geschlagen geben. Ein derart formidables Team wie die Amerikaner damals haben die Schweizer in der diesjährigen Kampagne zwar nicht, aber es ist mit ihm und dem Australian-Open-Sieger Stan Wawrinka so gut besetzt, dass sie 22 Jahre nach Rosset und Hlasek wieder das Endspiel dieses wichtigsten Mannschaftswettbewerbs im Tennis erreicht haben. Gegner wird Frankreich sein, das gegen Tschechien gewann und Ende November auf heimischen Boden in Lille antreten darf.

Infernalischer Lärm nach Federers entscheidendem Punkt

Als Federer am Sonntag seinen ersten Matchball gegen den Italiener Fabio Fognini zum 6:2, 6:3, 7:6 (4) verwandelte und der 3:1-Gesamtsieg feststand, war der Lärm so infernalisch, dass die Menschen ihn am Abend noch in den Ohren hatten. Ein vergleichbarer Enthusiasmus für eine Sportart ist in der Schweiz eher ungewöhnlich, die Eidgenossen gehen mit ihren Sportlern in der Öffentlichkeit so zurückhaltend und diskret um wie ansonsten nur mit Bank-Schließfächern.

In Genf war an diesem Wochenende alles anders. 4000 Zuschauer wollten sich schon das erste Training von Federer und Wawrinka in der Palexpo-Halle 6 zu Beginn der Woche ansehen. "Wahnsinn, was hier los ist", teilte der 17-malige Grand-Slam-Gewinner über Twitter mit. An den drei Spieltagen füllten dann 18 400 Zuschauer die Halle, täglich versteht sich. Nur das Arthur-Ashe-Stadion in New York fasst von den permanenten Tennis-Arenen mehr Menschen.

Davis Cup
:Federer bringt die Schweiz ins Finale

Erstmals in seiner Karriere erreicht Roger Federer das Finale im Davis Cup: Der 33-Jährige gewinnt gegen den Italiener Fabio Fognini und holt den entscheidenden dritten Punkt für die Schweiz.

Es ist eine ungewöhnliche Konstellation, die sich in diesem Jahr entwickelt hat. Erstmals stehen in Federer (3.) und Wawrinka (4.) zwei Schweizer unter den besten Vier der Weltrangliste. Und beide kommen in diesen Wochen ihrem höchsten Niveau zudem sehr nahe. "Es ist ein Glücksfall für uns, dass wir zwei Heimspiele nacheinander hatten", sagte Federer, "für uns ist das Halbfinale gegen Italien wie ein vorweggenommenes Endspiel gewesen."

Nicht nur Federer spielte gegen Italien im roten Jersey, die Halle war ein einziger riesiger roter Fleck. Alle Besucher hatten rote Leibchen übergezogen, es waren Fußball-Shirts darunter, Eishockey-Trikots, notfalls musste auch ein Hemd des FC Bayern München herhalten - Hauptsache rot, Hauptsache in der Schweizer Nationalfarbe. Das Wir-Gefühl war nie größer.

Und die Zuschauer ließen sich auch nicht von den hohen Preisen abhalten. Tickets für einzelne Tage waren erst gar nicht auf den Markt, nur Dreitagespässe, die günstigsten kosteten 190 Franken, knapp 160 Euro. Niemand wollte sich die Partie entgehen lassen, die "Götter des Courts, die auf Genfer Boden herabgestiegen sind", wie die Zeitung Tribune de Genève pathetisch schrieb.

Federer hat den Davis Cup zu schätzen gelernt

Auch Federer bemühte historische Vergleiche, um das Erlebte angemessen zu beschreiben. Die Schweiz habe in den vergangenen 50 Jahren nicht viele Erfolge ihrer Mannschaften erlebt. "Wir reden heute noch sehr viel über das Finale gegen die USA", erklärt der 33-Jährige: "Für uns wäre es ein Traum, wenn die Menschen auch noch in 50 Jahren über uns sprechen würden."

Die Zuneigung, die neue Lust für den Davis Cup war bei dem Basler selten so ausgeprägt wie in diesem Jahr. Erst mit zunehmendem Alter hat er den Wettbewerb wieder zu schätzen gelernt; früher empfand er ihn eher als störend für seine Einzelkarriere. Er spielte vor allem dann, wenn die Gefahr bestand, dass das Team aus der Weltliga absteigen könnte. Aber in diesem Jahr reizte ihn die Aussicht, mit seinem Freund Wawrinka, mit dem er 2008 Olympia-Gold im Doppel errang, den einzigen noch fehlenden großen Titel seiner Karriere gewinnen zu können.

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Sie stehen nun kurz davor, obwohl hinter ihnen eine große Lücke klafft. Es gibt keinen weiteren Spieler, der auf diesem Niveau mithalten kann, Marco Chiudinelli kommt ihnen noch am nächsten, als Nummer 161 der Weltrangliste. "Wir fahren nach Lille, um dort zu gewinnen", sagt Federer. Er muss sich diesmal nicht mehr mit Fotos begnügen, er wird mittendrin sein.

© SZ vom 15.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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