Rebellin und Schumacher positiv:Das Bild wird klarer

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Die nächsten Positivtests von Stefan Schumacher und Davide Rebellin legen Systemdoping beim einstigen Gerolsteiner-Team nahe.

Andreas Burkert

Der Ton war seit einiger Zeit schon schärfer geworden in den allgemeinen Betrachtungen zum einstigen Profiradteam Gerolsteiner, und das natürlich aus gutem Grund. Doch so kompromisslos wie am Mittwoch fielen die Urteile bisher nicht aus. "Gerolsteiner-Erfolgsgeschichte nur ein Schwindel" überschrieb etwa der Sportinformationsdienst die Meldungen zum aktuellen Dopingfall des Davide Rebellin, der wie auch sein mehrjähriger Mannschaftskollege Stefan Schumacher in den Nachtests von Kontrollen bei Olympia in Peking positiv auf das Blutdoping-Mittel Cera getestet worden ist.

Bei der Tour de France 2008 strahlten Bernhard Kohl (links) und Stefan Schumacher noch, danach wurden beide positiv getestet. (Foto: Foto: dpa)

Die Vermutung, dass hierzulande nicht nur beim früheren Mitbewerber Team Telekom, sondern auch bei der Eifeler Radlergruppe systematisch mit verbotenen Beschleunigern nachgeholfen wurde, ist freilich schon länger naheliegend gewesen.

Von Einzelfällen konnte ja wirklich nicht mehr die Rede sein angesichts einer Serie von Positivproben und Verdachtsmomenten. Das Lügengebilde einer angeblich mit Sprudel betriebenen Profiflotte stürzte spätestens vergangenen Sommer ein, als Schumacher und Kollege Bernhard Kohl in Tests von der Tour de France 2008 ebenfalls mit der Epo-Variante Cera aufflogen.

Während Austrias gefallener Held Kohl gestand und inzwischen zur Enttarnung des Doping-Netzwerkes um das einstige Wiener Labor Humanplasma und den weiterhin inhaftierten Landsmann und Sportmanager Stefan Matschiner beitrug, beharrte Schumacher, 27, bisher auf angebliche Verfahrensfehler der französischen Antidoping-Agentur.

Nachdem die AFLD und auch der Weltverband UCI den Schwaben im Februar für zwei Jahre sperrten, legte der Gewinner der beiden Tour-Zeitfahren vor drei Wochen Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne ein.

Vermutlich wird er aber zunächst die B-Probe beantragen, wie dies bereits Davide Rebellin, 37, vornahm. Wie in der Causa Schumacher der nationale Verband BDR, bestätigte bei Rebellin das Nationale Olympische Komitee Italiens die positive A-Probe aus Peking, während der Delinquent in bekannter Manier alles abstritt. Gattin Selina, eine gelernte Juristin, versicherte, ihr Mann sei unschuldig, "Davide hat nichts getan- wir werden bis zuletzt kämpfen."

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Hans-Michael Holczer dagegen, der Manager und Besitzer des Rennstalls, der im Herbst wegen vergeblicher Sponsorensuche nach einem Jahrzehnt dichtgemacht hatte, verzichtete zumindest in der Sache Rebellin auf routinierte Abschirmdienste. "Davide war ein Stück weit noch meine Hoffnung, dass er es auf ehrliche Weise geschafft hat", äußerte der Lehrer aus Herrenberg. Dass Holczer indes ausgerechnet dem zierlichen Silber-Gewinner von Peking bis zuletzt vertraut haben will, ist mit Naivität wohl kaum noch zu erklären.

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Rebellin war ja schon 2001 schwer belastet worden, ein Ermittler-Video zeigte ihn damals in der Praxis des einschlägig bekannten Sportarztes Enrico Lazzaro, angeblich mit verbotenen Mitteln. Rebellin, der Italiens Ermittlern in den Vergangenheit offenbar Anlass für zahlreiche Hausdurchsuchungen lieferte, wurde nur deshalb nicht belangt, weil das Video zuvor im Staatsfernsehen gezeigt worden war.

Holczer, der als Doping-Bekämpfer auftrat, hielt dennoch mit seltsamer Treue fest an Rebellin, der 2004 die drei Ardennen-Klassiker Amstel Gold, Lüttich - Bastogne und den Flèche Wallone gewann. Und auch Teamarzt Ernst Jakob behielt Holczer an Bord, obwohl dieser aus Sicht eines vermeintlichen Antidoping-Kämpfers als angreifbar hätte gelten müssen.

Denn Jakob betreute einst bei den Teams Coast und Bianchi den später überführten Fuentes-Kunden Jan Ullrich, er arbeitete 15 Jahre eng mit dem Freiburger Olympia-Arzt Joseph Keul zusammen, dem Nähe zum Doping nachgesagt wurde; und Jakob - der Dopingvorwürfe stets bestritt - irritierte 2006 als DSV-Arzt, als er erhöhte Blutwerte bei der Langläuferin Evi Sachenbacher während der Turiner Winterspiele mit einer genetischen Disposition erklärte - Experten und auch der Cas diese Annahme dann aber zurückwiesen.

"Seit den Fällen Kohl und Schumacher glaube ich an nichts mehr. Wir haben alle den Fehler gemacht, uns die Leistungen als plausibel zu erklären", sagte Holczer am Dienstag. Jörg Jaksche, der geständige Dopingsünder und Kronzeuge aus Ansbach, kann sich dagegen "nicht vorstellen, dass die Mannschaftsleitung von all diesen Dingen nichts gewusst hat". Mit Blick auf ein System Gerolsteiner findet Jaksche: "Das Bild wird immer klarer."

Unklar bleibt einstweilen, ob - wie bei Kohl und womöglich auch Schumacher - die Spur Rebellins ebenso nach Wien führt. Doch laut Zeugenaussagen sollen neben bereits genannten Winter- und Ausdauersportlern und früheren Radprofis des Teams Rabobank wie Michael Rasmussen, Michael Boogerd, Denis Mentschow und Thomas Dekker sowie einem belgischen Weltmeister auch zahlreiche Fahrer aus Italien, darunter angeblich ein Olympiasieger, die nur wenige Autostunden entfernte Blutstation aufgesucht haben.

© SZ vom 30.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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