Real Madrid:Bestatter auf Abruf

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Da hilft kein Beten und kein Betteln: Cristiano Ronaldo und Real erlitten die erste Saison-Niederlage. (Foto: Marcelo Del Pozo/Reuters)

Schon nach der ersten Niederlage - einem 2:3 beim FC Sevilla - gerät Real Madrids neuer Trainer Rafael Benítez unter Druck.

Von Oliver Meiler

Eine Niederlage, eine einzige in 15 Pflichtspielen, sollte ja mal erlaubt sein, selbst bei Real Madrid. Zumal gegen den FC Sevilla, nicht eben ein provinzieller Bolzverein, und in dessen Stadion, dem gefürchteten Sánchez Pizjuán, wo in dieser Saison schon Barça stürzte. Und sie fiel nicht einmal so deutlich aus, numerisch wenigstens: 2:3. In der Liga steht man auf Platz 2, in der Champions League ist man durch. Aber eben, Madrid, das Madrid Reals, ist ein unwirtliches Habitat für Verlierer. Niederlagen zehren und nagen immer gleich an der ganzen Legende, der Historie, der Glorie. "Man sah es kommen", schreibt die Sportzeitung Marca, das Hausorgan der "Blancos", groß über ihre erste Seite. Und auf den hinteren Seiten: "Der totale Ruin."

Vielleicht einen Tick übertrieben? Nun, der Unmut gärt schon länger, eigentlich seit dem Saisonstart oder gar schon davor. Als Real Rafa Benítez zum Trainer machte, einen Mann mit dürftigem Ansehen im eigenen Land und wenig Sinn für spielerische Avantgarde, kam es der Anhängerschaft so vor, als bestatte der Klub da mutwillig seine eigenen Ambitionen. Schon vor dem ersten Spiel kritisierte man Benítez als Langweiler, als Programmdirektor ohne Ideen. Und tatsächlich tritt Real unter ihm meist platt auf, vorsichtig bis zum Stillstand. Etliche Stars bewegen sich auf bescheidenem Leistungsniveau, auch Toni Kroos, der sich in den vergangenen Jahren der Elogen kaum erwehren konnte.

Wenn es bislang dennoch immer gerade für einen Sieg oder ein Unentschieden gereicht hatte, dann gehörte der Dank stets Keylor Navas, dem Torhüter aus Costa Rica, den man im Sommer gerne weggegeben hätte. Nur drei Tore kassierte Navas in zwölf Spielen. Gegen Sevilla stand mal wieder sein Stellvertreter Kiko Casilla im Tor.

Am meisten beunruhigt aber natürlich das Formtief von Cristiano Ronaldo, er leidet an einem Spannungs- und Lust- abfall der denkwürdigen Sorte. El Mundo nennt CR7 schon CR3,5. Der Portugiese erzählt zwar allen, dass er sich für den Besten der Welt hält. Nun kam auch noch der Dokumentarfilm über sein Leben in die spanischen Kinos, der den Topos zementiert. Doch irgendwie klingt dieses Geprotze wie Trotz. Ronaldo leidet darunter, dass man ihm in Madrid nicht gebührend huldigt, nicht so, wie er das für gebührlich hielte.

Und so gibt nun eine Szene viel zu reden, die sich nach dem Sieg Reals über Paris Saint Germain vor einigen Tagen zutrug. Ronaldo näherte sich Laurent Blanc, dem Trainer der Gäste, fasste ihn an der Schulter und flüsterte ihm mindestens zwei kurze Sätze ins Ohr, worauf den Angeflüsterte lächelte. Zum Gruß tätschelte Ronaldo Blanc die Wange, die Kameras filmten. Die französische Zeitung Le Parisien will erfahren haben, dass Ronaldo Folgendes sagte: "Ihr habt sehr gut gespielt. Ich würde gerne mit Ihnen arbeiten." Für 100 oder 120 Millionen Euro, so spekuliert man nun da und dort, wäre ein Transfer möglich. Ronaldo würde am Hof des Emirs aus Katar wohl Zlatan Ibrahimovic ersetzen als Posterboy von PSG. Dementieren mag er nicht.

Es liegt also gerade viel im Ungefähren, "in Trümmern", um es mit Marca zu sagen. Und in der nächsten Meisterschaftsrunde, am 21. November, steigt der erste Clásico der Saison, Real vs. Barça, Zweiter gegen Erster. Die Katalanen werden wohl wieder ohne Lionel Messi antreten müssen, der sich noch immer von seiner Knieverletzung erholt. Doch die Statthalter Neymar und Luis Suárez helfen Barcelona gerade mit vielen Toren über den Phantomschmerz hinweg. Verliert Real, könnte Benítez Schicksal schon gezeichnet sein. Nach zwei Niederlagen. Manche sehen es bereits kommen.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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