Radsport: Team Milram:Es muss Freiburg sein

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Das Gerolsteiner-Erbe und der Aushilfseinsatz eines früheren Freiburger Telekom-Arztes belasten das Team Milram, die letzte deutsche Profi-Mannschaft im Radsport.

Andreas Burkert

Der deutsche Radsport hat sich am Tag der Arbeit auf dem Parkplatz eines Möbelzentrums in Eschborn versammelt, an die Menschen im Verkehrschaos an der A66 werden rote Babysocken verteilt. Ein paar hundert Menschen sind gekommen, um den Neustart des einstigen Henninger-Rennens zu verfolgen, das wegen der neuen Sponsoren in die Peripherie der Mainmetropole ausweichen und sich Eschborn-Frankfurt City Loop nennen muss.

Das Team Milram beim Mannschaftszeitfahren während der Tour de Romandie. (Foto: Foto: AP)

Vorne auf der Bühne winken als letzte die Fahrer des deutschen Monopolisten ins Publikum, Team Milram stellt ja mittlerweile die einzig verbliebene Profimannschaft hierzulande. Es werde schwer, spricht der deutsche Meister Fabian Wegmann, ins Mikrophon. Aber ein Sieg sei Pflicht, "klar, wir müssen gewinnen".

In Erklärungsnot war die Milram-Mannschaft intern geraten wegen ausbleibenden sportlichen Erfolgs, nur drei kleine Siege standen bis zum als Erlösung empfundenen Sieg von Wegmann beim Abschluss der Frühjahrsrennen am Freitag in Frankfurt in der Bilanz. Doch spätestens seit den nächsten Positivproben der früheren Gerolsteiner-Kapitäne Stefan Schumacher und Davide Rebellin, die beide bei Olympia in Peking positiv auf die Epo-Variante Cera getestet wurden, drängen sich nicht nur sportliche Fragen auf. Mindestens ebenso interessant ist ja inzwischen: Wie viel Gerolsteiner steckt in Milram?

Gerry van Gerwen, der niederländische Teammanager des Rennstalls, kann das genau beziffern, "15 Leute sind es", rechnet er vor, "inklusive der acht Fahrer, die wir übernommen haben". Van Gerwen, der einen Sponsorenvertrag bis 2010 mit dem Bremer Nordmilch-Konzern besitzt, hat eigentlich einen jungen und sauberen deutschen Rennstall aufbauen wollen mit dem Erbe aus der Konkursmasse des Teams Gerolsteiner, das dichtmachen musste. Doch angesichts der anhaltenden Enthüllungen über Gerolsteiner scheint nicht ausgeschlossen zu sein, dass van Gerwen auch Teile eines Dopingsystems übernommen hat.

Neben Fahrern wie Wegmann oder Markus Fothen sind auch diverse Betreuer zu ihm gewechselt, darunter Sportchef Christian Henn - und der langjährige Teamarzt Mark Schmidt aus Erfurt, der auch vergangenen Sommer für die Eifeler Sportgruppe bei der Tour de France weilte - wo Schumacher und auch der Gesamtdritte Bernhard Kohl in Nachtests mit Cera im Blut erwischt wurden.

Dass Schmidt zumindest zu hinterfragen wäre, hat van Gerwen wohl spätestens beim City Loop begriffen. Jedenfalls verwies der Teamchef auf seinen Arzt, als man ihn in Frankfurt am Abend vor dem Rennen mit dem handschriftlich auf dem Mannschaftsbogen notierten Mediziner konfrontierte, der im Hotel aushing: "Blum - Zimmer 410." Den Nothelfer für das Frankfurter Rennen habe Mark Schmidt ihm empfohlen, sagt Gerry van Gerwen. "Ich habe ihn nicht gekannt."

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Andreas Blum dürfte allerdings von einer Mannschaft, die sich einer sauberen Zukunft widmen möchte, nicht mal für sporadische Betreuerdienste angeheuert werden. Der Stuttgarter Mediziner gehörte ehedem der Ärzteclique der inzwischen enttarnter Sportmedizin an der Freiburger Uniklinik an.

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Deren Klinikärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid versorgten jahrelang das Dopingsystem, und nach den weiterhin gültigen Recherchen der Freiburger Untersuchungskommission um den früheren Richter Hans-Joachim Schäfer gehörte auch Blum zu den Sportmedizinern, die vom Telekom-Radrennstall, an der Klinikleitung vorbei, entlohnt wurden.

Im Fall Blum, der Freiburg und den Magenta-Stall 2006 verließ, "um einen klaren Schnitt nach der Affäre Jan Ullrich zu machen", wie er vor einem Jahr auf SZ-Anfrage äußerte, sollen es 40.000 Euro gewesen sein. Blum wiederum betonte, er habe nur "Reisekosten erstattet bekommen", auch sei er "nie an Dopingpraktiken beteiligt" gewesen. Blum heuerte allerdings 2007 beim Team Astana an - bis er samt der Skandaltruppe wegen des aufgeflogenen Dopingsünders Alexander Winokurow (vorher Telekom) von der Tour de France flüchten musste.

Gerry van Gerwen sagt, Blum habe in Frankfurt erstmalig und nur wegen eines Engpasses "ausgeholfen". Vier Tage vor dem Rennen habe Teamarzt Schmidt den Tipp gegeben; so viele Sportärzte, die sich im Radsport auskennten, gebe es leider nicht. Und so muss es wohl stets ein Guru aus Freiburg sein. Im deutschen Verband ist das ja nicht anders, dort wird Yorck Olaf Schumacher seit einiger Zeit offiziell als "BDR-Koordinator Medizin/Verbandsärzte"geführt - trotz der auffälligen Nähe des Freiburger Mediziners zu diversen Dopingaffären. Schumacher bestreitet allerdings ebenfalls jegliche Beteiligung an Dopingpraktiken.

Der Notnagel Blum, der alte Gerolsteiner-Arzt Schmidt, durch dessen Hände die Schumachers, Kohls oder Rebellins gingen - müsste van Gerwen derlei Personalien in diesen Zeiten, da der Radsport aus gutem Grund an die Peripherie gedrängt wird, nicht seriöser hinterfragen? Zumindest die Causa Blum ist ihm unangenehm, der Holländer sagt: "Nenne es Naivität."

Dennoch habe er nicht grundsätzlich ein ungutes Gefühl beim einstigen Gerolsteiner-Personal, das er jetzt bezahlt. "Wenn ich meinem Personal nicht vertrauen kann", sagt van Gerwen, "dann muss ich sofort aufhören - dann muss ich aussteigen."

© SZ vom 02.05.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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