Pressestimmen zu Olympia 2008:"Der Westen hat verloren"

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Olympia, ein Fest der Brüderlichkeit - oder nur ein Propaganda-Sieg für die Weltmacht China? Die Einschätzungen der nationalen und internationalen Presse im Überblick.

Pressestimmen aus Großbritannien

"China kann stolz sein": Das Olympia-Stadion in Peking. (Foto: Foto: dpa)

The Guardian schreibt: "Unbequeme Fragen wie Gefangene aus Gewissensgründen, freie Rede und Tibet drohten, die große Feier zu überschatten. Dazu ist es nicht gekommen - nicht, weil die Fragen in irgendeiner Weise beantworten worden wären. Der globale Blick verschob sich schlicht, von den Menschenrechten zu den Goldmedaillen."

Daily Telegraph schreibt: "Lasst uns richtig britische Spiele vorbereiten - Nun zieht die Olympische Fahne nach Westen. ... Der Kurzauftritt bei der Stabübergabe sah mehr nach den "Swinging Sixties" aus als der Weltstadt des 21. Jahrhunderts, die die nächsten Spiele ausrichten wird. Wenn das eine Absichtserklärung der 2012-Organisatoren ist, nicht Peking in Größe und Spektakel nachzueifern und stattdessen auf Flair und Witz zu setzen, ist das lobenswert. Als aufstrebende Supermacht hatte China das Gefühl, etwas beweisen zu müssen. London sollte ein bisschen zurückhaltender sein - im Einklang mit unserem Nationalcharakter."

Dänemark

Jyllands-Posten schreibt: "Auf Wiedersehen an die etwas zu perfekten Spiele. Man wird sich an Peking als prächtig erinnern. Aber ein Volksfest war das bestimmt nicht."

Deutschland

Der Spiegel schreibt: "Die Bilanz? In Peking wurden die drei Lebenslügen der olympischen Bewegung so deutlich wie nie zuvor: Natürlich geht es um Politik, Geld und Betrug. Vielleicht brachen die Spiele gerade deswegen alle Rekorde. (...) Tatsächlich war in Peking seit Ende vorvergangener Woche, als die Leichtathletik-Wettbewerbe im Vogelnest begannen, über Menschen- und sonstige Rechte, über Tibet und Uiguren nicht mehr viel zu hören. Der Sport deckte alles zu, und davon profitierten alle Beteiligten auf ihre Weise: die Zuschauer, die Sponsoren, die Sportler, das IOC - und die Kommunistische Partei Chinas samt ihrer Regierung. Eine wildere Win-win-Situation dürfte es in der Geschichte kaum je gegeben haben."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt: "Die Olympischen Spiele in Peking sind vorbei, nun folgt der Kassensturz. Rekorde wurden nicht nur im "Vogelnest" erzielt, sondern auch auf vielen Konten. Denn Olympia in China bewegt das große Geld. Viel Geld fließt im Land selbst und auf die Konten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der erfolgreichen Athleten und der Sponsoren. Auch wenn die Auslastung der Hotels und vieler Stadien weit hinter den Erwartungen zurückblieb, dürften die ersten Spiele in China ein wirtschaftlicher Erfolg gewesen sein.. (...) Schwer zu messen bleibt, wie das Land von der internationalen Aufmerksamkeit profitiert. "Ohne Zweifel haben die Spiele die Wirtschaft und die soziale Entwicklung Pekings vorangetrieben", sagte Chinas Präsident Hu Jintao zu Beginn Olympias. "Aber Peking macht nur einen kleinen Teil unserer Volkswirtschaft aus."

Der Tagesspiegel schreibt: "Chinas KP-Mächtige hatten mit Olympia zwei Ziele. Das eine war innenpolitisch. Eine erfolgreiche Organisation der Spiele sollte die Legitimation der KP-Regierung untermauern. Das ist geglückt. Die meisten Chinesen haben von den Protesten und Verhaftungen während der Spiele nichts mitbekommen. Nach Jahrzehnten der Armut und Wirren unter Mao Zedong wollen sie, dass China wieder seine rechtmäßigen Platz in der Welt einnimmt. Die Führung weiß das zu nutzen. Wohlstand und Nationalismus sind der Kitt, mit dem die KP das Volk an sich bindet. Das zweite und größere Ziel hat Peking jedoch verfehlt. Mit den Olympischen Spielen, von Milliarden Zuschauern weltweit verfolgt, wollte die Regierung China ein neues Image verpassen. Peking wurde zu einer hübschen Fassade. Am autoritären System änderte sich nichts."

Schweden

Svenska Dagbladet schreibt: "Ob wohl auch das staatlich kontrollierte Lachen der Chinesen mit der Schlussfeier in Peking erloschen ist?"

Niederlande

De Volkskrant schreibt: "China inszenierte alles - selbst das Wetter. Kritische Stimmen gehörten nicht dazu, dafür wurde der Welt ein roter Teppich ausgerollt."

De Telegraaf schreibt: "Zwei Wochen lang schaute die Welt in das lachende Gesicht eines vorzüglichen Gastgebers. China eroberte viele Herzen."

Im zweiten Abschnitt: "Die olympische Brüderlichkeit hat die Oberhand gewonnen": Was in Polen, Frankreich, Spanien und Italien über die Spiele geschrieben wurde.

Olympische Spiele in Peking
:Blauer Himmel, 16 Jahre, schnelles Pferd

Die Spiele sind vorbei. Zeit, einmal zu überlegen, was hier eigentlich alles passiert ist. Eine philosophische Bilanz mit Hilfe einiger alter Chinesen - und eines nicht ganz so alten Chinesen.

Christian Zaschke, Peking

Polen

Gazeta Wyborcza schreibt: "Niemand kann China aufhalten. Die Olympischen Spiele in Peking hat die Kommunistische Partei Chinas gewonnen. Der Westen hat verloren."

Frankreich

Le Figaro schreibt: "China: die neue Supermacht: Der Vorhang ist gefallen. China ist der große Sieger seiner ersten Spiele. Sein 'Hundertjähriger Traum' ist in Erfüllung gegangen. Es kann stolz darauf sein, zwei Wochen lang die heftigsten Polemiken und schärfsten Kritiken, die eine Olympiade in den vergangenen dreißig Jahren ausgelöst hat, unterdrückt zu haben. Wie durch ein Wunder haben nach der Eröffnungszeremonie Sport und olympische Brüderlichkeit die Oberhand gewonnen. Welche Auswirkungen diese Spiele auf die chinesische Gesellschaft haben wird, wird uns die Zukunft zeigen."

Libération schreibt: "China - siegreich auf der ganzen Linie. Die Freude am letzten Tag der Spiele war spürbar, aber auch die Erleichterung. Die freiwilligen Helfer weinten vor Glück, die Polizisten wirkten erschöpft."

L'Equipe schreibt: "Wie ein Feuerwerk: Nach 16 Tagen hervorragender Wettkämpfe sind die 29. Olympischen Spiele in einem gigantischen Fest zu Ende gegangen, das den Erwartungen Chinas entsprach. China ist mit 100 Medaillen, davon 51 Goldmedaillen, olympischer Weltmeister geworden. Seine Athleten, tapfere sportliche Soldaten, haben ihre Aufgabe erfüllt. Die chinesische Hymne "Der Marsch der Freiwilligen" ist ihrem Namen noch nie so gerecht geworden wie in diesen beiden Wochen."

Spanien

El País schreibt: "Die Organisation war ohne Fehl und Tadel. Die Sportanlagen, die Eröffnungs- und Abschlussfeier waren beeindruckend. Dennoch kommt man nicht umhin, die Festnahmen ausländischer Aktivisten zu bemängeln, die gegen die Lage in Tibet protestierten. Die Zusage Chinas, in Parks dürfe demonstriert werden, erwies sich als Heuchelei. Keine der beantragten Kundgebungen wurde erlaubt."

El Mundo schreibt: "Die Olympischen Spiele in Peking waren ein unbestreitbarer Erfolg für China und sein totalitäres Regime. Peking hat erreicht, was es wollte. Es hat der Welt sein Wirtschaftswunder unter Beweis gestellt und sich als eine Supermacht präsentiert, die Japan definitiv vom Spitzenplatz in Asien verdrängt hat. Für den Westen bleiben ein bitterer Beigeschmack und das Gefühl des Scheiterns. Was die Freiheitsrechte in China betrifft, hat man absolut nichts erreicht."

Italien

Il Tempo schreibt: "Der Gigantismus Chinas wird nicht zu imitieren sein."

Corriere della Sera schreibt: "China fehlt die Goldmedaille für Toleranz."

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