Premier League:Özil leidet öffentlich

Lesezeit: 3 min

"Gebt uns die Schuld, schreit uns an, kritisiert uns": Arsenals Mesut Özil. (Foto: dpa)
  • Der FC Arsenal verliert in der Premier League 0:4 beim FC Liverpool.
  • Die gute Laune, die bei den Gunners im Sommer nach den Titeln im Pokal und Supercup eingekehrt war, ist nun dahin.
  • Mesut Özil entschuldigt sich gar bei den Fans.

Von Sven Haist, Liverpool

Die acht weißen Hütchen trifft keine Schuld. Schließlich war es nicht ihre Idee, den Profis des FC Arsenal bei deren Rückkehr auf den Platz ein Spalier zu bilden. Der Fitnesstrainer Shad Forsythe hatte die Orientierungshilfen nach der Halbzeitpause in gleichen Abständen zueinander aufgereiht, vier Hütchen auf der linken und vier auf der rechten Seite. Mit Trippelschritten absolvierte Alex Oxlade-Chamberlain den Parcours, ein paar seiner Teamkollegen machten es ihm nach. Die Offensivgranden in der Mannschaft hingegen, Alexis Sánchez und Mesut Özil, versuchten gar nicht erst, den Hindernissen etwas abzugewinnen. Beide liefen an den Hütchen vorbei. Zu interessieren schien das bei Arsenal niemanden: Forsythe verfolgte das Geschehen aus der Entfernung. Und Arsène Wenger, Arsenals Cheftrainer, hielt sich noch im Kabinentrakt des Stadions auf.

Die unterschiedlichen Ausführungen der Spieler führten zu der Frage, was es mit diesem Spalier aus Hütchen nun wirklich auf sich hatte. Zierde? Oder doch eine Aufwärmübung für die Spieler? Falls Letzteres sich als richtig erweisen sollte: War das dann ein Angebot an die Profis, eine Empfehlung oder eine Vorgabe? Und einmal weitergedacht: Was bedeutet ein solches Durcheinander für taktische Anweisungen? Darf die jeder Spieler bei Arsenal auch so umsetzen, wie er möchte? Gibt es vielleicht keine? Oder kam das alles an diesem Nachmittag bloß falsch rüber?

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Nach knapp zwei Minuten erklärte Wenger die Pressekonferenz nach dem 0:4 beim Ligakonkurrenten FC Liverpool für beendet. Wengers Auftritt fiel damit so spärlich aus wie die Leistung seiner Spieler, die nicht mal einen Schuss aufs Tor zustande gebracht hatten, dafür vier peinliche Ballverluste, die Liverpools Torschützen (Firmino, Mané, Salah und Sturridge) den perfekten Abschluss einer perfekten Woche ermöglichten; in dieser hatte sich das Team ja bereits für die Champions League qualifiziert. Der ehemalige englische Nationalangreifer Alan Shearer schrieb in der Sun, dass die Darbietung Arsenals aussah, als ob Wenger elf Fremde aufgestellt hätte. Bei den fünf jüngsten Gastspielen in Anfield haben die Gunners 17 Gegentore hinnehmen müssen.

Inmitten der Tristesse sieht Mesut Özil besonders traurig aus

Die zweite Niederlage an den ersten drei Spieltagen in der Premier League lässt Arsenal vor den Länderspielen auf Tabellenplatz 16 zurück. Diese Vorlage ließ sich die Expertenriege des übertragenden Senders British Sky nicht entgehen, um hervorzuheben, was sie sowieso bei jeder Gelegenheit hervorhebt: Arsenal müsse sich nach fast 21 Dienstjahren von Trainer Wenger trennen. "Das war nicht mehr zum Anschauen. Ich wollte gehen", sagte Thierry Henry. Der ewig stichelnde Gary Neville stichelte: "Ich würde alle Spieler auf die Verkaufsliste setzen. Ein paar Tage bleiben übrig bis zum Transferschluss, um so viele wie möglich loszuwerden. Aber wer will die kaufen?"

Die gute Laune, die bei den Gunners im Sommer nach den Titeln im Pokal und Supercup eingekehrt war, ist nach der Partie in Liverpool dahin.

Inmitten der Tristesse sah Nationalspieler Mesut Özil mal wieder besonders traurig aus. Vor dem Anstoß hatten die Anhänger ihren Spielmacher noch hochleben lassen, manchmal lohnt sich ja ein Stadionbesuch allein wegen Özils Spielverständnis. Das vergrößert jedoch die Fallhöhe, wenn es dieses Spielverständnis mal nicht zu sehen gibt. Vor einer Woche tönte Steven Gerrard, noch so ein TV-Experte, der auch in Liverpools Jugendakademie angestellt ist: "Mit Özil ist Arsenal ohne Ball ein Mann weniger auf dem Platz. Ihm ist klar anzusehen, dass er mit der Verteidigung nichts zu tun haben möchte."

Gerrards Aussagen hätten als Ansporn dienen können für das Duell mit den Reds - stattdessen bestätigte Özil jeden Vorwurf. Frustriert haute er sich am Boden liegend aufs Schienbein, grätschte einen Gegenspieler um und zog sich später das Trikot übers Gesicht. Auf dem Weg zum Ausgang spendete ihm der stark spielende Nationalmannschaftskollege Emre Can Trost - Özil sah bemitleidenswert aus.

"Normalerweise bin ich zu wütend, um nach solch frustrierenden Tagen etwas zu posten, aber ich will dieses Spiel nicht unkommentiert lassen", schrieb er später auf Instagram: "Gebt uns die Schuld, schreit uns an, kritisiert uns. Gunners, es tut mir leid!" Am Dienstag treffen sich beide wieder bei der deutschen Nationalmannschaft. Die Pause in der Premier League kommt Arsenal gelegen. Sie verschafft den Gunners etwas mehr Zeit, um auf die Fragen, welche die sportliche Bankrotterklärung in Liverpool mit sich gebracht hatte, eine Antwort zu finden.

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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