Premier League:Bulldogge mit offenem Ohr

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Bastian Schweinsteiger (r.) verfolgt Daley Blind, Manchesters Torschützen zum 1:0. Schweinsteiger hatte ihm geschickt den Schussweg frei gemacht. (Foto: Carl Recine/pixathlon)

Das 3:1 von Manchester United gegen Liverpool erspart Trainer Louis van Gaal vorerst weitere Debatten über seine Menschenführung und seine Methoden. 80-Millionen-Euro-Einkauf Martial entscheidet das Spiel.

Von Raphael Honigstein, Manchester

Fußball kann sehr einfach sein, man muss sich das Spiel nur von Louis van Gaal erklären lassen. Für den Coach von Manchester United hatte seine Elf "in der ersten Hälfte besser gespielt - denn da hatten wir mehr Kontrolle". Tatsächlich waren die Hausherren dem van-gaalschen Idealbild von 100 Prozent Ballbesitz und endlosen Passfolgen gegen den FC Liverpool vor der Pause sehr nahe gekommen. Dass daraus, wie der 64-Jährige zugab, ohne den verletzten Wayne Rooney im Sturm gegen die in der eigenen Passivität festgefrorenen Gäste im Old Trafford "keine Chance" resultierte und der Nord-England-Klassiker folglich in etwa so viel Aufgeregtheit verbreitete wie eine jener BBC Parliament-Übertragungen aus dem Oberhaus, in denen mitten in den Debatten regelmäßig der eine oder andere Hinterbänkler-Lord in den Schlaf verfällt - zu vernachlässigende Details, selbstverständlich.

Echte Anzeichen von Ansehnlichkeit waren am Samstagabend aus neutraler Sicht aber erst mit Daley Blinds Treffer zum 1:0 (49.) in die Partie gekommen. Van Gaal beschrieb das aus einer einstudierten Freistoß-Routine erzielte Tor später genüsslich als "Konsequenz unserer Besprechungen und taktischen Übungen für Standards", da unter der Woche aus der Mannschaft Kritik an den langen Meetings und den erdrückend detaillierten Vorgaben für die Positionierung der Spieler laut worden war. Der Trainer gab sich jedoch als Mann mit offenem Ohr für die Mitarbeiter, er sei "kein Diktator, sondern ein Kommunikator", der sich über jede Anregung der Untergebenen freue. "Er hat das Gesicht einer Bulldogge und kann einem zunächst Angst machen, aber wenn man ihm zuhört, kommt man gut mit ihm klar", bestätigte der zurzeit verletzte und wegen einer Unachtsamkeit suspendierte Verteidiger Marcos Rojo. Der Argentinier hatte die USA-Tour verpasst, weil er seinen Reisepass nicht rechtzeitig verlängert hatte.

Van Gaals Einwechslung von Ashley Young für Memphis Depay hatte einen Kontrollverlust bewirkt, dafür aber Zug in die Partie gebracht. Der Engländer erdribbelte sich einen Foulelfmeter, den Anders Herrera zum 2:0 (70.) verwandelte. Zuvor hatte Liverpool trotz erheblicher Schwächen im Umschaltspiel - "Emre Can und Roberto Firmino haben die Wendegeschwindigkeit eines Taschenkrebses", attestierte der Sunday Telegraph - David De Gea ein paar Mal in Bedrängnis gemacht. Der Spanier, dessen Wechsel zu Real Madrid in letzter Minute geplatzt war, hat am Freitag einen neuen Vierjahresvertrag unterschrieben, darf dem Vernehmen nach im Sommer aber aufgrund einer Ausstiegsklausel für 40 Millionen Euro doch zu den Königlichen.

De Gea war bis auf einen Fehler sehr gut, der umsichtige Bastian Schweinsteiger zeigte seine beste Leistung der Saison. Doch selbst Christian Bentekes wunderschöner Fallrückzieher zum 2:1-Anschluss (84.) erreichte nur den Rang "einer Postkarte aus der Peripherie des Spiels", wie die Sunday Times sinnierte, da das Kunststück von Antony Martial alles überstrahlte. Der 19-jährige Franzose, 80-Millionen-Euro-Neueinkauf vom AS Monaco, war 25 Minuten vor Ablauf des Matches für sein Liga-Debüt auf den Rasen gekommen. Ein Zickzack-Lauf durch Liverpools Defensive und ein immens cooler Innenrist-Abschluss ins lange Eck (86.) machten den Teenager zum Sofort-Helden im Theater der Träume. "Mehr kann man nicht erwarten", sagte van Gaal und servierte vor lauter Freude über die nun vertagte Diskussion über seine Methoden und Menschenführung den im Mittelfeld der Tabelle verlorenen Rivalen von der Mersey noch ein aufmunterndes Kompliment: "Für mich ist Liverpool eine sehr gute Mannschaft, weil ich immer gegen sie gewinne."

Chelsea stürzt ab, Mourinho erlebt "die schlechtesten Ergebnisse meiner Karriere"

United belegt nach dem 3:1 mit fünf Punkten Rückstand den zweiten Platz hinter Spitzenreiter Manchester City, das beim 1:0 gegen Crystal Palace (Kelechi Iheanacho, 90.) den fünften Sieg in Serie erreichte und erstmals auf den eingewechselten Kevin De Bruyne zurückgreifen konnte. Meister Chelsea stürzte nach der dritten Niederlage der Saison zwischenzeitlich auf den 17. Tabellenplatz ab. "Zurzeit läuft alles gegen uns, vor unserem Taktik-Meeting ist sogar der Computer abgestürzt", sagte ein bedenklich ratloser José Mourinho nach dem 1:3 beim FC Everton. Sein Team spielte erneut kraftlos und seltsam unkonzentriert in der Abwehr. "Das sind die schlechtesten Ergebnisse meiner Karriere, aber ich bin nicht unter Druck. Unter Druck sind die Flüchtlinge", meinte der Portugiese. "Es ist eine Ehre und ein Vergnügen, Chelsea zu trainieren. Wir sind immer noch der Meister." Aber nicht mehr lange, wenn die Blauen so weiter machen. Der Rückstand auf Man City beträgt bereits elf Punkte.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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