Playoff-Aus des EHC München:Aus dem Tableau gewischt

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Münchens Florian Kettemer (l.) und Thomas Holzmann skaten dem Wolfsburger Sergej Stas hinterher. (Foto: Peter Steffen/dpa)
  • Der EHC München, selbsternannter Titelfavorit in der Deutschen Eishockey-Liga, scheidet nach vier Niederlagen gegen Wolfsburg in der Playoff-Serie aus.
  • Die Qualifikation zur Champions League bleibt der einzige Münchner Erfolg in dieser Saison.
  • Das Gesicht der Mannschaft wird sich nun ändern, nur drei Spieler haben längerfristige Verträge. Unumstritten dürfte nur Trainer Don Jackson sein.

Von Johannes Schnitzler, Wolfsburg/München

Zwanzig Sekunden noch. Zwanzig Sekunden blieben dem EHC München, um das Spiel und die Saison in die Verlängerung zu retten. Zwanzig Sekunden, nachdem Kapitän Michael Wolf das 3:4 erzielt hatte. Wolfsburg führte in der Playoff-Serie 3:0, noch nie hat eine Mannschaft in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) einen solchen Vorsprung verspielt. Aber die Münchner wollten zumindest den Glauben daran nicht so schnell verlieren. 3:4. Bully im Wolfsburger Drittel. Zehn Sekunden noch. Unerlaubter Weitschuss. Wieder Bully vor dem Wolfsburger Tor. Vier Sekunden.

In Hollywood wäre der Film nun in Zeitlupe weitergelaufen, mit dramatischer Musik unterlegt. Aber Wolfsburg ist nicht Hollywood. Bully, die Scheibe klackert noch einmal hin und her, dann war das vierte Viertelfinale zwischen dem EHC München und den Grizzly Adams Wolfsburg vorbei.

Für den selbsternannten Titelfavoriten ist die Saison vorbei

Wolfsburg hat 4:3 gewonnen, Endstand in der Serie 4:0 - ein Sweep: Der Siebte nach der Vorrunde hatte den Zweiten aus dem Tableau gewischt, einfach so. Selbst für Wolfsburgs eloquenten Trainer Pavel Gross kam die Entscheidung so überraschend, dass ihm spontan nicht viel dazu einfiel: "Wir haben gar nichts geplant."

München war zum ersten Mal in dieser Serie in Führung gegangen, durch ein Überzahltor von Jeremy Dehner (6.); für den kleinen Amerikaner war es das erste DEL-Tor überhaupt. EHC-Kapitän Wolf hatte diese Führung herbeigesehnt. "Wir brauchen mal ein dreckiges Tor", hatte der Nationalspieler vor diesem Duell gesagt. Es war sogar ein recht ansehnliches Tor in einem recht ansehnlichen Drittel des EHC. Aber die Hoffnung trog. Wolfsburg steht im Halbfinale. Für den selbsternannten Titelfavoriten aus München, das Team mit den Red-Bull-Millionen, ist die Saison vorbei.

Eigentlich müssten an dieser Stelle ein paar Leerzeilen folgen, um die Leere in den Gesichtern der Münchner nach der Schlusssirene zu beschreiben. Als einer der Ersten fand der Trainer seine Fassung wieder. Don Jackson lächelte, als er den Wolfsburger Spielern gratulierte, er lachte sogar, als er Gross gratulierte. Dann sagte er: "Dieses Ende ist bitter für uns. Aber ich bin stolz auf meine Spieler. Sie haben alles gegeben." Vielleicht war das die größte Überraschung: Mehr war nicht drin.

Mit dem Rücken zur Wand hatten die Münchner die Flucht nach vorne gesucht. Doch Dehners Treffer war nicht das Fanal zur Aufholjagd. Acht Minuten lang hielt die Hoffnung. Dann leistete sich Richie Regehr, 32, der beste Offensivverteidiger der Liga, ein Foul, das selbst Mitspieler mit einem wenig schmeichelhaften Wort kommentierten, dessen erster Teil ein weibliches Säugetier mit Ringelschwanz bezeichnet. Der zweite lautet dumm. Wolfsburg, die effektivste Überzahl-Mannschaft der DEL, nutzte die fünfminütige Gelegenheit zu zwei Toren (17., 19.).

Jackson, einst ein zupackender NHL-Verteidiger von der Statur eines Bauernschranks, sah, wie seine Spieler wieder einmal verzagten. Wolfsburg agierte kontrolliert, clever, kaltschnäuzig. München dagegen ließ jede Playoff-Qualität vermissen. Körperlos, leblos, disziplinlos schlitterte das Team dem vorzeitigen Aus entgegen. Matt Dzieduszycki erhöhte mit seinem zweiten Treffer - wieder in Überzahl - auf 3:1 (29.), Matt Smaby, ein Mann von der Statur einer ganzen Schrankwand, hatte sich im Niemandsland entmaterialisiert.

Daniel Sparres Anschlusstreffer (35.) erzeugte noch einmal die Illusion von Spannung. Aber in diesem Dramolett war keine Schlussvolte vorgesehen. Yannic Seidenbergs vermeintlicher Ausgleich (45.) wurde - zu Recht - als Schlittschuhtor nicht anerkannt. Dann bekam David Meckler sogar noch einen Penalty zugesprochen: Er schoss über das Tor (48.). Als Sekunden später Sebastian Furchner, ebenfalls mit seinem zweiten Treffer, den Puck zum entscheidenden 4:2 (49.) im Netz versenkte, war München mürbe geschossen. Das 3:4, Wolfs 250. DEL-Treffer? Für die Statistik.

Unumstritten dürfte nur der Trainer sein

Unter dem Strich bleiben dem EHC die Qualifikation für die Champions League und der Einzug ins DEL-Viertelfinale. Zwei Premieren. Und doch viel zu wenig für eine Organisation mit den Münchner Ambitionen. "Wir haben leider nur eines unserer Ziele erreicht", bekannte Jackson. Seine Spieler interpretierten die Situation derweil unterschiedlich. Florian Kettemer sagte: "Wir hatten auch nicht das Glück auf unserer Seite, das muss man auch sehen."

Man dürfe nicht lange an dem Aus knabbern: "Ich freue mich jedenfalls auf die Champions League." Alexander Barta dagegen war bedient. "Wenn man 0:4 verliert, kann man nicht von Pech reden. Dann ist es verdient", raunzte der Mittelstürmer in ein TV-Mikrofon. Direkt nach Spielschluss verkündete Barta dann auch seinen Abschied aus München. In der Branche gilt sein Wechsel nach Ingolstadt als gewiss.

Das Gesicht des EHC wird sich ändern. Billiger aussehen wird es nicht. Nur Tim Bender, Dominik Kahun und Wolf haben längerfristige Verträge, aus Mannheim soll Nationalspieler Frank Mauer kommen. Schwer vorstellbar hingegen, dass Spieler wie Smaby oder Jon DiSalvatore eine dritte Chance erhalten. Auch der Franzose Florian Hardy ist umstritten, die Torhüterdiskussion schwelt seit Monaten. Nun wird angeblich auch über Manager Christian Winkler, Hardys Entdecker, diskutiert.

Unumstritten dürfte nur der Trainer sein. Jackson sagte: "Wir wollen Erfolgsgeschichte schreiben." Dann fügte er mit leiser Ironie an: "Diese Saison war ein dezenter Beginn." Michael Wolfs 3:4 war so gesehen ein besonders dreckiges Tor.

© SZ vom 19.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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