Olympia:Justiz-Wirren um US-Schwimmer: Da lügt doch jemand

Lesezeit: 3 min

Ryan Lochte ist inzwischen wieder in den USA. (Foto: AP)

Ryan Lochte und drei weitere US-Schwimmer haben einen Raubüberfall nur erfunden, um einen für sie peinlichen Vorfall zu vertuschen. Brasilien empfindet ihre Schmierenkomödie als Affront.

Von Jürgen Schmieder

Es war eine nette Botschaft, die US-Präsident Barack Obama zu Beginn der Olympischen Spiele an die amerikanischen Teilnehmer sandte, sie handelte von Vielfalt und Zusammenhalt - enthielt aber auch eine deutliche Ansage: "Dieses Team erinnert uns daran, dass Amerika den Goldstandard setzt." Obama schrieb nichts von Medaillen und Rekorden, sondern von höchsten Ansprüchen, denen die US-Athleten gerecht werden sollen. Nicht nur auf dem Spielfeld oder im Schwimmbecken, sondern auch abseits davon. Goldstandard eben.

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Nun gibt es einen Vorfall, der weltweit für Aufsehen sorgt und zu diplomatischen Verwerfungen zwischen den USA und Gastgeber Brasilien führen könnte: Die brasilianischen Justizbehörden hinderten am Mittwochabend die Schwimmer Jack Conger, 21, und Gunnar Bentz, 20, am Flughafen an der Ausreise. Kollege Jimmy Feigen, 26, den die Polizei ebenfalls am Flughafen erwartet hatte, nahm von sich aus Kontakt mit den Behörden auf. Der sechsmalige Olympiasieger Ryan Lochte hatte das Land bereits zuvor verlassen.

Was war passiert? Nun, genau darum geht es.

Lochte, 32, hatte behauptet, eine Party im Club France am Sonntag um vier Uhr morgens angetrunken verlassen zu haben. Er und seine Kollegen seien im Taxi zurück ins Olympische Dorf gefahren. Auf dem Weg seien sie von falschen Polizisten gestoppt und ausgeraubt worden, einer der Räuber habe Lochte eine Pistole an die Schläfe gedrückt. Er sei traumatisiert, sagte er öffentlich, der Vorfall warf kein gutes Licht auf den Gastgeber, es wurde weltweit über die Sicherheit in Rio debattiert.

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Nun zeigen mehrere Videoaufnahmen eine völlig andere Version: Lochte und seine Kollegen verließen den Club erst um kurz vor sechs Uhr morgens, sie baten den Taxifahrer auf dem Heimweg, an einer Tankstelle anzuhalten. Dabei demolierte einer der Schwimmer die Tür und das Interieur der Toilette, sie debattierten danach mit einem Tankstellen-Mitarbeiter und einem Wachmann, es kam auch zu einer Rangelei.

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Der Wachmann wollte die Schwimmer mit gezogener Waffe zum Verbleib zwingen - die bezahlten jedoch den Schaden und verließen die Tankstelle, bevor die vom Besitzer herbeigerufene Polizei eintraf. Ein Video aus dem Olympischen Dorf zeigt Lochte und seine Kollegen, wie sie lachend durch die Sicherheitskontrolle gehen. Traumatisiert schien keiner zu sein.

"Wir können bestätigen, dass es keinen Raubüberfall gegeben hat", sagte ein Mitarbeiter der Polizei von Rio mehreren Medien: "Sie haben gelogen." Die Beamten hätten sich zunächst darüber gewundert, dass den US-Schwimmern zwar Geldbörsen abgenommen worden seien, aber keine Smartphones, Uhren oder Schmuck. Bei der Befragung hätte sich zudem herausgestellt, dass Lochte eine andere Version erzählte als einer seiner Kollegen. Die Polizei in Rio hat noch Fragen an die Schwimmer, weshalb sie sie erst ausreisen lassen will, wenn diese beantwortet sind. Sie geht davon aus, dass die Schwimmer die Räuber-Geschichte erfunden haben, um den Vorfall zu vertuschen.

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Das brasilianische Organisationskomitee versucht, den Vorfall herunterzuspielen. "Es braucht keine Entschuldigung, diese Jungs wollten sich nur ein bisschen Spaß haben", sagte Sprecher Mario Andrada: "Wir sollten alle mal halb lang machen. Manchmal stellt man eben etwas an, das man später bereut." Ein Dummejungenstreich also. Schwamm drüber.

Die Behörden sehen das freilich anders. Das Demolieren einer Tankstellen-Toilette ginge womöglich noch als unglückliche Aktion durch, die offensichtlichen Lügen von Lochte und seinen Kollegen allerdings finden die Menschen in Rio dagegen gar nicht witzig. "Der Vorfall hat großen Schaden angerichtet, weil er ein Wespennest anstößt", sagte Brian Winter der New York Times. Er ist Vizepräsident der auf internationale Beziehung spezialisierten Organisation Americas Society and Council of the Americas: "Gringos behandeln das Land wie ein drittklassiges Urlaubsziel, in dem man die Polizei anlügen und damit davonkommen kann." Gefordert wird nun mindestens eine öffentliche Entschuldigung, die es bislang noch nicht gegeben hat.

Die Polizei von Rio ermittelt aber auch wegen Vortäuschung einer Straftat, das dürfte noch ein paar Tage lang dauern. Die amerikanische Botschaft und auch die Olympia-Delegation der USA haben angekündigt, mit der Polizei kooperieren zu wollen. Der Ausgang ist ungewiss, fest steht jedoch: Einen Goldstandard haben die vier Schwimmer gewiss nicht gesetzt.

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