Olympia:Drillinge für Rio

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Lily, Leila und Liina Luik aus Estland treten als erste eineiige Drillinge bei Olympia an. Alle im Marathon. Sie sind weltweit begehrt.

Von Saskia Aleythe

Wo sie auftauchen, herrscht erstmal Verwirrung. Vor wenigen Jahren noch waren die Badestrände im estnischen Tallinn und bei der Universitätsstadt Tartu Höchst-Verwirrungs-Gebiete, denn als Rettungsschwimmerinnen liefen ihnen drei Frauen über den Weg, die optisch kaum zu unterscheiden waren: Lily, Leila und Liina Luik. Sie sind Drillingsschwestern, eineiige sogar - klar, dass da mancher Badegast mehrfach hinschauen musste. Die Höchst-Verwirrungs-Zone hat sich nun ausgeweitet, Lily, Leila und Liina fahren als Marathon-Läuferinnen zu den Olympischen Spielen nach Rio. Drillinge bei Olympia - das gilt selbst unter findigen Historikern als Premiere.

Drei Schwestern, die auszogen, die Sportwelt zu erobern - es ist ein Märchen, das Estland da gerade wiederfährt. Die Luik-Schwestern sind weltweit begehrt, italienische und brasilianische Medien haben schon über sie berichtet. In Estland hängen riesige Plakate von ihnen an der Straße, es läuft ein Adidas-Werbespot mit ihnen im Fernsehen, sie prangen auf Magazinen für Sport, für Mode und Lifestyle, manchmal auf mehreren zur gleichen Zeit. Die drei sind zarte Gestalten, haben sich die Haare im gleichen Ton blond gefärbt, sind fröhlich, unaufdringlich. Die Vermarktung gelingt ihnen perfekt, sie nennen sich selbst: das Trio für Rio.

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"Es ist fantastisch, dass sie es zusammen zu den Olympischen Spielen geschafft haben", sagt ihr Trainer Harry Lemberg der New York Times, "Estland ist ja nur ein kleines Land". Bei ihrem Aushilfsjob als Rettungsschwimmerinnen merkten sie, dass ihnen nicht nur Schwimmen, sondern auch Laufen jede Menge Freude macht. Damals waren sie 24 Jahre alt, hatten bisher viel Zeit ins Tanzen investiert. In einer Hip-Hop-Gruppe nahmen sie an Wettbewerben teil, doch dann reifte der Gedanke, es mit dem Marathon zu versuchen. Das ist erst sechs Jahre her, nun haben sie tatsächlich die Qualifikation geschafft. "Wir geben uns alle drei so viel Energie", sagt Leila Luik, "keine will die Langsamste sein."

Am 14. Oktober 1985 kamen die drei auf die Welt. Leila als Erste, sie ist eine halbe Stunde älter als Liina und wenige Zentimeter größer. Lily ist die Jüngste. Sie waren Frühchen, wogen nicht mehr als 2000 Gramm. Als Kinder haben sie alles zusammen gemacht, bei der Großmutter auf dem Land im Garten mitgeholfen - drei kleine blonde Mädchen in der estnischen Idylle. Die Großmutter hat natürlich ihre eigene Version, wie das mit dem Rennen begann, schon damals als Kinder seien sie gleich losgestürmt, immer aktiv gewesen. Dass sie heute Marathons laufen, ist ihrer Mutter Lea noch immer ein bisschen unheimlich: "Sie glaubt nicht, dass Leistungssport für Frauen normal ist. Sie denkt, wir werden im Alter in einem Rollstuhl sitzen", sagt Lily. Als Alternativprogramm sollten sie Violine, Cello und Klavier lernen.

Sportlich bewegen sich die drei in keinem Bereich, der bei Olympia die Spitzenleute berühren würde. Leila Luik hat als Älteste die beste Zeit bisher gelaufen, sie steht bei 2:37,11 Stunden. Lily, die Jüngste, ist mit 2:40,30 Stunden noch am langsamsten. Wer in Rio eine Medaille holen will, muss etwa 15 Minuten schneller unterwegs sein. Doch darum geht es den Luik-Schwestern ohnehin nicht. Die persönliche Bestzeit anzugreifen, ist das Ziel, wobei das auch zur Zerrissenheit führt: "Als Sportler willst du dein Bestes bei Olympia geben", sagt Liina, die derzeit in der besten Form ist, "als Schwester willst du gemeinsam ins Ziel kommen. Es ist toll, wenn wir zusammen sind."

Sie geben sich Windschatten, wenn sie laufen, sie unterstützen sich, für die Luik-Schwestern ist Marathon auch ein Teamsport. Doch ihr Trainer hat erkannt, dass jede auch für sich kämpfen muss, jede hat ihren eigenen Laufstil, verkraftet unterschiedliche Geschwindigkeiten anders. Deswegen trainieren sie mal zusammen, mal getrennt. "Wenn du alleine bist, bist du eher ein Wettkämpfer", sagt Lemberg. Wie man Drillinge trainiert, musste er auch erst lernen - ein paar Hilfestellungen holte er sich bei Renato Canova, der die deutschen Marathon-Zwillinge Anna und Lisa Hahner zu Olympia geführt hat.

Natürlich können die Luiks Situationen auch alleine bewältigen, es ist ohnehin nicht so, als gäbe es sie nur im Dreierpack. Jede führt ihr eigenes Leben, sie wohnen getrennt. Liina lebt mit ihrem Freund in der Hauptstadt Tallinn, Leila wird nach Olympia heiraten. Lily ist Künstlerin, malt und verkauft Bilder nebenbei - genau wie Leila. Okay, es ist doch kompliziert.

Am 14. August werden die drei über den brasilianischen Asphalt hetzen, das kleine Estland wird bis dahin noch ein wenig berühmter werden. Drillinge, die erst tanzen, nebenbei Rettungsschwimmer sind, mit 24 noch den Weg in den Leistungssport einschlagen - es ist eine dankbare Geschichte für das Land, für den Sport. Ein bisschen Verwirrung geht da schon in Ordnung.

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