Olympia: Deutsche Mannschaft:Das deutsche Gesicht

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Bei Olympia gibt es dieses Bedürfnis nach den besonderen Geschichten, nach Helden. Für die Deutschen liefert das diesmal ein Österreicher.

Christian Zaschke

Von Olympischen Spielen bleiben Gesichter, in der Regel ein internationales und dazu eins, das dem jeweiligen Land etwas Besonderes bedeutet. Im Jahr 2000 zum Beispiel war das internationale Gesicht die 400-m-Siegerin Cathy Freeman - oder, wenn man einen anderen Akzent setzt, Marion Jones, die später ihre fünf in Sydney gewonnenen Medaillen zurückgeben musste, weil sie gedopt war. Das deutsche Gesicht war wohl Franziska van Almsick, die unter höchstem Erwartungsdruck angereist war und sich für kein Einzelfinale qualifizieren konnte. Dem Boulevardblatt B.Z. gingen daraufhin die Nerven durch, "Franzi van Speck - als Molch holt man kein Gold" bollerte es vom Titel.

Daran wird man sich erinnern: Gewichtheber Matthias Steiner mit Goldmedaille und Bild seiner gestorbenen Frau. (Foto: Foto: dpa)

2004 war das internationale Gesicht Michael Phelps, der sechsmal Gold gewann, und das deutsche Gesicht setzte sich aus vielen Gesichtern zusammen, es waren die Hockey-Frauen, die sensationell gewannen. Das Gesicht der Pekinger Spiel ist erneut Michael Phelps, der achtmal Gold gewann; sollte man ihm eines Tages nachweisen, gedopt gewesen zu sein (die Proben werden aufbewahrt), dann wäre der Akzentwechsel praktischerweise nicht mit einem Gesichtswechsel verbunden.

Das deutsche Gesicht sollte Fabian Hambüchen, 20, sein. Alles lief auf Gold für den Turner hinaus, der Rummel war riesig. Zwischenzeitlich ergab sich eine neue Variante der Geschichte, nachdem Hambüchen zweimal vom Reck gestürzt war: Er hätte die große, traurige Figur werden können, auch eine gute Rolle. Der Rummel löste sich dann auf in Normalität, und das deutsche Gesicht der Spiele? Es gab keins. Es gab zwar einige Goldmedaillengewinner, aber niemanden, der als Star durchging, auch Britta Steffen nicht.

Trotz allem, was Olympische Spiele mittlerweile überwölbt, gibt es offenbar noch immer dieses Bedürfnis: dass die Spiele besondere Geschichten hervorbringen, entweder von außergewöhnlichen Siegen oder von großen Niederlagen, die gern tragisch genannt werden. Gescheiterte Helden oder vollendete Helden, das ist beinahe gleichgültig, es geht um die epische Geschichte, die erzählt werden kann. Doch gerade die Geschichte um Hambüchen war so angenehm mit ihrem unspektakulären Ende, ein Verschnaufen im Rummel und eine Erinnerung daran, dass es bisweilen einfach Sport ist, den Sterbliche betreiben, weiter nichts.

Kaum hatte Hambüchens Pekinger Geschichte ihren Schluss gefunden, kaum war klar, dass in der Erinnerung an diese Spiele der deutsche Sport ohne prägendes Gesicht erscheinen würde, stemmte Matthias Steiner 258 Kilogramm in die Luft und schrie seine Trauer und seine Freude heraus. Der deutsche Sport hat nun sein Gesicht der Spiele von 2008 - es ist das Gesicht eines Österreichers.

© SZ vom 21.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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