Olympia:Der erste Deutsche seit 1912

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Endlich Bronze für Patrick Hausding. (Foto: Getty Images)

Der Wasserspringer und Dauer-Vierte Patrick Hausding gewinnt Bronze vom Dreimeterbrett. Seine Medaille holt er mit einer speziellen Abschottungs-Taktik.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Es gibt ein Geräusch beim Wasserspringen, das diesem Sport eigen ist. Es kommt von der Zuschauer-Tribüne Richtung Pool gerauscht, wenn der Sportler eintaucht. Ein einprägsames "Uhhhh", mit leicht empörtem Unterton, es ist die Reaktion auf ein missglücktes Eintauchen, mit viel zu vielen Spritzern.

Patrick Hausding hörte das "Uhhhh" am Dienstagabend bei seinem ersten Versuch vom Drei-Meter-Brett. Danach hörte er es nicht mehr. Und dann bekam er Bronze.

Bei der Siegerehrung umschloss er seine Medaille mit beiden Händen. So zärtlich, als wäre sie nicht aus Bronze, sondern ein ausgeblasenes Ei, das bei der kleinsten Belastung in viele Teile zerspringen würde. Dann krempelte er die Kapuze seiner Jacke aus der Schlaufe, wenn man Dritter bei Olympischen Spielen wird, darf das ruhig ordentlich aussehen. Und als der 27-Jährige nichts mehr mit seinen Fingern anzustellen hatte, kam wieder die Gewissheit. Und ein kleines, ungläubiges Kopfschütteln.

"Wir wollen den Patrick sehen"

Im Jahr 1912 hat zuletzt ein deutscher Wasserspringer eine Medaille vom Drei-Meter-Brett bei Olympischen Spielen geholt, nun ist auch Hausding in diesem exklusiven Kreis aufgenommen. Mit insgesamt 498,90 Punkten lag er nur hinter Sieger Cao Yuan aus China (547,60) und Silber-Gewinner Jack Laugher (523,85) aus Großbritannien zurück. "Ich bin noch nicht ganz hinterher mit meinen Gedanken, dass das alles so geklappt hat", sagte er nach seinem Wettkampf.

Da rief ein Grüppchen Zuschauer im Maria-Lenk-Stadion noch immer seinen Namen, "wir wollen den Patrick sehen", seine Freundin, Bekannte und andere Sportler hatten ihn ja angefeuert. Es war eine ordentliche Kulisse für einen, der zwar Rekordeuropameister ist, aber bei WM oder Olympia noch nie eine Medaille im Einzel geholt hatte, in Peking 2008 klappte es mit Silber im Synchronspringen vom Turm. "Jetzt war es genau der richtige Moment, um auch mal Bronze abzusahnen", sagte er, "das ist einfach nur geil."

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Das Finale hatte er beinahe verpasst, als Zehnter von zwölf Startern qualifizierte er sich. Viel "Uhhhh" hatte es da gegeben wegen der zahlreichen Fehler, aber nicht nur bei Hausding. Die tiefstehende Sonne blendete die Athleten, der chinesische Weltmeister He Chao und Ilja Sacharow aus Russland, Olympiasieger in London, kamen gar nicht erst ins Finale. Auch Hausdings Teamkollege Stephan Feck scheiterte. Umso größer war später die Erleichterung bei Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow nach dem Medaillengewinn. "Nach dem Halbfinale waren wir kritisch reserviert, weil wir nicht wussten, wie er das wegsteckt", sagte er und war nun ganz begeistert von seinem Springer: "Er ist jemand, der sehr elegant und sehr schwierig springen kann, der weiß, wo oben und unten ist."

Sie waren ja nicht irgendwie in dieses Finale gegangen, sondern mit einem Matchplan, der kaum besser hätte aufgehen können. "Gucke nicht, was die anderen im Wettkampf machen", lautete die Botschaft an Hausding und so zelebrierte der Berliner die totale Abschottung nach jedem Sprung. "Verschwinden, Musik auf die Ohren, nicht zuhören, was draußen passiert", sagte Hausding, "ich wusste auch nach meinem letzten Sprung nicht, ob ich jetzt locker Dritter bin oder ob es knapp wird". Er habe seine Trainer an der Seite hochspringen sehen danach, "was schon mal ein gutes Zeichen ist."

Was Hausding da zwischen Absprung und Eintauchen veranstaltete, kann man versuchen zu beschreiben, dafür hat sich der Sport ja auch eigene Begriffe geschaffen. Zweieinhalb-Rückwärtssalto, Auerbachsalto, Viereinhalb-Vorwärtssalto. Aber wer seine Leistung begreifen will, braucht die Bilder, wie er sich dreht und streckt. Und er drehte und streckte sich spektakulär, Fünfdreiviertel-Irgendwas-Salto hin oder her.

Im ersten Versuch hatte er noch deutlich hinten gelegen, "der Start war kacke", da hatte es bei der Eintauchphase ordentliche Uhhhs von der Tribüne gegeben. "Dann hat er aber gezeigt, dass er sich mit großem Kampfgeist steigern konnte von Sprung zu Sprung", sagte Buschkow. Für den fünften Versuch hatte er 98,80 Punkte bekommen, das war der Sprung mit der höchsten Punktzahl in diesem Finale gewesen. Nicht mal dem Olympiasieger war das gelungen.

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"Ibuprofen wie Gummibärchen genascht"

Mit Schmerzen war Hausding nach Rio gekommen, eine Schulterverletzung hatte ihn so schwer belastet, dass er nachts manchmal vor Schmerzen aufwachte. Doch der Mann hat in seiner Karriere schon etliche Blessuren überstanden, "es gab Zeiten, da habe ich Ibuprofen wie Gummibärchen genascht", sagte er mal. "Wir haben uns deshalb entschieden, nicht die schwerste Serie zu springen", erklärte Buschkow, dafür war der Trainingsrückstand einfach zu groß. Er sollte das mit hoher Qualität absolvieren, was er konnte. "Die Entscheidung für Sicherheit wurde heute belohnt", freute sich Buschkow. "So wenig wie ich trainieren konnte die letzten Monate, war das mehr als ich erwarten konnte", freute sich Hausding.

Zwei vierte Plätze hatte es für ihn bei diesen Spielen schon gegeben, im Synchronspringen vom Drei-Meter-Brett mit seinem Partner Stephan Feck und vom Zehn-Meter-Turm mit Sascha Klein. Seine Medaille nun war die erste überhaupt für den Deutschen Schwimmverband (DSV) bei diesen Spielen. Die weitere Planung für den Abend sah dann so aus: "Wir werden noch ein brasilianisches Getränk zu uns nehmen", sagte Buschkow, natürlich im deutschen Haus. Das wollte auch Olympiasieger Fabian Hambüchen nach seinem Erfolg am Reck "auseinandernehmen", wobei sich Patrick Hausding gerne anschloss: "Ich hab zwar kein Gold, aber die Medaille ist genauso schwer, damit kann man auch was kaputt machen." Sie kam ihm nun schon deutlich realer vor.

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