NBA:Hand und Herz gebrochen

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Die Golden State Warriors holen mit überragenden Auftritten schon nach vier Finalspielen den Titel gegen Cleveland. Deren Topspieler LeBron James verletzt sich bei einem Wutausbruch - und hält sich die Zukunft offen.

Von Joachim Mölter, Cleveland/München

LeBron James saß erhöht auf dem Podium, die schwarze Kappe auf seinem Kopf hatte er so weit nach vorne gerückt, dass der Schild seine Augen überschattete, selbst wenn man zu ihm aufsah. Mit dem, was James dann sagte an diesem Freitagabend, überschattete er auch das vorangegangene Ereignis ein wenig.

Die Basketballer der Golden State Warriors hatten sich gerade zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren die Meisterschaft in der nordamerikanischen Profiliga NBA gesichert. Mit einem letztlich ungefährdeten 108:85-Erfolg bei den von James angeführten Cleveland Cavaliers beendeten sie die Finalserie nach dem Modus Best-of-seven mit 4:0 Siegen. Für den Klub aus der kalifornischen Stadt Oakland war es der sechste Titel nach 1947, 1956, 1975, 2015 und 2017. In der NBA-Historie waren nur zwei Klubs erfolgreicher, die Boston Celtics (17) und die Los Angeles Lakers (16). Die Chicago Bulls mit Michael Jordan waren in den Neunzigerjahren ebenfalls sechsmal Meister. In den USA sprechen sie schon davon, dass Golden State nun eine Dynastie manifestiert, eine Ära begründet hat.

Das Durchschnittsalter der Stammspieler Stephen Curry, 30, Kevin Durant, 29, Klay Thompson, 28, und Draymond Green, 28, liegt ja noch deutlich unter 30, und alle vier werden beim NBA-Champion bleiben. Curry, Thompson und Green sind sowieso noch unter Vertrag, und Durant kündigte an, demnächst einen neuen Kontrakt zu unterschreiben. "Wir sind weiter hungrig", versprach der Forward, der wie 2017 zum besten Spieler der Finalserie gekürt wurde. In der vierten und entscheidenden Partie ragte zwar Curry mit 37 Punkten heraus, aber der vielseitige Durant hatte zwanzig Punkte, zwölf Rebounds und zehn Assists gesammelt, was sich zu einem "Triple-Double" summierte, zweistellige Ausbeuten in drei statistischen Kategorien.

Niederlage in ungewohnter Höhe: Clevelands LeBron James wird von den Golden State Warriors (hier Kevin Durant) in den Schatten gestellt und muss am Ende ein 0:4 in der Best-of-seven-Serie hinnehmen. (Foto: Ken Blaze/USA TODAY Sports)

Man kann sicher debattieren, ob es gerecht ist, einen aus dem hochwertigen Kader der Warriors herauszuheben. "Golden State hatte mehr Talent, mehr Tiefe, mehr Erfahrung und hat mehr vor Selbstbewusstsein gestrotzt als jedes andere Team in der Liga", bilanzierte der Sportsender ESPN auf seiner Webseite: "Und dass ist der Fall, seit die Warriors vor zwei Jahren Kevin Durant zu einer Mannschaft hinzugefügt haben, die gerade einen NBA-Rekord aufgestellt hatte mit 73 Saisonsiegen", in 82 Hauptrunden-Partien.

Die Warriors hatten Durant, 29, im Sommer 2016 von Oklahoma City weggelockt, weil sie am Ende ihrer Rekordsaison die Finalserie trotz einer 3:1-Führung noch 3:4 gegen Cleveland verloren hatten. LeBron James, der unbestritten beste Basketballer seiner Generation, hatte damals eigenhändig für die Wende gesorgt. In dieser Saison hat der 33-Jährige zum neunten Mal insgesamt und zum achten Mal nacheinander seine Mannschaft ins NBA-Finale geführt, eine stolze und außergewöhnliche Serie. Aber "ihm ist klar geworden, dass er die Warriors nicht mehr ganz alleine erlegen kann", befand das amerikanische Magazin Sports Illustrated.

Philadelphia, Houston oder die Los Angeles Lakers? James hat wohl viele Optionen

Schon gar nicht mit einer angeknacksten Hand. "Ich habe die letzten drei Partien praktisch mit einer gebrochenen Hand gespielt", verriet James am Freitag, mit heruntergezogener Mütze und einer dicken Bandage am rechten Arm. Das Handicap war geheimgehalten worden, die Warriors sollten nichts davon wissen. James hatte sich die Blessur zugezogen, als er nach dem ersten Spiel - einer 114:124-Niederlage nach Verlängerung - vor Wut gegen eine Tafel schlug. "Meine Emotionen sind mit mir durchgegangen", erzählte er: "Ich wusste, wie wichtig dieses Auswärtsspiel war, was ein Sieg bedeutet hätte - eine solche Gelegenheit, bei Golden State zu gewinnen, bekommt man sonst nicht." Doch sein Mitspieler J.R. Smith hatte kurz vor Ende der regulären Spielzeit die Siegchance tatenlos verstreichen lassen.

Pose der Niedergeschlagenheit: Clevelands an der Hand verletzter Über-Spieler LeBron James im Spiel gegen die Golden State Warriors. (Foto: Kyle Terada/USA TODAY Sports)

Da ist LeBron James wohl endgültig vor Augen geführt worden, dass seinen Nebenleuten die Klasse fehlt, um die Warriors auch künftig herauszufordern, so wie in den vergangenen vier Jahren, als sich die beiden Teams jeweils im Finale duellierten. "Jeder Klub versucht gerade herauszufinden, wie er genug Talent zusammenstellt, das auch mental in der Lage ist, mit Golden State zu wetteifern", hatte James vor dem vierten Spiel gesagt und damit die Spekulationen um seine Zukunft befeuert.

Der Flügelspieler hat die Option, den Vertrag in seiner Heimatstadt Cleveland zu verlängern, für eine Jahresgage von 35,6 Millionen Dollar. Ob er diese Option wahrnimmt? "Ich habe keine Ahnung", sagte James am Freitag: "Ich werde mich mit meiner Familie zusammensetzen und beraten." Damit ist klar: Wie 2010, als er von den Cavaliers zu Miami Heat wechselte, und 2014, als er von Miami nach Cleveland zurückkehrte, werden die Spekulationen über seine Entscheidung die Schlagzeilen im Sommer bestimmen. Sein Verbleib in Cleveland gilt als unwahrscheinlich, als neue Klubs werden die aufstrebenden Philadelphia 76ers, die Los Angeles Lakers sowie die Houston Rockets gehandelt. Letztgenannte zwangen die Warriors im Halbfinale über die volle Distanz von sieben Partien, ehe sie unterlagen; aber sie haben den geringsten finanziellen Spielraum.

"LeBrons Sommer verspricht mehr Spannung als die NBA-Finals", glaubt Sports Illustrated. Angesichts von Golden States Dominanz droht der ganzen nächsten Saison die große Langeweile. "2015 war der Titel wie die Erfüllung eines Traums. Jetzt fühlt es sich selbstverständlich an", sagte Warriors-Coach Steve Kerr. Und das klang nicht einmal arrogant.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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