1860 München:Zurück an den Absender

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Das Paket von Investor Hasan Ismaik, mit dem er 1860 unterstützen will, wird als ziemlich leer empfunden. Das Präsidium lehnt ab und macht einen überraschenden Gegenvorschlag.

Von Markus Schäflein

Die Frage, ob der Fußballspieler Julian Weigl aus Dortmund nach Paris wechselt, beschäftigt die Menschen in Paris weniger als in München. Sollte jener Transfer, über den vor einigen Wochen spekuliert worden war, doch noch zustande kommen, wäre nämlich der Drittliga-Aufsteiger TSV 1860 München, bei dem Weigl einst spielte, mit mindestens fünf Millionen Euro am gewaltigen Geldregen beteiligt. Zuletzt erklärte Weigl allerdings bereits, er wolle sich noch in Dortmund beweisen, der neue Borussia-Trainer Lucien Favre soll auf ihn bauen - ob es zu dem Geschäft kommt, ist völlig offen. 1860-Trainer Daniel Bierofka und Sportleiter Günther Gorenzel können mit der Verpflichtung ihrer angedachten Verstärkungen - etwa des Stürmers Stefan Lex vom FC Ingolstadt und des Mittelfeldspielers Quirin Moll von Eintracht Braunschweig - nicht so lange warten, bis sich dies entscheidet.

Umso seltsamer mutet es an, dass Investor Hasan Ismaik in seinem am Sonntagabend veröffentlichten Angebot zur Unterstützung des TSV 1860 ausrichten ließ: "Derzeit geht der Investor (...) davon aus, dass durch Weiterverkäufe von Ex-Spielern durch andere Vereine, an denen der TSV 1860 noch Transferrechte besitzt, zusätzliche Mittel generiert werden können." Ismaiks Statthalter Saki Stimoniaris erklärte weiterhin: "Sollten diese Erlöse nicht eintreten, wird Hasan Ismaik umgehend weitere Mittel für die Finanzierung des sportlichen Bereiches zur Verfügung stellen." Weshalb dies nicht umgekehrt angeboten wurde - beispielsweise durch ein sofortiges Sponsoring, für das im Falle eines Weigl-Transfers oder einer anderen Transferbeteiligung die Rückzahlung festgeschrieben ist -, blieb ein Rätsel.

Das groß angekündigte "überzeugende Paket" wurde nach dem Öffnen daher selbst von vielen Befürwortern Ismaiks als ziemlich leer empfunden. Konkret bot er lediglich an, ein Darlehen des Hauptsponsors "Die Bayerische" über rund zwei Millionen Euro abzulösen, zinslos oder zu einem niedrigen Zinssatz. Das stellt allerdings eher eine Forderung als ein Angebot dar - ein weiterer Partner des TSV 1860 mit finanziellen Möglichkeiten ist Ismaik dem Vernehmen nach eher nicht so recht. Er ließ mitteilen, durch die Idee könnten "alle Trainer-Verträge sofort verlängert werden. Außerdem sind damit die notwendigen Investitionen in den Spielerkader und für den weiteren Betrieb der U21-Mannschaft gesichert." Das verblüffte ebenfalls, denn das Darlehen des Hauptsponsors dient im Rahmen der Fortführungsprognose als eine Art Kontokorrent, wie eine Überziehungslinie bei einem Bankkonto. So lange es nicht genutzt wird - und das ist erst für das Jahr 2020 geplant -, fallen keine Bereitstellungszinsen an. Es ist eine überaus kreative Idee, ein anderes Darlehen als Ersatz zu nehmen und es dann sofort auszuschöpfen - dann bräuchte Sechzig bis Ende Juni ein neues Darlehen für die Fortführungsprognose.

Selbstredend ist die ganze Paketdebatte als Teil des Wahlkampfs zu sehen - bei der Verwaltungsratswahl im Juli tritt ja ein "Team Profifußball" als Opposition an, das wieder enger mit Ismaik zusammenarbeiten will als die amtierende Führung mit dem Verwaltungsrat um Markus Drees und dem Präsidium um Robert Reisinger, deren oberstes Prinzip die Ablehnung jeglicher neuer Darlehen von Ismaik ist. Nach SZ-Informationen will nun auch die amtierende e.V.-Seite eine geschlossene Wahlempfehlung mit einem kompletten Team geben, um ihre Chancen zu verbessern. Im Wahlkampf wird es darum gehen, wer wem die Schuld gibt, dass eine sinnvolle Kooperation zwischen den Gesellschaftern schon wieder unmöglich erscheint. Zuletzt verblüffte Ismaik dem Vernehmen nach mit dem Wunsch an Geschäftsführer Michael Scharold, dass einer seiner Vertreter bei dessen "Verhandlungen, die das Unternehmen betreffen", stets dabei sein solle. Zwar wollte er auch e.V.-Vertreter dazu einladen, diese dürften eine stetige Überwachung und Beratung Scharolds im Arbeitsalltag allerdings für unnötig halten und ohnehin nicht genug Zeit dafür haben.

Reisinger und seine Kollegen reagierten am Montagnachmittag auf Ismaiks Angebot, sie schickten das Paket erwartungsgemäß zurück an den Absender - und machten einen überraschenden Gegenvorschlag. Man sehe zwar "keinen Anlass, dieses bislang zur Sicherstellung der Liquidität bereitgestellte und noch nicht abgerufene Darlehen durch ein weiteres Darlehen unseres Mitgesellschafters zu ersetzen, das einer Zweckbindung unterliegen soll", teilten sie mit. "Um aber das gemeinsame Ziel sportlichen Erfolgs (...) zu erreichen (...), werden wir die Geschäftsführung anweisen, ein bislang nicht abgerufenes, aber noch verfügbares Darlehen unseres Mitgesellschafters in Höhe von 3,856 Millionen Euro anzufordern und diese Mittel entsprechend zielgerichtet einzusetzen." Dabei handelt es sich um ein fixiertes Darlehen zur Verpflichtung von Stefan Aigner, das der KGaA von Ismaik offenbar nie zur Verfügung gestellt wurde: "In diesem Fall benötigen wir weder mögliche Transfererlöse durch Weiterverkäufe von Ex-Spielern noch eine als Alternative vorgesehene, noch vollständig unbestimmte Finanzierung durch unseren Mitgesellschafter."

Man mag das als Vorschlag sehen - oder eher als einen ganz gewaltigen Nadelstich. Und je nach Betrachtungsweise als Höflichkeit oder perfekten Humor, wenn Reisinger und die Kollegen schreiben: "Wir freuen uns auf die Diskussion unseres Alternativvorschlags (...) in der nächsten Aufsichtsratssitzung." Der Vorsitzende des Gremiums müsste diese allerdings erst einmal einberufen. Es ist Ismaiks Bruder Yahya.

© SZ vom 05.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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