Mindestlohn im Amateurfußball:Bis es knallt im Vereinsheim

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Im Amateurfußball bangen viele Klubs um ihre Existenz. (Foto: dpa/dpaweb)

Wer beruflich kickt, muss entsprechend entlohnt werden: Auch im Amateurfußball gilt nun der gesetzliche Mindestlohn. Doch Vereine fühlen sich vom Verband allein gelassen - und äußern Existenzängste.

Von Matthias Schmid

Konrad Höß hat vorgestern erst mit dem bayerischen Finanzminister telefoniert. Das Thema war zu bedeutend, um es noch länger aufzuschieben. Der Präsident des Bayernliga-Tabellenführers FC Pipinsried wählte aber nicht die Nummer von Markus Söder, die direkte Durchwahl zum CSU-Politiker steht nicht einmal im Notizbüchlein von Höß, der den FCP vor fast fünfzig Jahren gegründet hat und im Klub alles macht - sogar den Rasen mäht er. Höß also rief Jürgen Faltenbacher an, "den Finanzminister des Bayerischen Fußball-Verbands", wie er diesen nennt.

Doch auch der Schatzmeister des BFV konnte ihm beim Thema Mindestlohn nicht wirklich weiterhelfen. Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns gilt seit dem 1. Januar, es hat nicht nur in Bayern viele höherklassige Amateur-Sportklubs überrumpelt. Sie fühlen sich allein gelassen, sie haben das Gefühl, dass bei der Ausarbeitung des Gesetzes niemand an ihre Bedürfnisse dachte. Sie haben viele Fragen, aber sie bekommen nur wenige Antworten von den Sportverbänden. "Es ist noch vieles nicht klar geregelt", bekennt Höß.

Im Kern geht es um die Frage, inwieweit die Vertragsfußballer unter das Gesetz fallen. Selbst in den Kreisligen gibt es Kicker, die ein Arbeitspapier unterschrieben haben und gegen Bezahlung ihr Hobby ausüben. "Für sie gilt der Mindestlohn", sagt Ulf Baranowsky. Der Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV) hat in diesen Tagen viel zu tun. Die Verunsicherung ist groß in der Branche. Etliche Vereine der dritten Liga und der Regionalligen zahlen ihren Spielern 250 Euro im Monat, das ist die Mindestsumme für Spieler mit einem Vertrag. "Nach dem neuen Gesetz dürfen sie für diese Summe aber nur 29 Stunden arbeiten", erklärt Baranowsky.

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Innerhalb eines Jahres war das Gesetz bis zur Verabschiedung am 3. Juli des vergangenen Jahres von der Großen Koalition durch alle Instanzen gepeitscht worden. Das ist zumindest der Eindruck von Höß und den zahlreichen übrigen Vertretern des Amateurfußballs und anderer Sportarten wie Eishockey und Handball. "Es ist hingepfuscht worden und bedroht die Existenz vieler Vereine massiv", sagt Holger Stenger vom Fußball-Bayernligisten Viktoria Aschaffenburg - weil die Lohnkosten exorbitant steigen würden.

Der Sprecher des Vorstands hat aus diesem Grund in diesen Tagen oft Kontakt zum Steuerberater des Klubs. Die Schreiben, die er erhält, werden immer länger. "Je mehr wir uns mit diesem Thema beschäftigen, desto undurchsichtiger und weniger verständlich wird es." Manche behaupten, dass der DFB das ganze Thema unterschätzt habe. Thomas Müther, Leiter des Präsidialbüros beim BFV, bestreitet das. Aber Empfehlungen kann und will der Verband nicht aussprechen. "Jeder Einzelfall muss untersucht werden. Wir können aktuell keine allgemein rechtsverbindlichen Aussagen treffen", sagt er. Der Verband verweist bei Anfragen gerne auf seine Webseite und die Broschüren, die dort herunterladen werden könnten.

Utopisch finden viele Funktionäre die Rechnung mit den 29 Stunden pro Monat, mit drei Trainingseinheiten in der Woche und einem Spiel am Wochenende kommen die meisten Spieler locker auf das dreifache Pensum. "Wir müssen das alles mal durchrechnen", sagt Ewald Matejka vom Fußball-Regionalligisten SV Heimstetten. Er will sich an die gesetzlichen Vorgaben halten. Doch noch immer weiß niemand, ob die Anfahrt zum Auswärtsspiel oder das Duschen nach dem Training als Arbeitszeit gilt. Höß macht sich da keine Sorgen: "Wir trainieren nur zweimal in der Woche", sagt der Pipinsrieder Vorstand.

Manfred Schwabl, Präsident des Drittligisten SpVgg Unterhaching, will genau prüfen, welche seiner Spieler unter das Gesetz fallen. Seit dieser Saison beschäftigt er im Profikader Spieler, die für 250 Euro auflaufen. Ob er diese möglicherweise in Zukunft auffordern muss, weniger zu trainieren, will er nicht verraten. "Wir haben laufende Verträge und müssen diese unter Umständen anpassen", sagt er nur.

Der Ausnahmetatbestand zum Thema Ehrenamt, den die CDU in den Ausschussbericht hat aufnehmen lassen, verkompliziert die ganze Sache noch dazu. Er definiert, dass Tätigkeiten, die dem Allgemeinwohl dienen, nicht angetastet werden. Beim Platzwart oder dem Übungsleiter, der im Hauptberuf als Lehrer arbeitet, ist das noch verständlich. "Sind aber Fußballer Ehrenamtliche?", fragt sich nicht nur Matejka. Der Bericht beantwortet das nicht klar.

"Auch Amateur- und Vertragsspieler fallen nicht unter den Arbeitnehmerbegriff", heißt es da, "wenn ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Vordergrund stehen." Ob dieser Ausnahmetatbestand vor Gericht Erfolg verspricht, wenn erst einmal Fußballer klagen, bezweifelt nicht nur Holger Stenger. Die meisten Kicker in den höherklassigen Ligen wechseln des Geldes wegen. Er glaubt, dass es daher zu einem großen Knall kommen könnte, wenn der Erste prozessiert: "So wie damals bei Bosman."

Die VDV empfiehlt ihren Klienten schon, die Stunden penibel aufzuschreiben. Konrad Höß bleibt aber entspannt. "Bei uns kommt niemand über 29 Stunden", sagt er. Ein Verstoß wäre eine teure Angelegenheit: Bis zu 500 000 Euro müssten die Klubs zahlen, falls sie den Mindestlohn nicht oder nur verspätet auszahlten. Ein solches Bußgeld würde nicht nur für den FC Pipinsried das Ende bedeuten.

© SZ vom 10.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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