Mayweather-Sieg in der Rundenkritik:Fliege tänzelt und hebt die Faust

Floyd Mayweather vs Manny Pacquiao

Siegt im "Jahrhundertkampf", der keiner war: Floyd Mayweather

(Foto: dpa)

Ein Jahrhundertkampf ist es nicht, ein großes Spektakel durchaus: Floyd Mayweather gewinnt gegen Manny Pacquiao nach Punkten. Der Boxer von den Philippinen sieht allerdings sich als Sieger - und der Amerikaner überrascht nach Schlussgong alle.

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

Der Hammer folgte nach dem Schlussgong: Floyd Mayweather, Punktsieger gegen Manny Pacquiao im zum "Kampf des Jahrhunderts" hochgejazzten Box-Spektakel von Las Vegas, will die gerade gewonnenen Gürtel zurückgeben und seine Weltmeistertitel niederlegen. Nicht irgendwann, sondern ganz bald. "Es ist Zeit, dass andere Kämpfer um die Gürtel kämpfen. Ich bin nicht habgierig", sagte er nach dem Fight. Es sei Zeit für Jüngere, meinte der 38-Jährige. Er hält den WBC-, WBO- und WBA-Super-Championtitel im Weltergewicht und ist WBC-Weltmeister im Halbmittelgewicht. Seine Karriere will Mayweather aber nicht beenden, er kündigte für September den nächsten, womöglich letzten Auftritt an.

Vor dem Kampf

Lennox Lewis ist verzweifelt. "Ich muss doch arbeiten", jammert er und bittet die nette Frau am Schalter um Einlass. Er wird abgelehnt. Lewis, einst unbestrittener Weltmeister im Schwergewicht, ist an diesem Samstag in Las Vegas ein Promi wie alle anderen - und diese Anekdote ist nur eine von vielen, die sich um diese Veranstaltung in der MGM Grand Garden Arena ranken. Noch eine: Footballstar Tom Brady sah sich am Nachmittag noch das 141. Kentucky Derby in Louisville an und flog danach im Privatjet mit den Kollegen Rob Gronkowski und Julian Edelman nach Las Vegas. Und noch eine: Ein Oscar-Gewinner bekam laut Informationen der Los Angeles Times keines der 900 Tickets in der ersten Reihe - und blieb deshalb beleidigt daheim.

Willkommen zum Boxkampf zwischen Floyd Mayweather junior und Manny Pacquiao, jenem Gefecht, das unbescheiden als Kampf des Jahrhunderts vermarktet wird und bei dem es um die Weltergewichts-Titel der Verbände WBA, WBC und WBO sowie den inoffiziellen Titel des über die Gewichtsklassen hinweg besten Boxers des Planeten geht. Sportlich geht es um die Frage, ob eine bislang noch nie gefangene Fliege (Mayweather) auch dem derzeit besten Fliegenfänger (Pacquiao) entkommen kann. Mayweather ist ein defensiver Virtuose, Pacquiao ein dauerprügelnder Derwisch.

Neben dem Ring

Das Hotel, in dem der Kampf stattfindet, gleicht tagsüber einem Ameisenhaufen, den sich Bulldoggenameisen und Rote Waldameisen teilen müssen. Die Mayweather-Fans tragen üppige Goldkettchen oder Mützen mit der Aufschrift "The Money Team", die Anhänger von Pacquiao sind in philippinische Flaggen gehüllt und tragen Stirnbänder mit Bibelzitaten. Kein Wunder, dass der Kampf mitunter als Duell zwischen Gut und Böse stilisiert wurde. Das stimmt jedoch nicht: Natürlich ist Mayweather ein selbstgefälliger Flegel, der wiederholt Frauen geschlagen haben soll, doch auch der Keller von Pacquiao ist nicht ohne Leichen: Er gilt als notorischer Fremdgänger, Spieler und Steuerhinterzieher.

Wie schon erwähnt, es gibt 900 Sitze in der ersten Reihe - und die sind mit Prominenten der allerobersten Kategorie gefüllt: Robert De Niro ist da, Clint Eastwood, Denzel Washington, Matt Damon, Will Smith. "Wir haben an diesem Wochenende die meisten Millionäre und Milliardäre aus unserem Land hier", sagt Roxanne McDaris von der Polizei Las Vegas. Lennox Lewis übrigens ist nun auch in der Halle, er hat seine Karte vom Sender HBO bekommen und soll nun analysieren. Auch da: Steffi Graf und Andre Agassi.

Late-Night-Talker Jimmy Kimmel bewirbt sich bis zuletzt darum, doch bitteschön das Einmarschlied für Pacquiao im Ring singen zu dürfen: "Ich kann das, wirklich!" Er gehört eindeutig zum Team des Filipinos wie auch Mark Wahlberg und Adriana Lima. Eindeutig auf der Seite von Mayweather: Sean "P. Diddy" Combs, Jamie Foxx und Justin Bieber. Der übrigens feiert am Nachmittag im Rehab mit DJ Ace, die Gegenparty von P. Diddy findet im The Bank im Bellagio statt. Alle sind rechtzeitig zum Kampf im MGM Grand. Insgesamt sind 16.800 Menschen da. Davon reich und/oder berühmt: 16.800.

Mit güldener Hose und Justin Bieber

In der Kabine

Pacquiao betet gemeinsam mit seiner Mutter. Mayweather begrüßt Justin Bieber.

Einmarsch der Boxer

Pacquiao hat extra für diesen Kampf ein Lied komponiert, es heißt "Lalaban ako para sa Filipino" ("Ich kämpfe für die Philippinen"). Eine Zeile geht so: "Wir kämpfen, ich kämpfe für die Welt. Kämpfe für Deinen Namen! Ich bin ein Filipino, wir alle sind Filipinos." Textlich in Ordnung, musikalisch eher fragwürdig. Liegt aber auch an der äußerst dünnen Stimme von Pacquiao. Der Filipino kommt mit T-Shirt (Aufschrift: "Jesus is the name of the Lord") und Stirnband. Er grinst und scheint sich wirklich auf dieses Duell zu freuen. Hinter ihm tatsächlich: Jimmy Kimmel im Justin-Bieber-Outfit. Grandios!

Dann kommt Mayweather: in güldener Hose, weiß-goldener Robe, mit Justin Bieber und einer skurrilen Königsfigur als Begleiter. Er wirkt ernst, beinahe genervt. Es gibt laute Buhrufe und Pfiffe.

Vorstellung durch die Ringsprecher

Bereits in diesem Moment wird deutlich, wie zäh die Verhandlungen zu diesem Kampf gewesen sein müssen - Mayweather und Pacquiao konnten sich nicht einmal auf eine Stimme einigen, weil in den USA die beiden bedeutenden Bezahlsender das Ereignis übertragen und natürlich jeweils einen eigenen Ringsprecher beschäftigen. Aus diesem Grund darf Showtime-Sprecher Jimmy Lennon junior brüllen: "It's Showtime!" Dann darf HBO-Mann Michael Buffer rufen: "Let's Get Ready to Rumble!"

Danach werden die Kämpfer vorgestellt. Pacquiao wiegt 0,5 Kilogramm weniger als Mayweather, er ist vier Zentimeter kleiner, seine Reichweite ist 13 Zentimeter geringer. Seine Bilanz (57 Siege, fünf Niederlagen, zwei Unentschieden) ist nicht so rein wie die von Mayweather (in 47 Profikämpfen unbesiegt).

Dann dürfen Buffer und Lennon loslegen. Gefühlter Vokallängenvorteil für Buffer. Beim gegenseitigen Anstarren wirkt Mayweather konzentriert, Pacquiao lockerer. In die Augen sehen sie sich nicht.

Runde eins

Die Frage, wie der Fliegenfänger und die Fliege diesen Kampf zu gestalten gedenken, wird schon in der ersten Runde beantwortet. Pacquiao marschiert vorsichtig nach vorne, bleibt aber auf Distanz, damit er Mayweather keine Möglichkeit zu einem Konter bietet. Mayweather dagegen weicht aus, duckt sich, pendelt locker. Beiden ist deutlich der Respekt voreinander anzumerken: Nur keinen frühen Fehler machen, nur nicht zu viel riskieren. Pacquiao zeigt Geduld, greift nur selten wirklich an - und wird sogleich von Mayweather gekontert. Die Runde gewinnt der Amerikaner, dem diese Art der Kampfgestaltung sehr entgegen kommt.

Runde zwei

Mayweather schützt sein Kinn mit vorgeschobener linker Schulter und gestaltet den Kampf über seine linke Führhand. Nun wird der Kampf interessanter - Pacquiao zeigt sich wütender und aggressiver. Mayweather allerdings bewegt sich formidabel durch den Ring. Die Fliege scheint momentan noch schneller und cleverer zu sein als der Fänger mit den Stäbchen. Gegen Rundenende wird Pacquiao präziser, er scheint sich nun auf die Bewegungen seines Gegners eingestellt zu haben. Die Runde sollte an den Filipino gehen.

Geduldig bleiben

Runde drei

Pacquiao muss geduldig bleiben, schließlich ist der Kampf auf zwölf Runden angesetzt. In der Rundenpause erklärt ihm sein Trainer Freddie Roach, nicht unnötig zu schlagen und sich damit selbst zu ermüden. Auch die Taktik von Mayweather wird nun erkennbar: Er lässt sich zurückfallen, gerne auch in die Ringecke - kurz vor dem Ausweichen versucht er, seinen Gegner mit einem kräftigen linken Haken zu treffen. Das gelingt in dieser Runde jedoch nur selten. Pacquiao gewinnt die Runde knapp und teilt das seinem Gegner am Ende des Durchgangs auch mit.

Runde vier

Ringrichter Kenny Bayless ermahnt Mayweather immer wieder wegen kleinerer Nicklichkeiten. Der Amerikaner wirkt unzufrieden, beinahe genervt. Wer die Kombinationen von Pacquiao sieht, der dürfte hin und wieder überprüfen, ob nicht doch der Schnellvorlauf an seinem Fernsehgerät eingestellt ist. Pacquiao schlägt oft gegen die Deckung seines Gegners - doch mitunter trifft er auch, und er trifft auch hart. Mayweather ist beeindruckt und geht äußert angefresen in seine Ecke.

Runde fünf

Nun stellt sich die Frage, ob Pacquiao eine zweite taktische Variante mit seinem Trainer Freddie Roach erstellt hat. Bislang funktioniert die Marschrichtung ordentlich - doch er muss nun auch variabel und überraschend boxen, denn wirklich gefährlich wird er seinem Gegner noch nicht. Nur: Ganz offensichtlich ist Mayweather tatsächlich eine Fliege - denn er versucht bislang nicht, seinem Gegner irgendwie weh zu tun. Er versucht lediglich, nicht erwischt zu werden. Er bringt viel zu wenige Konter an.

Runde sechs

Es ist festzuhalten: Der Kampf ist hochklassig, er ist spannend, er ist unterhaltsam. Durchaus ein Spektakel. Paquiao prügelt, doch Mayweather gibt ihm deutlich zu verstehen, dass ihm diese Schläge nun wirklich gar nichts ausmachen, weil zu viele davon an der Deckung verpuffen. Doch man möchte dem Amerikaner nun zurufen: Auch Pacquiao dürfte sich bislang nur wenig aus den Schlägen seines Gegners machen - weil es einfach zu wenige davon gibt.

Runde sieben

Jetzt wird Mayweather aktiver. Er scheint von seinem Vater in der Rundenpause mitgeteilt bekommen zu haben, dass er diesen Kampf nur dann gewinnen kann, wenn er häufiger trifft. Bislang agieren beide Boxer so, wie es zu erwarten war - was derzeit jedoch auf ein Patt hindeutet: Da boxt einer, der unermüdlich schlägt, gegen einen, der kaum getroffen wird. Die Punktrichter haben an diesem Abend wahrlich keine einfache Aufgabe.

Runde acht

Die Stimmung in der Halle ist nun extrem aufgeladen. Das Publikum wartet auf diesen einen wuchtigen Treffer, der dieses Duell öffnet. Mayweather schützt seine linke Körperseite und lässt dafür den Weg zu seinem Kopf frei. Der Linkshänder Pacquiao kann das nicht nutzen, weil er sich dazu für Konterschläge öffnen würde. Es hat derzeit den Anschein, dass beide Boxer nicht so recht wüssten, wie sie den anderen knacken können.

Mayweather weicht gekonnt aus

Runde neun

Das Duell zwischen dem Rechtsausleger Pacquiao und dem Linksausleger Mayweather ist auch deshalb interessant, weil sich beide andauernd gegenseitig auf die Füße steigen. Der Amerikaner probiert nun häufiger den wuchtigen linken Haken, wirkt dabei aber deutlich unpräziser als in den Kämpfen zuletzt. Er kontrolliert das Gefecht dennoch aus der Defensive, Pacquiao braucht nun - auch wenn er der aktivere Boxer ist - eine zweite, eine überraschende Strategie für die letzten drei Runden.

Runde zehn

Pacquiao hat tatsächlich eine zweite Strategie mitgebracht, er versucht es nun mit explosiveren Angriffen - denen Mayweather indes gekonnt ausweicht. Erst gegen Rundenende gelingen dem Filipino einige Treffer, doch angeschlagen wirkt Mayweather noch nicht. Der Amerikaner marschiert am Ende recht zufrieden in seine Ecke. Offenbar hat er das Gefühl, diesen Kampf zu kontrollieren und auch Tempo und Rhythmus zu bestimmen.

Runde elf

Es ist extrem knifflig zu bestimmen, wer auf den Zetteln der Punktrichter gerade vorne liegen dürfte - die letzten beiden Runden könnten deshalb durchaus prägend sein. Mayweather verblüfft seinen Gegner nun mit Offensiv-Aktionen, offensichtlich hat die Fliege doch einen kräftigen Stachel dabei. Tatsächlich wirkt der Amerikaner nun souverän, während Pacquiao ein wenig ratlos daherkommt. Er will angreifen, er will treffen - doch es gelingt ihm zu selten. Erst gegen Rundenende trifft er, doch Mayweather kann stets kontern.

Runde zwölf

Freddie Roach fordert seinen Schützling auf, noch einmal alles zu versuchen: "Let's go, let's go, let's go!" Vor der letzten Runde umarmen sich die beiden Boxer, das verdeutlich den Respekt, den beide voreinander haben. Mayweather hat die zweite Hälfte des Kampfes dominiert, auch wenn Pacquiao der aktivere Boxer war. Der Filipino versucht es noch einmal mit Angriffen, doch wirkt er auch müde und ausgelaugt. Ihm scheint die Kraft für eine letzte, entscheidende Kombination zu fehlen. Mayweather hebt Sekunden vor dem Ende bereits seine rechte Faust.

Nach dem Kampf

Die Punktrichter bestimmen über den Sieger - als den sich zunächst beide Sportler am Ende des Kampfes sehen. Beide lächeln, beide lassen sich von ihrer jeweiligen Entourage feiern. "I told you!", ruft Mayweather den Fans zu. "Ich habe es Euch gesagt!" Dann geht er noch vor der Verkündung des Urteils zu Pacquiao und umarmt seinen Gegner. Der jedoch steigt danach ebenfalls auf die Ringseile und lässt sich von den Fans bejubeln.

Nun kommt das Urteil. Es lautet: 118:110. 116:112. 116:112. Für Mayweather. Die Entscheidung ist korrekt, fällt aber ein wenig zu deutlich aus.

"Ich will Gott für diesen Sieg danken", sagt, ja wirklich, Mayweather: "Ich ziehe meinen Hut vor Manny Pacquiao. Er hat gezeigt, warum er zu den Besten in diesem Sport gehört. Ich habe aber schlau geboxt, ich habe ihm kaum Möglichkeiten gegeben. Er ist ein starker Gegner, er ist kräftig und präzise - doch wir haben uns gut vorbereitet." Und: "Wenn die Geschichtsbücher geschrieben werden, wird sich die Warterei auf diesen Kampf gelohnt haben." Er will noch einen Kampf absolvieren, dann will er seine Karriere beenden.

"Es war ein guter Kampf - ich glaube, dass ich gewonnen habe. Er hat doch nichts gemacht", beschwert sich Pacquiao: "Ich habe ihn häufiger getroffen." Mayweather habe sich gut bewegt und deshalb wenig Möglichkeiten zu Treffern geboten: "Aber ich war tatsächlich der Meinung, dass ich vorne lag."

Zu einem Rückkampf wird es mutmaßlich nicht kommen, aber das wird sich zeigen, nachdem Mayweather tatsächlich seine Gürtel zurückgeben hat. Wann das der Fall sein wird? "Vielleicht morgen, vielleicht Montag, vielleicht in einigen Wochen - ich will jetzt erst mal den Sieg genießen."

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