Manipulation im Fußball:"Die Liga braucht Cops"

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Details einer Schattenwelt: Der Enthüllungsautor Declan Hill sieht den Fußball in "ernster Gefahr" und fordert neue Wege gegen den Wettbetrug.

Claudio Catuogno

Irgendwann wird Declan Hill auf Karl-Heinz Rummenigge angesprochen und auf dessen Einschätzung, der deutsche Fußball sei gut aufgestellt im Kampf gegen verschobene Spiele. Weil es ja Frühwarnsysteme gibt, die Alarm schlagen, wenn auf bestimmte Partien verdächtige Summen gewettet werden. Gut aufgestellt? Da kann sich der kanadische Autor, der bisher ein ernstes, der Brisanz des Themas angemessenes Gesicht aufgesetzt hat, ein Lächeln nicht verkneifen. Ein spöttisches Lächeln. "Respekt vor Herrn Rummenigge und seinen Maßnahmen", sagt Hill. Aber gegen den Kern des Problems, den illegalen asiatischen Glücksspielmarkt, "sind diese Maßnahmen so gut wie nutzlos".

"Die Leute, die ihn in China und Malaysia schon zerstört haben, kommen jetzt hierher und zerstören unsere Ligen." Autor Declan Hill. (Foto: Foto: AP)

Wenn hier irgendwer etwas im Griff hat, das ist Hills Botschaft, dann die Wettmafia den Fußball - nicht umgekehrt. Drei Jahre lang hat der mehrmals ausgezeichnete Journalist in Asien recherchiert. Nun fördert sein Enthüllungsbuch "Sichere Siege", das er am Montag in Berlin vorstellte, beklemmende Details einer Schattenwelt zu Tage. Anhand konkreter Begegnungen mit Wettpaten und ihren Mittelsmännern beschreibt Hill die Motive und Mechanismen hinter verschobenen Fußballspielen, bis hin zu bestochenen Profis und Schiedsrichtern in Europa. "Der Fußball ist in ernster, ernster, ernster Gefahr", sagt er. "Die Leute, die ihn in China und Malaysia schon zerstört haben, kommen jetzt hierher und zerstören unsere Ligen."

Hills eindrücklichstes Beispiel war bereits vorab bekannt geworden: die mögliche Manipulation des WM-Achtelfinales 2006 zwischen Ghana und Brasilien (0:3). In diesem Fall gelang es Hill, Absprachen eines asiatischen Wettpaten mit Mittelsmännern aus Ghana über Monate zu verfolgen. Der Kapitän des ghanaischen Nationalelf, Stephen Appiah, habe eingeräumt, Umgang mit Matchfixern aus Malaysia zu haben und auch Geld anzunehmen, schreibt Hill. Der ehemalige Nationaltorhüter und spätere U-17-Trainer Abukari Damba wurde von Hill als Kontaktmann enttarnt. Er wies am Montag in Bild alle Vorwürfe zurück ("Lüge! Unwahr!") und beteuerte sogar, nie im Leben in Bangkok gewesen zu sein. Hill behauptet allerdings, Dambas Treffen in Bangkok mit Fotos belegen zu können.

Eines musste Declan Hill am Montag aber auch betonen: dass er Indizien liefert, keine Beweise. Etwa, wenn er von Kriminellen in Asien berichtet, die ihm die Ergebnisse der WM-Spiele Ghana gegen Italien (0:2), England gegen Ecuador (1:0) und Ukraine gegen Italien (0:3) teilweise bis aufs Ergebnis genau vorhergesagt hätten. Eine andere Geschichte wiederum verleiht einer Recherche des Spiegel zusätzliche Glaubwürdigkeit: Das Magazin hatte berichtet, zwei Bundesligaspiele aus dem Jahr 2005, Hannover gegen Kaiserslautern (5:1) und Karlsruhe gegen Siegen (2:0), seien möglicherweise verschoben worden, weshalb der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Montag Kontakt zur Frankfurter Staatsanwaltschaft aufnahm. Von einer hohen Niederlage der Lauterer in Hannover wusste auch einer von Hills Kontakten - vor dem Anpfiff!

Ähnlich wütend wie das kriminelle Milliardengeschäft macht Hill das Beschwichtigen der Funktionäre. "Alle US-Profiligen - Football, Eishockey, Basketball - haben ein security departement", sagt er. "Da arbeiten Cops, ehemalige FBI-Agenten, richtige Profis. So etwas brauchen sie auch in den Fußballverbänden." Um solche Maßnahmen in Deutschland durchzusetzen, müssten die Offiziellen aber erstmal zugeben, wie groß die Bedrohung des Fußballs wirklich ist. Bisher scheinen sie ihr Produkt vor allem dadurch schützen zu wollen, dass sie die Augen verschließen.

Declan Hill: "Sichere Siege. Fußball und organisiertes Verbrechen.” 416 Seiten. Kiepenheuer & Witsch. ISBN 978-3-462-04067-8. 14,95 Euro.

© SZ vom 02.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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