Lewis Hamilton:Glitzersmoking gegen Schlafanzug

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Galauniform: Lewis Hamilton präsentiert sich im feinen Zwirn auf den Filmfestspielen in Cannes. (Foto: Regis Duvignau/Reuters)

Der Weltmeister mit dem Luxusvertrag zelebriert seine Show-Auftritte. Die Kritik an seinem Lebensstil lässt ihn kalt.

Von Elmar Brümmer, Monte Carlo

Der Vergleich ist vielleicht ein bisschen unfair, aber er illustriert ganz gut, in welche unterschiedlichen Welten die beiden Mercedes-Werksfahrer Lewis Hamilton und Nico Rosberg leben und denken, obwohl beide in Monte Carlo zuhause sind. Es ist der Donnerstagabend, die Nacht vor dem an der Cote d'Azur traditionell freien Freitag. Lewis Hamilton macht sich nach seiner Tagesbestzeit auf zu den Filmfestspielen in Cannes, um an einer Gala teilzunehmen. Tischdame ist das kalifornische Model Gigi Hadid, die ein Kleid in Bikinigröße trägt. Das Paar ist die Attraktion des Abends.

Zur gleichen Zeit, 50 Kilometer weiter südlich - Nico Rosberg nimmt sein Bettzeug und zieht aus dem Schlafzimmer seines Apartments um in das Kinderzimmer, das schon für die Tochter eingerichtet ist, die Gattin Vivian im Sommer erwartet. Rosberg will seine Ruhe, denn direkt unter dem Zimmer mit dem Ehebett ist am Rennwochenende eine Stranddisko eingerichtet, in der bis zum Morgen gefeiert wird. Also verzieht er sich nach hinten.

Glitzersmoking gegen Schlafanzug, ein reizvolleres Duell gibt es gerade nicht in der Formel 1.

Hamilton verdient viermal so viel wie der Mercedes-Vorstandsboss

Und der Ausgang des verrücktesten Rennens der Saison erhöht den Reiz noch. Trotz des glücklichen Rosberg-Hattricks ist Lewis Hamilton der Mann der Woche in der Königsklasse. Genau vor diesem Rennen die Unterschrift unter einen neuen Drei-Jahres-Vertrag mit Mercedes zu setzen, war taktisch klug. Nachdem er schon den Grand-Prix-Sieg in Barcelona dem Dauer-Rivalen Rosberg hatte überlassen müssen, tat so ein mentaler und finanzieller Aufschwung ganz gut. Bis zu 140 Millionen Euro können, mit Prämien und Werbeverträgen, am Ende der Vertragslaufzeit für den Briten herausspringen. Allein das Fixgehalt soll sich um die 30 Millionen Euro bewegen. Damit ist Hamilton der am besten verdienende aller 279972 Daimler-Mitarbeiter, er bekommt im Jahr ein Fixum, das beinahe viermal so hoch ist wie das des Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff, in dessen Zukunftsplanung die sich über ein halbes Verhandlungsjahr ziehende Weiterverpflichtung Hamiltons eine große Rolle spielte, lässt sich vom Zahlenspiel nicht provozieren: "Wir befinden uns hier auf einem Markt, und dort hat jeder einen bestimmten Wert. Lewis ist einer der besten Rennfahrer, wenn nicht derzeit sogar der Beste. Er ist für die Marke von unschätzbarem Wert. Und dieser Wert bestimmt seinen Preis." Wolff ist überzeugt, dass es sich bei dem Deal um eine klassische Win-Win-Situation handele.

Klar, dass sich jede Lewis-Hamilton-Story an diesem Wochenende ums Geld dreht. Was macht denn ein 30 Jahre alter Junggeselle, der ohnehin schon alles hat, mit solchen Summen? Er hat ja schon ein Apartment in Monte Carlo, ein Haus in London und eine Bleibe an der US-Westküste, der neue Ferrari ist bestellt. In New York spekuliert die "Post", dass sich Hamilton ein etwa 30 Millionen Dollar teures Penthouse in Manhattan zulegen will. Wenn er das tatsächlich tut, wird er noch häufiger als bisher mit seinem roten Challenger Privatjet über den Atlantik hin- und herfliegen, manchmal tut er das sogar zweimal innerhalb der zehn freien Tage zwischen zwei Formel-1-Rennen.

Ein Lebensstil, der in Großbritannien momentan gern gegeißelt wird. Ex-Weltmeister Damon Hill, der sich als TV-Moderator verdingt, gibt den Reisen zu Dreharbeiten und Boxkämpfen die Schuld an der Niederlage von Barcelona: "Mir kommt es so vor, als sei Lewis in Spanien für einen kurzen Moment nicht bei der Sache gewesen. So ein Jetlag ist ziemlich belastend. Du kannst dann nicht in deiner besten Form sein. Auch jemand, der wie Lewis mit einem Überfluss an Talent gesegnet ist, kann es sich nicht leisten, einem wie Nico solche Geschenke zu machen."

Aber Lewis Hamilton wäre ohne die permanente Provokation und Herausforderung nicht der überzeugende Champ, der er momentan ist. Das gewohnte Leben am Limit setzt er im Privatleben fort. Er kann nicht anders, er will nicht anders. Dass er das meiste davon öffentlich tut und selbst über die sozialen Medien befeuert, ist für ihn nicht nur eine Frage des Images, sondern Selbstverständlichkeit. Einen Formel-1-Piloten, der auch mal gern mit dem persönlichen Stylisten oder Fotografen anreist, das macht Hamilton sogar in der langen Reihe der Typen aus früheren Jahren zu einer Ausnahmeerscheinung. So lange der Erfolg stimmt, kann er sich alles herausnehmen. Das Spiel mit diesem Risiko liebt er, es treibt ihn an.

In Monte Carlo hat er dem direkten Rivalen und allen Kritikern schon mit seiner ersten Pole-Position im Fürstentum gezeigt, dass locker leben und locker siegen für ihn zusammen gehören. Dass ihn eine strategische Panne um den verdienten Lohn auf der Piste bringt, kann man ihm nicht anlasten. Er war 64 Runden lang überlegen konzentriert gefahren.

Ecclestone: "Sorry, Nico, Du bist nicht so gut fürs Geschäft"

Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone hat sich schon mehrfach als Hamilton-Fan geoutet, der 84-Jährige ist ja mit exzentrischem Verhalten von seinen beiden Töchtern her vertraut. Ecclestone weiß, dass gerade nur Hamilton für den Glamour taugt, der ein Teil der Geschäftsgrundlage im Grand-Prix-Sport ist. Doch der Zampano sieht in dem ausgeprägten Selbstvertrauen des Rennfahrers auf Dauer auch einen Vorteil im Duell mit Nico Rosberg. Die Persönlichkeit Hamiltons drängt den deutschen Gegner Richtung Wand. Ecclestone, seit der unfreiwilligen 100-Millionen-Überweisung an den Freistaat Bayern ohnehin kein glühender Deutschen-Freund mehr, nutzt das Duell bei Mercedes zu einer kleinen Abrechnung: "Lewis ist der beste Champion, den wir seit langer, langer Zeit hatten. Er verkauft die Sache prima, auch auf dem roten Teppich, bei der Mode, in der Musik. Deshalb bin ich ein großer Fan von ihm, weil er der perfekte Verkäufer für unseren Sport ist. Sorry, Nico, rein aus wirtschaftlicher Sicht bist Du nicht so gut fürs Geschäft", sagt er in BamS. Und Rosberg bekommt noch einen weiteren Schwinger ab: "Er hat eben etwas Pech, dass er die deutschen Fans
auf seiner Seite hat. Denn wie wir an der Absage des
Deutschland-Rennens gesehen haben, ist Deutschland ein furchtbarer
Markt für die Formel 1."

Dabei ist Nico Rosberg frecher geworden, häufig aber auch nur patzig. Er versucht, in den Auseinandersetzungen eine Fortsetzung der Neckereien zu sehen, die zwischen den beiden liefen, als sie noch gemeinsam in Nachwuchsserien fuhren und sogar das Hotelzimmer teilten. Dabei weiß auch er, dass der Freund von damals heute ein Feind im eigenen Team ist. Aber Nico Rosberg wahrt gern den Anstand: "Ich habe Lewis zum Vertrag gratuliert. Es war sicherlich ein aufregender Moment, als er unterschrieben hat. Wir haben einen großartigen Kampf, und darum geht es im Rennsport doch." Rosberg sagt, dass er mit seinem eigenen Kontrakt sehr zufrieden sei - auch wenn dieser auf die Hälfte taxiert wird. Für ihn eine zusätzliche Herausforderung.

Davon, dass Hamilton aufgrund der hohen Summe auch automatisch eine bessere Stellung im Team habe, will Nico Rosberg nichts wissen. Der vierfache Weltmeister Alain Prost widerspricht dem, und sieht nicht nur den psychologischen Vorteil: "Natürlich ist das Gehalt auf eine Art auch ein Zeichen."

Wert hat selbst im gnadenlosen Renngeschäft etwas mit Wertschätzung zu tun.

© SZ vom 24.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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