Leverkusen:Entlassene spielen besser

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Ein Katapult für die kommenden englischen Wochen: Nach der Falschmeldung seiner Demission landet Bayer-04-Coach Roger Schmidt gegen Eintracht Frankfurt einen wichtigen Sieg mit Signalwirkung.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Roger Schmidt ist in seiner Trainerkarriere erst ein Mal entlassen worden: vor sieben Jahren, bei Preußen Münster in der vierten Liga. Zuvor beim Amateurklub SC Delbrück sowie danach beim Zweitligisten SC Paderborn und in Österreich bei RB Salzburg ist Schmidt selbst gegangen. In Münster wurde er in seiner dritten Saison suspendiert. Auch bei Bayer Leverkusen ist Schmidt gerade in seiner dritten Spielzeit. Doch die Entlassung, die man ihm vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt angedichtet hatte, war eine Falschmeldung. Der Bezahlsender Sky hatte alternative Fakten verbreitet, die der Klub eilig zu Fake News degradierte. Nachdem die Partie anschließend in durchaus ansehnlicher Manier mit 3:0 gewonnen war, wirkten der Trainer Schmidt, der Sportdirektor Rudi Völler und der Geschäftsführer Michael Schade trotz oberflächlicher Empörung aus drei Gründen sichtbar erleichtert: Weil die Mannschaft eine Reaktion gezeigt hatte; weil der Sieg ein Argument für Schmidt darstellte; und weil der Klub seine Wut auf externe Aggressoren lenken konnte. So etwas wirkt befreiend aufs Innenverhältnis.

Es könnte sein, dass Schmidt in dieser Woche sogar Lust verspürt, mal wieder in die Zeitungen zu schauen. Darauf, berichtete er, hatte er zuletzt verzichtet, weil ihm weder die Niederlagen gegen Gladbach und Hamburg noch die Debatte um seine Person und Leverkusens mauen Fußball eine positive Presse in Aussicht stellten. "Wir waren in einer schwierigen Situation", sagte er nach dem 3:0. So negativ war die Lage, dass nicht nur Sky sich aus dem Fenster gelehnt, sondern auch die Bild berichtet hatte, Bayer suche bereits nach einem Nachfolger für Schmidt. "Perfide Kampagnen", nennt Geschäftsführer Schade das, "dabei gab es bei uns weder eine Diskussion noch eine Sitzung noch eine Entlassung, und wir hatten auch keine Trainerkrise, sondern eine Ergebniskrise." Mit dem Begriff Ergebniskrise konfrontiert, war Sportchef Völler jedoch um Präzisierung bemüht. "Das war schon mehr als eine Ergebniskrise", gestand er zu.

Der Mexikaner Javier "Chicharito" Hernandez beschenkte Leverkusen und den nicht unumstrittenen Trainer Roger Schmidt (rechts) mit zwei Toren. (Foto: Chai v.d. Laage/Imago)

In welche Dimension die interne Analyse längst vorgedrungen war, deuteten anschließend Schmidts Ausführungen an. Der Trainer stellte in einem ausgiebigen Monolog detailliert dar, warum Leverkusen den Ambitionen zuletzt nicht genügen konnte. "Wir haben zwar eine gute Mannschaft, aber wir sind nicht Bayern München und auch nicht Borussia Dortmund", hob er an, "die haben den doppelten und dreifachen Etat, während wir mit dem fünft- oder sechsthöchsten Etat der Bundesliga jedes Jahr Champions League spielen wollen." In solch einer Konstellation halte er es für normal, "dass man als Trainer immer mal wieder in schwierige Situationen gerät, zumal, wenn man wie wir gerade dabei ist, ein komplett neues, junges Team aufzubauen". Von glücklichen Fügungen fühle man sich überdies nicht gerade begünstigt. "Wichtige Spieler sind oder waren verletzt, und mit Hakan Calhanoglu reißt man uns auf einmal auch noch unseren von der Form her besten Spieler weg."

Rudi Völler sieht noch längst nicht alles rosarot: "Wir machen jetzt keinen Schampus auf."

Das 3:0 gegen am Ende matte Frankfurter zeigte die Leverkusener trotz all dieser Probleme in spielerisch verheißungsvoller Verfassung. Javier "Chicharito" Hernández erzielte früh das 1:0 und - nach einer ausstellungsreifen Kombination - das 2:0. Dass Kevin Volland mit dem 3:0 sein erstes Bundesligator für Leverkusen beisteuerte, wertete Schmidt als Signal für individuelle Verbesserungen im Kollektiv. "Ein Schlüssel für unsere Formverbesserung ist, dass einzelne Spieler in aufstrebender Verfassung sind." Den Sieg wünscht sich Schmidt als Katapultstart in jene englischen Wochen, in denen es die Werkself nach dem Ligaspiel am Freitag in Augsburg mit dem Champions-League-Kontrahenten Atlético Madrid zu tun bekommen. "Atlético wird ein Sahnetag", sagte Schmidt, der sich nach bitteren Entbehrungen wieder auf die süßen Momente des Fußballs freut.

Scherenschlag ins Glück: Javier Hernandez bei seinem Treffer. (Foto: Jan Huebner/Imago)

Sportchef Völler indes sieht noch längst nicht wieder alles rosarot. "Wir machen jetzt keinen Schampus auf", witzelte er. "Den Gegenwind hatten wir verdient; jetzt müssen wir auch in Augsburg und gegen Madrid so spielen wie gegen Frankfurt." Nur für diesen Fall glaubt man in Leverkusen wirklich an die Trendwende, und die Chancen erhöhten sich, dass Schmidt auf der fünften Trainerstation nicht doch noch die zweite Entlassung ereilt.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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