Leipzig:Der Anti-Dembélé

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Kopf frei: Naby Keita (rechts), hier bei seinem Treffer zum 1:0, war für Leipzigs Trainer Hasenhüttl „einer der besten Spieler auf dem Platz“. (Foto: Ronny Hartmann/Getty Images)

Obwohl ihm RB den Wunsch verweigert, schon jetzt nach Liverpool zu wechseln, spult Keita beim 3:1-Sieg gegen Schalke professionell seine Leistung ab.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Plötzlich war Naby Keita weg. Als ob ihn die Katakomben der Leipziger Arena verschluckt hätten. Eine Mitarbeiterin von RB Leipzig suchte ihn; lief aus der Kabinengang heraus in Richtung Vip-Raum, kehrte wieder zurück. Doch der Guineer war nicht aufzufinden.

Nicht, dass den Leipzigern zurzeit daran gelegen wäre, ihn der Öffentlichkeit vorzuführen. Dass Keita nach dem 3:1-Sieg gegen den FC Schalke 04 nicht in der "Mixed Zone" auftauchte - dem Ort also, wo sich Journalisten und Spieler treffen -, dürfte ihnen sogar bestens in den Kram gepasst haben; Fragen nach Keita wurden abschlägig beschieden. Dabei war er durchaus von Interesse: Keita, 22, ist in aller Munde, seit im Raum steht, dass der ursprünglich für den Sommer 2018 verabredete, preislich bereits fixierte und wohl 75 Millionen Euro schwere Wechsel zum FC Liverpool vielleicht doch schon im Januar über die Bühne geht. Beziehungsweise, wie seit Sonntag zu sagen wäre: im Raum stand.

"Wir geben Naby Keita nicht frühzeitig ab, auch wenn der FC Liverpool sein Interesse an ihm nun noch einmal hinterlegt hat, ihn bereits in diesem Transferfenster verpflichten zu wollen", ließ Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick am Sonntag offiziell mitteilen, "wie jeder weiß, sind wir kein Verkaufsklub." Dass er dies selbst relativierte, war das eine. Rangnick ließ nämlich auch durchblicken, dass RB Verkaufsklub geworden wäre, "wenn wir eine einvernehmliche Lösung im Sinne einer exorbitanten zusätzlichen Ablösezahlung erreicht hätten".

Noch interessanter war freilich, dass Rangnick sich am Sonntag quasi selbst dementierte. Weniger als 24 Stunden zuvor hatte er nämlich noch beim TV-Sender Sky behauptet: "Bei uns hat sich niemand gemeldet." Und: "Weder der Spieler noch Liverpool haben diesbezüglich mit uns Kontakt aufgenommen." Das war nicht nur im Lichte der Presseberichte in Deutschland und England über das Liverpool-Interesse mindestens kurios. Auch in der RB-Kabine war längst aufgefallen, dass der sonst so heitere Keita in sich gekehrt und problembeladen wirkte. Unter den Spielkameraden gärte die Überzeugung, dass Keita den Vorgesetzten eben doch erklärt hatte, den Schritt in die Premier League schon jetzt vollziehen zu wollen, und mit dem Anliegen auf Granit gebissen hatte. Dazu passte, dass Trainer Ralph Hasenhüttl bekannte, viel Energie aufgewendet zu haben, um Keitas Kopf freizubekommen. Man betreibe "immer einen großen Aufwand", um die Spieler gut vorbereitet in eine Partie zu schicken, sagte Hasenhüttl: "Bei Keita war er diesmal etwas höher."

Andererseits: Richtig überrascht war Hasenhüttl von Keita nicht. Ihm sei klar gewesen, "dass er zeigen möchte, wofür er steht", sagte der Österreicher. Was das bedeutet, wird klarer, wenn man sich vor Augen führt, was für Transferpossen sich in der jüngeren Vergangenheit abgespielt haben - etwa rund um den früheren Dortmunder Stürmer Ousmane Dembélé, der seinen Wechsel zum FC Barcelona dadurch erzwang, dass er dem Training fernblieb.

Denn Keita war beim Sieg gegen Schalke ein "Aktivposten", wie Hasenhüttl bilanzierte. Der Guineer entsprach damit ganz seinem stolzen Selbstverständnis als Profi, das er in Interviews immer wieder betont und das so gar nicht zu der Unterstellung passt, die er in diversen Medien lesen musste: dass er versucht sein könnte, seinen Wechsel durch eine Art fußballerischen Bummelstreik voranzutreiben.

Wenn Leipzig die internationalen Plätze verfehlt, sinkt Keitas Ablöse auf unter 65 Millionen

Das Gegenteil war der Fall. Keita war gegen Schalke "richtig gut, bis zu seiner Auswechslung einer der besten Spieler auf dem Platz", sagte Hasenhüttl, "ich freue mich, dass er sich auch noch mit einem Tor belohnt hat." Dass er in der 63. Minute vom Platz genommen wurde, lag daran, dass er seinen Einsatz für das Team sogar übertrieb und nach einer gelben Karte, wegen der er am kommenden Spieltag gesperrt ist, am Rande des Platzverweises wandelte. Keita hatte in der 41. Minute die 1:0-Führung erzielt, die der insgesamt unglücklich agierende Naldo kurz nach der Pause egalisierte. Unglücklich deshalb übrigens, weil Naldo den Leipzigern bei allen drei Toren assistierte: Wie schon bei Keitas Treffer aus 18 Metern fälschte Naldo den Ball auch beim 1:3 durch Bruma (71.) ab; das 1:2 durch den unter der Woche infektgeschwächten Nationalstürmer Timo Werner (69.) leitete er durch einen fatalen Fehlpass ein. Das Resultat: Leipzig beendete gegen den Tabellenzweiten eine Serie von fünf Spielen ohne Sieg und schob sich damit nicht nur an den Schalkern vorbei, sondern steht nun wieder auf einem Champions-League-Platz. Und das ist nicht nur eine Frage des Prestiges, sondern auch des Geldes.

Denn wie der Kicker berichtete und von einer Quelle bestätigt wird, die mit dem Vorgang vertraut ist, würde sich die mit Liverpool vereinbarte Ablöse von 75 Millionen Euro verringern, wenn Leipzig am Ende der Saison nicht unter den ersten Vier landen sollte. Bei Verfehlen eines internationalen Wettbewerbs würde die Summe sogar unter 65 Millionen Euro sinken. Damit ist Keita in einer kuriosen Situation: Er könnte seinem künftigen Arbeitgeber eine Menge Geld sparen, in dem er seinem jetzigen sportlich schadet.

Doch nichts liegt ihm ferner als die Rolle des Saboteurs, das war am Samstag deutlich zu sehen. Andererseits wurde auch offenbar, dass etwas zerbrochen ist im Verhältnis zwischen Keita und Leipzig. Nach seinem Tor verzichtete Keita demonstrativ darauf, zu jubeln, und nicht nur ein Mitspieler hatte den Eindruck, dass das nichts anderes war als ein stummer Protest gegen die - dem Vernehmen nach: barsche - Weigerung Leipzigs, über einen vorzeitigen Wechsel zu sprechen. Keita lieferte dennoch, und er war auch am Sonntag wieder pünktlich da, als sich die Mannschaft zum Auslaufen traf.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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