Leipzig - Bremen (15.30 Uhr):Juwel aus Gambia

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Eifriger Arbeiter: Dem Gambier Ousman Manneh könnte bei Werder Bremen eine große Zukunft beschieden sein. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Der 19-jährige Flüchtling Ousman Manneh ist derzeit Bremens stärkster Stürmer. Nun wird er endlich auch Profi.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Claudio Pizarro ist weiter verletzt, Max Kruse auch. Und Ersatz Aron Johansson meldete sich ebenfalls unpässlich. Vor dem Auswärtsspiel des SV Werder am Sonntag bei RB Leipzig gibt es auf den ersten Blick nichts Neues vom Paradesturm. Die Meldungen dazu bleiben schlecht.

Aber irgendwie gibt es dann doch eine frische Nachricht, und die ist äußerst positiv: Denn die Bremer sind gerade dabei, aus dem gambischen Flüchtling Ousman Manneh einen richtigen Profi zu machen. Bisher hat der 19-Jährige, der am vergangenen Wochenende als Siegtorschütze gegen Bayer Leverkusen imponierte, einen klassischen Ausbildervertrag als Drittliga-Profi, gültig bis 2018. Und das soll demnächst anders werden, deutet Geschäftsführer Frank Baumann an. Es geht also um viel Geld - einerseits für Werder, das sich das Juwel länger sichern will, aber auch für Manneh, der dann in eine völlig andere Gehaltsklasse aufrückt.

Die Geschichte vom Flüchtling zum Millionär nimmt also langsam Gestalt an. Man habe Manneh und seinem Berater schon vor Wochen eine Rückmeldung gegeben, dass man "sehr zufrieden" mit seiner Entwicklung sei, sagt Baumann. Der Vertrag soll nicht nur verlängert werden, weil Manneh jetzt seine ersten vier Bundesliga-Spiele bestritten hat. Das habe man sowieso vorgehabt. Besonders Cheftrainer Alexander Nouri, der das Talent schon in der zweiten Mannschaft betreute, baut auf dessen Stärken. Wer mit 17 Jahren allein in die fremde Welt zieht, weil er es in seinem von Terror und Korruption gebeutelten Heimatland nicht mehr aushält, der habe "große Stärken", sagt Nouri.

Über die Flucht möchte Manneh nicht sprechen

Manneh hatte vor zwei Jahren seine Heimat Gambia verlassen und kam als Flüchtling in der Hansestadt unter. Mutig muss so jemand sein, lernwillig und anpassungsfähig. Über die Flucht mag er nicht sprechen. Das würde zu viel aufwühlen. Über Fußball aber redet er gern, auch wenn sein Berater Martin Opoku Tuffour ihn vorerst aus der Öffentlichkeit außerhalb des Weser-Stadions heraushalten will. Manneh solle sich weiter ganz auf den Fußball konzentrieren. Gleichwohl hat er nach dem 2:1-Sieg und seinem Tor, dem ersten eines Gambiers in der Bundesliga, erzählt, dies sei bisher der "größte Moment in meinem Leben".

Was nicht nur Baumann und Nouri an dem 1,89 Meter großen Schlaks imponiert, ist neben seinem beachtlichen Fußballtalent sein großer Arbeitseifer. Wesentlich trug er zum "überragenden Teamspirit" bei gegen die spielerisch überlegenen Leverkusener. Der "liebe Junge, der gut zuhört", wie Kapitän Clemens Fritz den neuen Mitspieler beschreibt, hat offenbar klare Vorstellungen, wie es mit ihm weitergehen soll. Es gehört nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen, wie auch seine in Gambia gebliebene Mutter und seine Schwester vom neuen Reichtum profitieren.

Täglich telefoniere er mit seiner "Mom", berichtet er. Sie mache sich immer Sorgen, "aber das braucht sie nicht". Ist wohl auch unnötig bei einem Sohn, der offenbar einen klaren Plan hat und einen Coach, der in ihm auch den Menschen sieht und nicht nur das Talent. "Alex fordert mich", sagt er, "er sagt, ich habe die Qualität und ich solle etwas daraus machen." Nouri selbst sagt: "Ich bin nur der Trainer." Es sei aber schon bemerkenswert, wie Manneh mit dieser "tief greifenden und berührenden Geschichte" umgehe.

Dass Manneh noch länger in Bremen bleibt, ist sehr wahrscheinlich. Nicht nur, weil sein Berater Tuffour ein Bremer mit afrikanischen Wurzeln ist und früher selbst in Werders Amateurmannschaft spielte. Frank Baumann ist auch von Mannehs Bodenständigkeit überzeugt. Natürlich hätten sich die Karten von Ousman in den vergangenen Wochen verbessert, sagt er. Aber er wisse auch, was er an Werder habe. "Bremen", sagte Baumann der Syker Kreiszeitung, "ist für ihn so etwas wie seine zweite Heimat geworden."

© SZ vom 23.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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