Leichtathletik-WM:Aus Erfahrung ruhig

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Hochsprung-Weltmeisterin Blanka Vlasic blickt gelassen auf das WM-Treffen mit ihrer deutschen Konkurrentin Ariane Friedrich.

Thomas Hahn

Bald ruft das Vaterland wieder, und Blanka Vlasic, die kroatische Hochspringerin, nimmt die Pflicht sehr ernst, die sich daraus ergibt. Also lässt sie in diesen letzten Tagen vor dem Start der Leichtathletik-WM in Berlin am 15.August die Seele baumeln. "Ich versuche, meinen Kopf zu leeren", sagt sie, was ein bisschen so klingt, als lasse sie sich von jemandem an den Beinen mit dem Kopf nach unten über einen Abgrund halten und so lange ausschütteln, bis auch der letzte Zweifel aus ihrem Kopf in die Tiefe gerieselt ist.

Weltklasse-Hochspringerin Blanka Vlasic wirkt entspannt vor der anstehenden Leichtathletik-WM in Berlin (Foto: Foto: AFP)

In Wirklichkeit verbringt sie bloß ein paar ruhige Tage in Split, ihrer Heimatstadt, deren Schönheit sie im Ausland immer wieder anpreist, genießt die dalmatische Sonne, geht an den Strand, trainiert, denkt nicht an Berlin. "Diese zwei Wochen zu Hause sind wie Ferien für mich", sagt Blanka Vlasic und richtet sich an ihr Publikum: "Warum sich Sorgen machen?"

Gute Frage. So eine WM wirkt in den Darstellungen mancher Athleten immer so bedrohlich. Wie eine Expedition in unbekanntes Land, in dem wilde Tiere und sonstige Gefahren lauern. Dabei ist eine WM nur eine WM, ein Spiel auf großer Bühne ohne wilde Tiere, ohne Gefahren, allenfalls mit ein paar strengen Rezensenten und Hoffnungen, die Niederlagen enttäuschen könnten. In diesen letzten Tagen vor dem Saisonhöhepunkt ist es die Aufgabe der Teilnehmer, die WM-Aufgabe in ihrer Vorstellung nicht zu groß werden zu lassen, damit sie keine Angst davor bekommen. Vor allem die Deutschen als Vertreter des Gastgeber-Verbandes DLV, der mit der Heim-WM die Aussicht auf einen anhaltenden PR-Erfolg verbindet, müssen ihre Nervosität dämpfen, was etwa die Frankfurter Hochspringerin Ariane Friedrich dazu veranlasst hat, vergangenen Sonntag bei der DLV-Gala in Wattenscheid nach möglichst wenigen Interviews in ein mediendichtes Vor-WM-Refugium zu entschwinden.

Um Jahre voraus

Blanka Vlasic, Ariane Friedrichs große Konkurrentin in Berlin, wirkt da etwas weniger gestresst vom bevorstehenden Medaillenkampf. Das mag daran liegen, dass Ariane Friedrich als Gold-Hoffnung des Veranstalterlandes einem ganz anderen Druck ausgesetzt ist als die Kroatin. Aber es liegt wohl auch daran, dass Blanka Vlasic erfahrener ist. Blanka Vlasic, 25, ist nur zwei Monate älter als Ariane Friedrich, als Hochspringerin der Weltklasse allerdings ist sie der Deutschen um Jahre voraus. Ariane Friedrich galt noch als unstetes Talent mit einem etwas sehr fröhlichen Nachtleben, als Blanka Vlasic längst internationale Medaillen gewonnen hatte.

Den Zustand, eine nationale Leichtathletik-Hoffnung zu sein, kennt Blanka Vlasic spätestens seit ihrem ersten Junioren-WM-Gold 2000. 2007, als Vlasic in Serie siegte und mit 2,05 Metern in Osaka Weltmeisterin wurde, verbesserte Ariane Friedrich ihren persönlichen Rekord gerade auf 1,94; erst 2008 sprang Friedrich 2,03. Blanka Vlasics Karriere ist stetiger verlaufen, sie hat auch schon empfindliche Tiefs hinter sich und einen Favoritensturz bei Olympia, als sie vergangenes Jahr in Peking hinter der früheren Siebenkämpferin Tia Hellebaut aus Belgien Zweite wurde. Daher kommt die Routine, die ihr Vorteil sein könnte in der WM-Auseinandersetzung von Berlin.

Für die Öffentlichkeit und die WM-Vermarkter ist längst ausgemacht, dass der Hochsprung-Wettbewerb eines der packendsten Duelle der Titelkämpfe hervorbringen wird. Friedrich, die quirlige Tempo-Flopperin, seit Juni deutsche Rekordlerin mit 2,06 Metern, gegen die schlaksige Titelverteidigerin Vlasic, Jahresbestleistung 2,05. Vlasic hat nichts dagegen, sie ist Profi, sie weiß, was bei den Leuten ankommt. "Es ist eine großartige Sache, dass der Frauen-Hochsprung zwei Athletinnen hat, die über 2,05 gesprungen sind, das macht unsere Disziplin sehr interessant", sagt sie, "das ist gut für uns alle."

"Vergesst die anderen nicht"

Aber sie ist klug genug, sich nicht auf ablenkende Fernscharmützel einzulassen. Neulich in Monaco hat sie Friedrich mit 2,03 höhengleich die erste Saisonniederlage beigebracht ("ein guter Kampf"). Jetzt sagt sie, sie wolle gar nicht so viel über die Rivalität nachdenken. Und überhaupt: "Ich sage immer: Vergesst nicht die anderen Mädels, die sehr gut vorbereitet sein werden. Sie wollen alle ein Stück vom Kuchen."

Blanka Vlasic hat manchmal so eine frostige Gelassenheit im Blick, wie sie auch Diven an der Oper zeigen, wenn sie die Überzeugung von ihrer eigenen Göttlichkeit in Szene setzen. Aber was ihren Sport angeht, hat sich Blanka Vlasic durchaus eine gewisse Bodenständigkeit bewahrt. Sie schimpft ein bisschen über ihre bisherigen Saisonleistungen, die wegen schlechten Wetters teilweise unter ihrem Wert gewesen seien: "Ich fühle, ich hätte höher springen können." Aber sie hat über ihre vielen Siege nicht vergessen, dass sie auch verlieren kann.

Blanka Vlasic ist so selbstbewusst, dass sie auf kein Gold der Welt mehr angewiesen ist. Auch das kann ein Vorteil sein in der Hitze des Duells mit der deutschen Gold-Anwärterin Friedrich.

© SZ vom 07.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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