Kommentatoren bei der Fußball-EM:Brüllen wie der Wolff

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Sie bearbeiten das Mikrofon mit Aggro-Timbre: Diese Europameisterschaft ist das Turnier der brüllenden Kommentatoren. Die veranstalten offenbar einen intern-rechtlichen Wettbewerb, wer am Ende der EM an der unpassendsten Stelle geschrieen haben wird.

Jürgen Schmieder

Die EM-Partie zwischen Griechenland und Tschechien plätscherte vor sich hin. Nein, eigentlich tröpfelte sie eher. Ach, seien wir ehrlich: Sie war gerade stinklangweilig. Es wäre Zeit gewesen, ein wenig zu dösen, sich ein isotonisches Getränk zu holen oder über den Namen des tschechischen Spielers Theodor Gebre Selassi zu philosophieren - aber nicht mit Gerd Gottlob.

Hauptsache laut: Die Kommentatoren bei der EM brüllen, auch wenn es nichts zu brüllen gibt. (Foto: dapd)

"Gekaaaaas", brüllte Gottlob, als würden sowohl er als auch Theofanis Gekas gerade aufgespießt und über offenem Feuer gegart. Blick zum Fernseher: Gekas hatte 40 Meter vor dem gegnerischen Tor einen Fehlpass gespielt. Beim Tor des griechischen Angreifers hielt Gottlob das "a" noch zwei Sekunden länger.

Joseph Haydn hat einst die 94. Sinfonie komponiert, die mit dem Paukenschlag, bei der das gesamte Orchester im zweiten Satz plötzlich einen Fortissimo-Schlag bringt. "Mir war daran gelegen, das Publikum zu überraschen", soll Haydn gesagt haben. Bei dieser Europameisterschaft machen die Kommentatoren den Anschein, als würden sie auch überraschen wollen - auch dann, wenn auf dem Spielfeld nichts Überraschendes passiert.

Begründer der Brüllerei ist Wolff-Christoph Fuss, der gerne im Bariton der Überzeugung das Mikrofon und damit auch die Ohren der Zuschauer bearbeitet. Seinen Ausruf "Ballack" beim Spiel Chelsea gegen Manchester haben im Internet mehr als eine Million Menschen angeklickt. Beim Champions-League-Spiel zwischen Inter Mailand und Schalke 04 brüllte er einst: "Eduuuuu!" Dann: "Raúl! Raúúl! Raúúúl! Raúúúúúl!" Später: "Farfannnnn!" Und am Ende: "Ei! Gen! Tooooor!"

Fuss selbst bezeichnet seinen Stil als "ausgewogen emotional". Er gilt als hip, hat einige Preise gewonnen und hat das Aggro-Timbre salonfähig gemacht. Nur: Fuss brüllt meist nur dann, wenn es was zu brüllen gibt, bei Toren also oder bei grotesk vergebenen Gelegenheiten. Die öffentlich-rechtlichen Kommentatoren dagegen scheinen einen internen Wettbewerb zu veranstalten, wer am Ende der EM an der unpassendsten Stelle gebrüllt haben wird.

Die Favoriten bisher: Bei der Partie zwischen Polen und Russland schrie ARD-Mann Tom Bartels in hellem Timbre: "Lewandowskiiiiiiiiiiiiiiiiii", als der polnische Stürmer im Mittelfeld den Ball annahm. ZDF-Kommentator Thomas Wark brüllte bei Frankreich gegen England, obwohl da nur einer die Linie hinunterlief, Kollege Wolf-Dieter Poschmann schrie mit zitternder Stimme bei Ukraine-Schweden bei einem Angriff, der nun wahrlich nicht nach Torchance aussah. Als es doch eine Gelegenheit für Schweden wurde, da überschlug sich Poschmanns Stimme gar.

Es gibt auch einen Geheimfavoriten, der erst bei diesem Turnier sein Talent zum Brüllen zeigt: Bélà Rhety. Der kommentiert gewöhnlich so, als würde er die Packungsbeilage von Kopfwehtabletten vorlesen: Wenn ein Tor fällt, dann sagt er, dass ein Tor gefallen ist. Wenn einer schlecht spielt, dann sagt Rhety, dass der Akteur schlecht spielt. Beim Spiel Deutschland gegen Holland allerdings brüllte auch er - bei einem misslungenen Zuspiel von Klose etwa kurz vor dem Ende der Partie.

Dem Zuschauer bleiben nun nur zwei Möglichkeiten: Entweder er schaltet um zu alternativen Kommentaren. Oder er macht es wie einige Studenten in Regensburg: Die trinken immer dann von ihrem alkoholischen Getränk, wenn ein Kommentator an einer unpassenden Stelle schreit. Rekord bisher: 15 Getränke beim Spiel Griechenland gegen Tschechien mit Gerd Gottlob.

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