Köln:Angekommen

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Köln ist verzückt: Anthony Modeste, im Sommer aus Hoffenheim gekommen, trifft nicht nur auf Anhieb, sondern jubelt auch noch mit rosa Schnuller. (Foto: imago/ActionPictures)

Schon im ersten Spiel überzeugt der Stürmer Anthony Modeste die Rheinländer. Der Franzose hat eine Zeit der Heimatlosigkeit hinter sich.

Von Philipp Selldorf, Köln

Die ersten Schritte auf dem Weg zum Profifußballer fielen Anthony Modeste, 27, sehr schwer. Als 15-Jähriger hatte er 2003 seine Heimatstadt Cannes verlassen, um ein Zimmer im Internat des Erstligaklubs OGC Nizza zu beziehen, doch die Eingewöhnung wollte ihm nicht gelingen. Im ersten Halbjahr seiner Lehre, so hat er später erzählt, habe er jeden Tag die Eltern angerufen, um ihnen zu sagen, dass er wieder nach Hause kommen wolle. Die aber haben seinen Bitten nicht nachgegeben, der Vater war einst selbst Berufsfußballer in der zweiten französischen Liga. Schließlich schaffte es Anthony Modeste im Alter von 19 Jahren in den Profikader von OGC Nizza - womit die Zeit der Heimatlosigkeit erst richtig begann. Angers, Bordeaux, Blackburn, Bastia, Hoffenheim - der Angreifer wurde verliehen und verkauft.

Nicht nur Modeste hofft, dass er in diesem Sommer beim 1. FC Köln eine ständige Bleibe gefunden hat. Ein paar Wochen im Trainingsbetrieb, ein paar Test- und zwei Pflichtspiele haben schon genügt, um den französischen Mittelstürmer zu einem der beliebtesten Bürger in der Stadt zu machen. Sein Bundesligadebüt für den FC am Sonntag hätte besser kaum sein können: Modeste erwarb sich Meriten durch sein Tor zum 1:0 (selbst erwirtschafteter Foulelfmeter), eine Torvorlage (zum 3:1) und beharrliche, effektive Abwehrarbeit in der Offensive. Obendrein rührte er das Herz der Kölner, als er zu Ehren seines vor sechs Monaten geborenen Sohnes Brooklyn zum Jubeln einen Schnuller hervorholte.

Jörg Schmadtke und Jörg Jakobs, die Kölner Sportchefs, besitzen einen guten Ruf als Personalplaner, aber dass ein Neuling auf der anspruchsvollen Position in der Angriffsmitte so schnell zu großer Wirkung findet, das dürfte auch sie etwas verblüffen. Die Investition in Modeste stellte zwar ein Bekenntnis dar - circa vier Millionen Euro Ablöse an die TSG Hoffenheim -, doch die Kölner Verantwortlichen sorgten vorbeugend vielfältig für die Offensive vor. Sie bauten die Optionen im offensiven Mittelfeld aus (Bittencourt, Jojic) und verstärkten den Angriff (Zoller, Hosiner).

Anthony Modeste kam in direkter Nachfolge von Anthony Ujah, der dank seiner großen Popularität vermutlich gute Aussichten bei der im September anstehenden Oberbürgermeisterwahl gehabt hätte - statt einer Kandidatur zog er es aber vor, zu Werder Bremen zu gehen. Viele Kölner waren entsetzt und enttäuscht über die Entscheidung des Volkshelden, die FC-Chefs trugen aber ihren Teil zu dem Wechsel bei, indem sie darauf verzichteten, Ujah einen besser dotierten Vertrag anzubieten und ihm damit die bestehende Wechselklausel abzukaufen. Genau besehen, gibt es nicht viele Anhaltspunkte dafür, dass der FC aufs Äußerste um Ujah gekämpft hätte. Eher lässt sich sagen, dass der FC seinen Wechsel gern dazu genutzt hat, das Spiel der Mannschaft zu modifizieren: ein Stück weg vom Überlebenskampf eines Aufsteigers, hin zum gehobenen Niveau des Liga-Mittelbaus.

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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