Boxkampf Mayweather vs. Pacquiao:Enttäuschung als Prinzip

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Floyd Mayweather: Doch nicht größer als das Leben selbst (Foto: REUTERS)

Mayweather ist der Sieger, der Zuschauer der Verlierer: Ein Sportereignis kann nicht vorab zum Jahrhundertspektakel erklärt werden. Das fördert zwar kurzfristig den Verkauf, schadet aber langfristig der Sportart.

Kommentar von Jürgen Schmieder

Floyd Mayweather junior misst offiziell 1,73 Meter. Mit dem Sieg gegen Manny Pacquiao ist er keinen Zentimeter gewachsen. Das mag verblüffen, weil sich Mayweather aufgrund seiner boxerischen Fähigkeiten und seines Reichtums gerne als das präsentiert, was die Amerikaner mit dem Begriff "Larger than Life" umschreiben. Größer als das Leben. Wer ihm nach dem Kampf gegenüberstand, der brauchte kein Maßband, um zu erkennen: Es sind noch immer 173 Zentimeter. Nicht mehr, nicht weniger.

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Ein Jahrhundertkampf ist es nicht, ein großes Spektakel durchaus: Floyd Mayweather gewinnt gegen Manny Pacquiao nach Punkten. Der Boxer von den Philippinen sieht allerdings sich als Sieger - und der Amerikaner überrascht nach Schlussgong alle.

Von Jürgen Schmieder

Das Duell zwischen Mayweather und Pacquiao war offensiv vermarktet worden als Kampf des Jahrhunderts. Als Gefecht, das den zur Nischenattraktion verkommenen Sport wieder für eine breite Öffentlichkeit interessant machen könnte. Dieser Hype wurde mit Zahlen belegt, damit diese Öffentlichkeit keine Zweifel hegte: mehr als 400 Millionen Dollar Gesamtumsatz, mehr als 16 000 Prominente am Ring, mehr als drei Millionen Pay-Per-View-Kunden allein in den USA. Die Kontrahenten wurden vor dem Duell an die Fassade des MGM Grand in Las Vegas plakatiert. 30 Stockwerke hoch. Dieser Kampf, er sollte größer sein als das Boxen selbst. Nicht weniger.

Vergleiche, gerne auch im Konjunktiv formuliert, gewagte Einordnungen und historische Superlative gehören zum Sport, sie lassen die Debatten hitzig und unterhaltsam werden: Wer ist der beste Tennisspieler der Geschichte? Ist LeBron James der talentiertere Basketballspieler als Michael Jordan? War das WM-Halbfinale 1970 zwischen Italien und Deutschland das tollste Fußballspiel - oder ist es womöglich doch das 7:1 der Deutschen gegen Brasilien 2014?

Aufregung muss fürs Fernsehen generiert werden

Diese Debatten finden in allen anderen Sportarten erst nach dem Wettkampf statt. Niemand hätte gewagt, Roger Federer zu Beginn seiner Karriere als den Besten der Geschichte zu bezeichnen oder die Partie zwischen Deutschland und Brasilien vor dem Anpfiff als Spektakel zu preisen. Beim Boxen ist das anders, weil die Einnahmen über das Bezahlfernsehen durch das Konstruieren von Aufregung erzielt werden, weil Werbekunden im freien TV nur dann bezahlen, wenn hohe Quoten locken. Genau daran krankt diese Sportart jedoch, weil sie ein Versprechen abgeben muss, das oft nicht eingehalten wird.

Ein Sportereignis kann nicht vorab zum Jahrhundertspektakel werden. Das ist falsch, es widerspricht dem Gedanken, dass sich die Menschen für Sport interessieren, weil sie nicht wissen, was passieren wird. Die Aussage "Das wird der Kampf des Jahrhunderts" wird somit schnell übertrieben oder gar lächerlich. Sie fördert kurzfristig den Verkauf, schadet aber langfristig der Sportart.

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Paris Hilton zieht noch rechtzeitig die Handschuhe über, Robert De Niro macht sich eifrig Notizen: Der Kampf zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao ist kein großer Sport, aber eine große Show.

Floyd Mayweather ist nicht größer als das Leben selbst. Er ist nicht gewachsen am Samstag, weil sein Kontrahent dann doch nicht groß genug war. Er ist ein herausragender Boxer, wohl der über die Gewichtsklassen hinweg Beste seiner Generation. Es war ein unterhaltsames Gefecht. Nicht mehr, nicht weniger. Es wird in Erinnerung bleiben, jedoch nicht wegen seiner sportlichen Qualität, sondern wegen des Irrsinns in den Wochen zuvor - der entlarvt, warum sich die breite Öffentlichkeit nicht mehr fürs Profiboxen interessiert.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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